Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Vierundzwanzigstes Kapitel: Culturkampf. in den Kauf zu nehmen, die das Ergebniß eines öffentlichen Ein¬tretens für die päpstlichen Interessen bezüglich Roms sein mußte. In den Wechselfällen des Krieges ist unter den streitenden Desgleichen lasse ich dahingestellt, ob die am 16. desselben Vierundzwanzigſtes Kapitel: Culturkampf. in den Kauf zu nehmen, die das Ergebniß eines öffentlichen Ein¬tretens für die päpſtlichen Intereſſen bezüglich Roms ſein mußte. In den Wechſelfällen des Krieges iſt unter den ſtreitenden Desgleichen laſſe ich dahingeſtellt, ob die am 16. deſſelben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0148" n="124"/><fw place="top" type="header">Vierundzwanzigſtes Kapitel: Culturkampf.<lb/></fw>in den Kauf zu nehmen, die das Ergebniß eines öffentlichen Ein¬<lb/> tretens für die päpſtlichen Intereſſen bezüglich Roms ſein mußte.</p><lb/> <p>In den Wechſelfällen des Krieges iſt unter den ſtreitenden<lb/> italieniſchen Elementen Anfangs der König als der für uns mög¬<lb/> licherweiſe gefährliche Gegner erſchienen. Später iſt uns die republi¬<lb/> kaniſche Partei unter Garibaldi, die uns bei Ausbruch des Krieges<lb/> ihre Unterſtützung gegen Napoleoniſche Velleitäten des Königs in<lb/> Ausſicht geſtellt hatte, auf dem Schlachtfelde in einer mehr thea¬<lb/> traliſchen als praktiſchen Erregtheit und in militäriſchen Leiſtungen<lb/> entgegengetreten, deren Formen unſre ſoldatiſchen Auffaſſungen<lb/> verletzten. Zwiſchen dieſen beiden Elementen lag die Sympathie,<lb/> welche die öffentliche Meinung der Gebildeten in Italien für das in<lb/> der Geſchichte und in der Gegenwart parallele Streben des deutſchen<lb/> Volkes hegen und dauernd bewahren konnte, lag der nationale<lb/> Inſtinct, der denn auch ſchließlich ſtark und praktiſch genug ge¬<lb/> weſen iſt, mit dem frühern Gegner Oeſtreich in den Dreibund<lb/> zu treten. Mit dieſer nationalen Richtung Italiens würden wir<lb/> durch oſtenſible Parteinahme für den Papſt und ſeine territorialen<lb/> Anſprüche gebrochen haben. Ob und in wie weit wir dafür den<lb/> Beiſtand des Papſtes in unſern innern Angelegenheiten gewonnen<lb/> haben würden, iſt zweifelhaft. Der Gallicanismus erſchien mir<lb/> ſtärker, als ich ihn 1870 der Infallibilität gegenüber einſchätzen<lb/> konnte, und der Papſt ſchwächer, als ich ihn wegen ſeiner über¬<lb/> raſchenden Erfolge über alle deutſchen, franzöſiſchen, ungariſchen<lb/> Biſchöfe gehalten hatte. Bei uns im Lande war das jeſuitiſche<lb/> Centrum demnächſt ſtärker als der Papſt, wenigſtens unabhängig<lb/> von ihm; der germaniſche Fractions- und Parteigeiſt unſrer katho¬<lb/> liſchen Landsleute iſt ein Element, dem gegenüber auch der päpſt¬<lb/> liche Wille nicht durchſchlägt.</p><lb/> <p>Desgleichen laſſe ich dahingeſtellt, ob die am 16. deſſelben<lb/> Monats vor ſich gegangenen Wahlen zum preußiſchen Landtage<lb/> durch das Fehlſchlagen der Ledochowſkiſchen Verhandlungen beein¬<lb/> flußt worden ſind. Die letztern wurden in etwas andrer Rich¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [124/0148]
Vierundzwanzigſtes Kapitel: Culturkampf.
in den Kauf zu nehmen, die das Ergebniß eines öffentlichen Ein¬
tretens für die päpſtlichen Intereſſen bezüglich Roms ſein mußte.
In den Wechſelfällen des Krieges iſt unter den ſtreitenden
italieniſchen Elementen Anfangs der König als der für uns mög¬
licherweiſe gefährliche Gegner erſchienen. Später iſt uns die republi¬
kaniſche Partei unter Garibaldi, die uns bei Ausbruch des Krieges
ihre Unterſtützung gegen Napoleoniſche Velleitäten des Königs in
Ausſicht geſtellt hatte, auf dem Schlachtfelde in einer mehr thea¬
traliſchen als praktiſchen Erregtheit und in militäriſchen Leiſtungen
entgegengetreten, deren Formen unſre ſoldatiſchen Auffaſſungen
verletzten. Zwiſchen dieſen beiden Elementen lag die Sympathie,
welche die öffentliche Meinung der Gebildeten in Italien für das in
der Geſchichte und in der Gegenwart parallele Streben des deutſchen
Volkes hegen und dauernd bewahren konnte, lag der nationale
Inſtinct, der denn auch ſchließlich ſtark und praktiſch genug ge¬
weſen iſt, mit dem frühern Gegner Oeſtreich in den Dreibund
zu treten. Mit dieſer nationalen Richtung Italiens würden wir
durch oſtenſible Parteinahme für den Papſt und ſeine territorialen
Anſprüche gebrochen haben. Ob und in wie weit wir dafür den
Beiſtand des Papſtes in unſern innern Angelegenheiten gewonnen
haben würden, iſt zweifelhaft. Der Gallicanismus erſchien mir
ſtärker, als ich ihn 1870 der Infallibilität gegenüber einſchätzen
konnte, und der Papſt ſchwächer, als ich ihn wegen ſeiner über¬
raſchenden Erfolge über alle deutſchen, franzöſiſchen, ungariſchen
Biſchöfe gehalten hatte. Bei uns im Lande war das jeſuitiſche
Centrum demnächſt ſtärker als der Papſt, wenigſtens unabhängig
von ihm; der germaniſche Fractions- und Parteigeiſt unſrer katho¬
liſchen Landsleute iſt ein Element, dem gegenüber auch der päpſt¬
liche Wille nicht durchſchlägt.
Desgleichen laſſe ich dahingeſtellt, ob die am 16. deſſelben
Monats vor ſich gegangenen Wahlen zum preußiſchen Landtage
durch das Fehlſchlagen der Ledochowſkiſchen Verhandlungen beein¬
flußt worden ſind. Die letztern wurden in etwas andrer Rich¬
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