Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Antrag auf Einsetzung einer Regentschaft. Prinzen von Preußen, eine Regentschaft der Prinzessin für ihrenminderjährigen Sohn herzustellen. Ich lehnte sofort ab und er¬ klärte, daß ich einen Antrag des Inhalts mit dem Antrage auf gerichtliches Verfahren wegen Hochverraths beantworten würde. Vincke vertheidigte seine Anregung als eine politisch gebotene, durchdachte und vorbereitete Maßregel. Er hielt den Prinzen wegen der von ihm leider nicht verdienten Bezeichnung "Kartätschen¬ prinz" für unmöglich und behauptete, daß dessen Einverständniß schriftlich vorliege. Damit hatte er eine Erklärung im Sinne, welche der ritterliche Herr ausgestellt haben soll, daß er, wenn sein König dadurch vor Gefahr geschützt werden könne, bereit sei auf sein Erbrecht zu verzichten. Ich habe die Erklärung nie gesehn, und der hohe Herr hat mir nie davon gesprochen. Herr von Vincke gab seinen Versuch, mich für die Regentschaft der Prinzessin zu gewinnen, schließlich kühl und leicht mit der Erklärung auf, ohne Mit¬ wirkung der äußersten Rechten, die er als durch mich vertreten ansah, werde der König nicht zum Rücktritt zu bestimmen sein. Die Ver¬ handlung fand bei mir im Hotel des Princes, parterre rechts, statt und enthielt beiderseits mehr, als sich niederschreiben läßt. Von diesem Vorgange und von der Aussprache, welche ich Dagegen muß sie ihrem Gemal nach England geschrieben Antrag auf Einſetzung einer Regentſchaft. Prinzen von Preußen, eine Regentſchaft der Prinzeſſin für ihrenminderjährigen Sohn herzuſtellen. Ich lehnte ſofort ab und er¬ klärte, daß ich einen Antrag des Inhalts mit dem Antrage auf gerichtliches Verfahren wegen Hochverraths beantworten würde. Vincke vertheidigte ſeine Anregung als eine politiſch gebotene, durchdachte und vorbereitete Maßregel. Er hielt den Prinzen wegen der von ihm leider nicht verdienten Bezeichnung „Kartätſchen¬ prinz“ für unmöglich und behauptete, daß deſſen Einverſtändniß ſchriftlich vorliege. Damit hatte er eine Erklärung im Sinne, welche der ritterliche Herr ausgeſtellt haben ſoll, daß er, wenn ſein König dadurch vor Gefahr geſchützt werden könne, bereit ſei auf ſein Erbrecht zu verzichten. Ich habe die Erklärung nie geſehn, und der hohe Herr hat mir nie davon geſprochen. Herr von Vincke gab ſeinen Verſuch, mich für die Regentſchaft der Prinzeſſin zu gewinnen, ſchließlich kühl und leicht mit der Erklärung auf, ohne Mit¬ wirkung der äußerſten Rechten, die er als durch mich vertreten anſah, werde der König nicht zum Rücktritt zu beſtimmen ſein. Die Ver¬ handlung fand bei mir im Hôtel des Princes, parterre rechts, ſtatt und enthielt beiderſeits mehr, als ſich niederſchreiben läßt. Von dieſem Vorgange und von der Ausſprache, welche ich Dagegen muß ſie ihrem Gemal nach England geſchrieben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0064" n="37"/><fw place="top" type="header">Antrag auf Einſetzung einer Regentſchaft.<lb/></fw> Prinzen von Preußen, eine Regentſchaft der Prinzeſſin für ihren<lb/> minderjährigen Sohn herzuſtellen. Ich lehnte ſofort ab und er¬<lb/> klärte, daß ich einen Antrag des Inhalts mit dem Antrage auf<lb/> gerichtliches Verfahren wegen Hochverraths beantworten würde.<lb/> Vincke vertheidigte ſeine Anregung als eine politiſch gebotene,<lb/> durchdachte und vorbereitete Maßregel. Er hielt den Prinzen<lb/> wegen der von ihm leider nicht verdienten Bezeichnung „Kartätſchen¬<lb/> prinz“ für unmöglich und behauptete, daß deſſen Einverſtändniß<lb/> ſchriftlich vorliege. Damit hatte er eine Erklärung im Sinne,<lb/> welche der ritterliche Herr ausgeſtellt haben ſoll, daß er, <hi rendition="#g">wenn</hi><lb/> ſein König dadurch vor Gefahr geſchützt werden könne, bereit ſei<lb/> auf ſein Erbrecht zu verzichten. Ich habe die Erklärung nie geſehn,<lb/> und der hohe Herr hat mir nie davon geſprochen. Herr von Vincke<lb/> gab ſeinen Verſuch, mich für die Regentſchaft der Prinzeſſin zu<lb/> gewinnen, ſchließlich kühl und leicht mit der Erklärung auf, ohne Mit¬<lb/> wirkung der äußerſten Rechten, die er als durch mich vertreten anſah,<lb/> werde der König nicht zum Rücktritt zu beſtimmen ſein. Die Ver¬<lb/> handlung fand bei mir im <hi rendition="#aq">Hôtel des Princes</hi>, parterre rechts,<lb/> ſtatt und enthielt beiderſeits mehr, als ſich niederſchreiben läßt.</p><lb/> <p>Von dieſem Vorgange und von der Ausſprache, welche ich<lb/> von ſeiner Gemalin während der Märztage in dem Potsdamer<lb/> Stadtſchloſſe zu hören bekommen hatte, habe ich dem Kaiſer Wilhelm<lb/> niemals geſprochen und weiß nicht, ob Andre es gethan haben.<lb/> Ich habe ihm dieſe Erlebniſſe verſchwiegen auch in Zeiten wie die<lb/> des vierjährigen Conflicts, des öſtreichiſchen Krieges und des Cultur¬<lb/> kampfs, wo ich in der Königin Auguſta den Gegner erkennen mußte,<lb/> welcher meine Fähigkeit, zu vertreten was ich für meine Pflicht hielt,<lb/> und meine Nerven auf die ſchwerſte Probe im Leben geſtellt hat.<lb/></p> <p>Dagegen muß ſie ihrem Gemal nach England geſchrieben<lb/> haben, daß ich verſucht hatte, zu ihm zu gelangen, um ſeine Unter¬<lb/> ſtützung für eine contrarevolutionäre Bewegung zur Befreiung des<lb/> Königs zu gewinnen; denn als er auf der Rückkehr am 7. Juni<lb/> einige Minuten auf dem Genthiner Bahnhof verweilte und ich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [37/0064]
Antrag auf Einſetzung einer Regentſchaft.
Prinzen von Preußen, eine Regentſchaft der Prinzeſſin für ihren
minderjährigen Sohn herzuſtellen. Ich lehnte ſofort ab und er¬
klärte, daß ich einen Antrag des Inhalts mit dem Antrage auf
gerichtliches Verfahren wegen Hochverraths beantworten würde.
Vincke vertheidigte ſeine Anregung als eine politiſch gebotene,
durchdachte und vorbereitete Maßregel. Er hielt den Prinzen
wegen der von ihm leider nicht verdienten Bezeichnung „Kartätſchen¬
prinz“ für unmöglich und behauptete, daß deſſen Einverſtändniß
ſchriftlich vorliege. Damit hatte er eine Erklärung im Sinne,
welche der ritterliche Herr ausgeſtellt haben ſoll, daß er, wenn
ſein König dadurch vor Gefahr geſchützt werden könne, bereit ſei
auf ſein Erbrecht zu verzichten. Ich habe die Erklärung nie geſehn,
und der hohe Herr hat mir nie davon geſprochen. Herr von Vincke
gab ſeinen Verſuch, mich für die Regentſchaft der Prinzeſſin zu
gewinnen, ſchließlich kühl und leicht mit der Erklärung auf, ohne Mit¬
wirkung der äußerſten Rechten, die er als durch mich vertreten anſah,
werde der König nicht zum Rücktritt zu beſtimmen ſein. Die Ver¬
handlung fand bei mir im Hôtel des Princes, parterre rechts,
ſtatt und enthielt beiderſeits mehr, als ſich niederſchreiben läßt.
Von dieſem Vorgange und von der Ausſprache, welche ich
von ſeiner Gemalin während der Märztage in dem Potsdamer
Stadtſchloſſe zu hören bekommen hatte, habe ich dem Kaiſer Wilhelm
niemals geſprochen und weiß nicht, ob Andre es gethan haben.
Ich habe ihm dieſe Erlebniſſe verſchwiegen auch in Zeiten wie die
des vierjährigen Conflicts, des öſtreichiſchen Krieges und des Cultur¬
kampfs, wo ich in der Königin Auguſta den Gegner erkennen mußte,
welcher meine Fähigkeit, zu vertreten was ich für meine Pflicht hielt,
und meine Nerven auf die ſchwerſte Probe im Leben geſtellt hat.
Dagegen muß ſie ihrem Gemal nach England geſchrieben
haben, daß ich verſucht hatte, zu ihm zu gelangen, um ſeine Unter¬
ſtützung für eine contrarevolutionäre Bewegung zur Befreiung des
Königs zu gewinnen; denn als er auf der Rückkehr am 7. Juni
einige Minuten auf dem Genthiner Bahnhof verweilte und ich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |