Es fehlte uns aber, um den Angriff zu activiren, an dem Befehl und an schwerem Belagerungsgeschütz, wie im Juli 1866 vor den Floridsdorfer Linien. Die Beförderung desselben hatte mit den Fortschritten unsres Heeres nicht Schritt gehalten: um sie zu bewirken, versagten unsre Eisenbahnmittel an den Stellen, wo die Bahnen unterbrochen waren oder wie bei Lagny ganz auf¬ hörten.
Die schleunige Anfuhr von schwerem Geschütz und von der Masse schwerer Munition, ohne welche die Beschießung nicht begonnen werden durfte, hätte durch den vorhandenen Eisenbahnpark jedenfalls schneller, als der Fall war, bewirkt werden können. Es waren aber, wie Beamte mir meldeten, circa 1500 Axen mit Lebensmitteln für die Pariser beladen, um ihnen schnell zu helfen, wenn sie sich er¬ geben würden, und diese 1500 Axen waren deshalb für Munitions¬ transport nicht verfügbar. Der auf ihnen lagernde Speck wurde später von den Parisern abgelehnt und nach meinem Abgange aus Frankreich, infolge der durch General v. Stosch in Ferrieres bei Sr. Majestät veranlaßten Aenderung unsres Staatsvertrages über die Verpflegung deutscher Truppen, diesen überwiesen und mit Widerstreben verbraucht wegen zu langer Lagerung.
Da die Beschießung nicht begonnen werden konnte, bevor das für wirksame Durchführung ohne Unterbrechung erforderliche Quan¬ tum Munition zur Hand war, so wurde in Ermangelung von Bahn- Material nun eine erhebliche Anspannung von Pferden und für diese ein Aufwand von Millionen erforderlich. Mir sind die Zweifel nicht verständlich, die darüber obwalten konnten, ob diese Millionen verfügbar wären, sobald das Bedürfniß für kriegerische Zwecke vor¬ lag. Es erschien mir als ein erheblicher Fortschritt, als Roon, schon nervös aufgerieben und erschöpft, mir eines Tages mittheilte, daß man jetzt ihm persönlich die Verantwortlichkeit mit der Frage zu¬ geschoben habe, ob er bereit sei, die Geschütze in absehbarer Zeit heranzuschaffen; er sei in Zweifel in Betreff der Möglichkeit. Ich bat ihn, die ihm gestellte Aufgabe sofort zu übernehmen, und
Dreiundzwanzigſtes Kapitel: Verſailles.
Es fehlte uns aber, um den Angriff zu activiren, an dem Befehl und an ſchwerem Belagerungsgeſchütz, wie im Juli 1866 vor den Floridsdorfer Linien. Die Beförderung deſſelben hatte mit den Fortſchritten unſres Heeres nicht Schritt gehalten: um ſie zu bewirken, verſagten unſre Eiſenbahnmittel an den Stellen, wo die Bahnen unterbrochen waren oder wie bei Lagny ganz auf¬ hörten.
Die ſchleunige Anfuhr von ſchwerem Geſchütz und von der Maſſe ſchwerer Munition, ohne welche die Beſchießung nicht begonnen werden durfte, hätte durch den vorhandenen Eiſenbahnpark jedenfalls ſchneller, als der Fall war, bewirkt werden können. Es waren aber, wie Beamte mir meldeten, circa 1500 Axen mit Lebensmitteln für die Pariſer beladen, um ihnen ſchnell zu helfen, wenn ſie ſich er¬ geben würden, und dieſe 1500 Axen waren deshalb für Munitions¬ transport nicht verfügbar. Der auf ihnen lagernde Speck wurde ſpäter von den Pariſern abgelehnt und nach meinem Abgange aus Frankreich, infolge der durch General v. Stoſch in Ferrières bei Sr. Majeſtät veranlaßten Aenderung unſres Staatsvertrages über die Verpflegung deutſcher Truppen, dieſen überwieſen und mit Widerſtreben verbraucht wegen zu langer Lagerung.
Da die Beſchießung nicht begonnen werden konnte, bevor das für wirkſame Durchführung ohne Unterbrechung erforderliche Quan¬ tum Munition zur Hand war, ſo wurde in Ermangelung von Bahn- Material nun eine erhebliche Anſpannung von Pferden und für dieſe ein Aufwand von Millionen erforderlich. Mir ſind die Zweifel nicht verſtändlich, die darüber obwalten konnten, ob dieſe Millionen verfügbar wären, ſobald das Bedürfniß für kriegeriſche Zwecke vor¬ lag. Es erſchien mir als ein erheblicher Fortſchritt, als Roon, ſchon nervös aufgerieben und erſchöpft, mir eines Tages mittheilte, daß man jetzt ihm perſönlich die Verantwortlichkeit mit der Frage zu¬ geſchoben habe, ob er bereit ſei, die Geſchütze in abſehbarer Zeit heranzuſchaffen; er ſei in Zweifel in Betreff der Möglichkeit. Ich bat ihn, die ihm geſtellte Aufgabe ſofort zu übernehmen, und
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Dreiundzwanzigſtes Kapitel: Verſailles.
Es fehlte uns aber, um den Angriff zu activiren, an dem
Befehl und an ſchwerem Belagerungsgeſchütz, wie im Juli 1866
vor den Floridsdorfer Linien. Die Beförderung deſſelben hatte
mit den Fortſchritten unſres Heeres nicht Schritt gehalten: um
ſie zu bewirken, verſagten unſre Eiſenbahnmittel an den Stellen,
wo die Bahnen unterbrochen waren oder wie bei Lagny ganz auf¬
hörten.
Die ſchleunige Anfuhr von ſchwerem Geſchütz und von der
Maſſe ſchwerer Munition, ohne welche die Beſchießung nicht begonnen
werden durfte, hätte durch den vorhandenen Eiſenbahnpark jedenfalls
ſchneller, als der Fall war, bewirkt werden können. Es waren aber,
wie Beamte mir meldeten, circa 1500 Axen mit Lebensmitteln für
die Pariſer beladen, um ihnen ſchnell zu helfen, wenn ſie ſich er¬
geben würden, und dieſe 1500 Axen waren deshalb für Munitions¬
transport nicht verfügbar. Der auf ihnen lagernde Speck wurde
ſpäter von den Pariſern abgelehnt und nach meinem Abgange aus
Frankreich, infolge der durch General v. Stoſch in Ferrières bei
Sr. Majeſtät veranlaßten Aenderung unſres Staatsvertrages über
die Verpflegung deutſcher Truppen, dieſen überwieſen und mit
Widerſtreben verbraucht wegen zu langer Lagerung.
Da die Beſchießung nicht begonnen werden konnte, bevor das
für wirkſame Durchführung ohne Unterbrechung erforderliche Quan¬
tum Munition zur Hand war, ſo wurde in Ermangelung von Bahn-
Material nun eine erhebliche Anſpannung von Pferden und für dieſe
ein Aufwand von Millionen erforderlich. Mir ſind die Zweifel
nicht verſtändlich, die darüber obwalten konnten, ob dieſe Millionen
verfügbar wären, ſobald das Bedürfniß für kriegeriſche Zwecke vor¬
lag. Es erſchien mir als ein erheblicher Fortſchritt, als Roon, ſchon
nervös aufgerieben und erſchöpft, mir eines Tages mittheilte, daß
man jetzt ihm perſönlich die Verantwortlichkeit mit der Frage zu¬
geſchoben habe, ob er bereit ſei, die Geſchütze in abſehbarer Zeit
heranzuſchaffen; er ſei in Zweifel in Betreff der Möglichkeit. Ich
bat ihn, die ihm geſtellte Aufgabe ſofort zu übernehmen, und
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/136>, abgerufen am 16.07.2024.
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