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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Briefwechsel mit Ludwig von Bayern.

Versailles, 24. December 1870 1).

Allerdurchlauchtigster König,
Allergnädigster Herr,

Das huldreiche Schreiben Eurer Majestät, welches Graf Holn¬
stein mir überbracht hat, ermuthigt mich mit meinem Danke für
den gnädigen Inhalt desselben, Eurer Majestät meine unterthänig¬
sten Glückwünsche zu dem bevorstehenden Jahreswechsel darzubringen.
Wohl selten hat Deutschland von einem neuen Jahre mit gleicher
Zuversicht wie von dem bevorstehenden die Erfüllung nationaler
Wünsche erwartet. Wenn diese Hoffnungen sich verwirklichen,
wenn das geeinte Deutschland dahin gelangt, daß es seinen äußern
Frieden in gesicherten Grenzen durch eigne Kraft verbürgen kann,
gleichzeitig, ohne die freie Entwicklung der einzelnen Bundesglieder
zu beeinträchtigen, so wird die entscheidende Stellung, die Eure
Majestät zu der Neugestaltung des gemeinsamen Vaterlandes ge¬
wonnen haben, in der Geschichte und in der Dankbarkeit der
Deutschen jederzeit unvergessen bleiben.

Eure Majestät setzen mit Recht voraus, daß auch ich von der
Centralisation kein Heil erwarte, sondern grade in der Erhaltung
der Rechte, welche die Bundesverfassung den einzelnen Gliedern
des Bundes sichert, die dem deutschen Geiste entsprechende Form
der Entwicklung und zugleich die sicherste Bürgschaft gegen die
Gefahren erblicke, welchen Recht und Ordnung in der freien Be¬
wegung des heutigen politischen Lebens ausgesetzt sein können.
Daß die Herstellung der Kaiserwürde durch Initiative Eurer Majestät
und der verbündeten Fürsten den monarchisch-conservativen Inter¬
essen förderlich ist, beweist die feindliche Stellung, welche die
republikanische Partei in ganz Deutschland zu derselben genom¬
men hat.

1) Nach dem Concept; in der Reinschrift hat der Brief einige stilistische
Aenderungen erfahren.
Briefwechſel mit Ludwig von Bayern.

Verſailles, 24. December 1870 1).

Allerdurchlauchtigſter König,
Allergnädigſter Herr,

Das huldreiche Schreiben Eurer Majeſtät, welches Graf Holn¬
ſtein mir überbracht hat, ermuthigt mich mit meinem Danke für
den gnädigen Inhalt deſſelben, Eurer Majeſtät meine unterthänig¬
ſten Glückwünſche zu dem bevorſtehenden Jahreswechſel darzubringen.
Wohl ſelten hat Deutſchland von einem neuen Jahre mit gleicher
Zuverſicht wie von dem bevorſtehenden die Erfüllung nationaler
Wünſche erwartet. Wenn dieſe Hoffnungen ſich verwirklichen,
wenn das geeinte Deutſchland dahin gelangt, daß es ſeinen äußern
Frieden in geſicherten Grenzen durch eigne Kraft verbürgen kann,
gleichzeitig, ohne die freie Entwicklung der einzelnen Bundesglieder
zu beeinträchtigen, ſo wird die entſcheidende Stellung, die Eure
Majeſtät zu der Neugeſtaltung des gemeinſamen Vaterlandes ge¬
wonnen haben, in der Geſchichte und in der Dankbarkeit der
Deutſchen jederzeit unvergeſſen bleiben.

Eure Majeſtät ſetzen mit Recht voraus, daß auch ich von der
Centraliſation kein Heil erwarte, ſondern grade in der Erhaltung
der Rechte, welche die Bundesverfaſſung den einzelnen Gliedern
des Bundes ſichert, die dem deutſchen Geiſte entſprechende Form
der Entwicklung und zugleich die ſicherſte Bürgſchaft gegen die
Gefahren erblicke, welchen Recht und Ordnung in der freien Be¬
wegung des heutigen politiſchen Lebens ausgeſetzt ſein können.
Daß die Herſtellung der Kaiſerwürde durch Initiative Eurer Majeſtät
und der verbündeten Fürſten den monarchiſch-conſervativen Inter¬
eſſen förderlich iſt, beweiſt die feindliche Stellung, welche die
republikaniſche Partei in ganz Deutſchland zu derſelben genom¬
men hat.

1) Nach dem Concept; in der Reinſchrift hat der Brief einige ſtiliſtiſche
Aenderungen erfahren.
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[355/0382] Briefwechſel mit Ludwig von Bayern. Verſailles, 24. December 1870 1). Allerdurchlauchtigſter König, Allergnädigſter Herr, Das huldreiche Schreiben Eurer Majeſtät, welches Graf Holn¬ ſtein mir überbracht hat, ermuthigt mich mit meinem Danke für den gnädigen Inhalt deſſelben, Eurer Majeſtät meine unterthänig¬ ſten Glückwünſche zu dem bevorſtehenden Jahreswechſel darzubringen. Wohl ſelten hat Deutſchland von einem neuen Jahre mit gleicher Zuverſicht wie von dem bevorſtehenden die Erfüllung nationaler Wünſche erwartet. Wenn dieſe Hoffnungen ſich verwirklichen, wenn das geeinte Deutſchland dahin gelangt, daß es ſeinen äußern Frieden in geſicherten Grenzen durch eigne Kraft verbürgen kann, gleichzeitig, ohne die freie Entwicklung der einzelnen Bundesglieder zu beeinträchtigen, ſo wird die entſcheidende Stellung, die Eure Majeſtät zu der Neugeſtaltung des gemeinſamen Vaterlandes ge¬ wonnen haben, in der Geſchichte und in der Dankbarkeit der Deutſchen jederzeit unvergeſſen bleiben. Eure Majeſtät ſetzen mit Recht voraus, daß auch ich von der Centraliſation kein Heil erwarte, ſondern grade in der Erhaltung der Rechte, welche die Bundesverfaſſung den einzelnen Gliedern des Bundes ſichert, die dem deutſchen Geiſte entſprechende Form der Entwicklung und zugleich die ſicherſte Bürgſchaft gegen die Gefahren erblicke, welchen Recht und Ordnung in der freien Be¬ wegung des heutigen politiſchen Lebens ausgeſetzt ſein können. Daß die Herſtellung der Kaiſerwürde durch Initiative Eurer Majeſtät und der verbündeten Fürſten den monarchiſch-conſervativen Inter¬ eſſen förderlich iſt, beweiſt die feindliche Stellung, welche die republikaniſche Partei in ganz Deutſchland zu derſelben genom¬ men hat. 1) Nach dem Concept; in der Reinſchrift hat der Brief einige ſtiliſtiſche Aenderungen erfahren.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/382>, abgerufen am 24.11.2024.