Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Verstimmung der "Halbgötter". Ressortrivalitäten. dessen unfreiwilliger Ohrenzeuge ich dadurch wurde, daß es ineinem Nebencoupe stattfand, dessen Scheidewand von einer breiten Oeffnung über mir durchbrochen war. Der Erstre äußerte laut seine Befriedigung, etwa in dem Sinne: "Diesmal ist also dafür gesorgt, daß uns dergleichen nicht wieder passirt." Bevor der Zug sich in Bewegung setzte, hörte ich genug, um zu verstehn, welches "damals" im Gegensatz gegen diesmal der General im Sinne hatte, nämlich meine Betheiligung an militärischen Be¬ rathungen in dem böhmischen Feldzuge und besonders die Aenderung der Marschrichtung auf Preßburg anstatt auf Wien. Die durch diese Reden gekennzeichnete Verabredung wurde Verſtimmung der „Halbgötter“. Reſſortrivalitäten. deſſen unfreiwilliger Ohrenzeuge ich dadurch wurde, daß es ineinem Nebencoupé ſtattfand, deſſen Scheidewand von einer breiten Oeffnung über mir durchbrochen war. Der Erſtre äußerte laut ſeine Befriedigung, etwa in dem Sinne: „Diesmal iſt alſo dafür geſorgt, daß uns dergleichen nicht wieder paſſirt.“ Bevor der Zug ſich in Bewegung ſetzte, hörte ich genug, um zu verſtehn, welches „damals“ im Gegenſatz gegen diesmal der General im Sinne hatte, nämlich meine Betheiligung an militäriſchen Be¬ rathungen in dem böhmiſchen Feldzuge und beſonders die Aenderung der Marſchrichtung auf Preßburg anſtatt auf Wien. Die durch dieſe Reden gekennzeichnete Verabredung wurde <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0119" n="95"/><fw place="top" type="header">Verſtimmung der „Halbgötter“. Reſſortrivalitäten.<lb/></fw>deſſen unfreiwilliger Ohrenzeuge ich dadurch wurde, daß es in<lb/> einem Nebencoup<hi rendition="#aq">é</hi> ſtattfand, deſſen Scheidewand von einer breiten<lb/> Oeffnung über mir durchbrochen war. Der Erſtre äußerte laut<lb/> ſeine Befriedigung, etwa in dem Sinne: „Diesmal iſt alſo dafür<lb/> geſorgt, daß uns dergleichen nicht wieder paſſirt.“ Bevor der<lb/> Zug ſich in Bewegung ſetzte, hörte ich genug, um zu verſtehn,<lb/> welches „damals“ im Gegenſatz gegen diesmal der General im<lb/> Sinne hatte, nämlich meine Betheiligung an militäriſchen Be¬<lb/> rathungen in dem böhmiſchen Feldzuge und beſonders die Aenderung<lb/> der Marſchrichtung auf Preßburg anſtatt auf Wien.</p><lb/> <p>Die durch dieſe Reden gekennzeichnete Verabredung wurde<lb/> mir praktiſch wahrnehmbar; ich wurde nicht nur zu den militäri¬<lb/> ſchen Berathungen nicht zugezogen, wie 1866 geſchehn war, ſondern<lb/> es galt mir gegenüber ſtrenge Geheimhaltung aller militäriſchen<lb/> Maßregeln und Abſichten als Regel. Dieſes Ergebniß der unſern<lb/> amtlichen Kreiſen innewohnenden Rivalität der Reſſorts war ein<lb/> ſo augenfälliger Schaden für die Geſchäftsführung, daß der in An¬<lb/> gelegenheiten des Rothen Kreuzes im Hauptquartier anweſende Graf<lb/> Eberhard Stolberg bei der freundſchaftlichen Intimität, in der ich<lb/> mit dieſem, leider zu früh verſtorbenen Patrioten ſtand, den König<lb/> auf die Unzuträglichkeiten der Ausſchließung ſeines verantwortlichen<lb/> politiſchen Rathgebers aufmerkſam machte. Nach dem Zeugniſſe des<lb/> Grafen hatte Se. Majeſtät darauf erwidert: „Ich ſei in dem böhmi¬<lb/> ſchen Kriege in der Regel zu dem Kriegsrathe zugezogen worden,<lb/> und es ſei dabei vorgekommen, daß ich im Widerſpruche mit der<lb/> Majorität den Nagel auf den Kopf getroffen hätte; daß das den<lb/> andern Generalen ärgerlich ſei und ſie ihr Reſſort allein berathen<lb/> wollten, ſei nicht zu verwundern“ — <hi rendition="#aq">ipsissima verba regis</hi>, nach<lb/> dem Zeugniſſe des Grafen Stolberg nicht nur mir, ſondern auch<lb/> Andern gegenüber. Das Maß von Einfluß, welches der König mir<lb/> 1866 verſtattet hatte, ſtand allerdings im Widerſpruche mit mili¬<lb/> täriſchen Traditionen, ſobald der Miniſterpräſident allein nach den<lb/> Abzeichen der Uniform claſſificirt wurde, die er im Felde trug,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0119]
Verſtimmung der „Halbgötter“. Reſſortrivalitäten.
deſſen unfreiwilliger Ohrenzeuge ich dadurch wurde, daß es in
einem Nebencoupé ſtattfand, deſſen Scheidewand von einer breiten
Oeffnung über mir durchbrochen war. Der Erſtre äußerte laut
ſeine Befriedigung, etwa in dem Sinne: „Diesmal iſt alſo dafür
geſorgt, daß uns dergleichen nicht wieder paſſirt.“ Bevor der
Zug ſich in Bewegung ſetzte, hörte ich genug, um zu verſtehn,
welches „damals“ im Gegenſatz gegen diesmal der General im
Sinne hatte, nämlich meine Betheiligung an militäriſchen Be¬
rathungen in dem böhmiſchen Feldzuge und beſonders die Aenderung
der Marſchrichtung auf Preßburg anſtatt auf Wien.
Die durch dieſe Reden gekennzeichnete Verabredung wurde
mir praktiſch wahrnehmbar; ich wurde nicht nur zu den militäri¬
ſchen Berathungen nicht zugezogen, wie 1866 geſchehn war, ſondern
es galt mir gegenüber ſtrenge Geheimhaltung aller militäriſchen
Maßregeln und Abſichten als Regel. Dieſes Ergebniß der unſern
amtlichen Kreiſen innewohnenden Rivalität der Reſſorts war ein
ſo augenfälliger Schaden für die Geſchäftsführung, daß der in An¬
gelegenheiten des Rothen Kreuzes im Hauptquartier anweſende Graf
Eberhard Stolberg bei der freundſchaftlichen Intimität, in der ich
mit dieſem, leider zu früh verſtorbenen Patrioten ſtand, den König
auf die Unzuträglichkeiten der Ausſchließung ſeines verantwortlichen
politiſchen Rathgebers aufmerkſam machte. Nach dem Zeugniſſe des
Grafen hatte Se. Majeſtät darauf erwidert: „Ich ſei in dem böhmi¬
ſchen Kriege in der Regel zu dem Kriegsrathe zugezogen worden,
und es ſei dabei vorgekommen, daß ich im Widerſpruche mit der
Majorität den Nagel auf den Kopf getroffen hätte; daß das den
andern Generalen ärgerlich ſei und ſie ihr Reſſort allein berathen
wollten, ſei nicht zu verwundern“ — ipsissima verba regis, nach
dem Zeugniſſe des Grafen Stolberg nicht nur mir, ſondern auch
Andern gegenüber. Das Maß von Einfluß, welches der König mir
1866 verſtattet hatte, ſtand allerdings im Widerſpruche mit mili¬
täriſchen Traditionen, ſobald der Miniſterpräſident allein nach den
Abzeichen der Uniform claſſificirt wurde, die er im Felde trug,
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