Blanckenburg, veröffentlicht in der "Deutschen Revue", daß ich den Widerstand des Kaisers gegen die Civilehe gebrochen hätte.
Blanckenburg war ein Kampfgenosse, dessen Hauptwerth für mich in unsrer aus den Kinderjahren datirenden und bis zu seinem Tode fortdauernden Freundschaft bestand. Dieselbe war aber auf seiner Seite nicht identisch mit Vertrauen oder Hingebung auf dem politischen Gebiete; auf diesem hatte ich die Concurrenz seiner politischen und confessionellen Beichtväter zu bestehn, und bei diesen war nicht die Absicht, bei Blanckenburg nicht die Befähi¬ gung vorhanden, das historische Fortschreiten deutscher und euro¬ päischer Politik in breitem Ueberblick zu beurtheilen. Er selbst war ohne Ehrgeiz und frei von der Krankheit vieler altpreußischer Standesgenossen, dem Neide gegen mich; aber sein politisches Urtheil konnte sich schwer losreißen von dem preußisch-particularistischen, ja pommerisch-lutherischen Standpunkte. Sein hausbackner gesunder Menschenverstand und seine Ehrlichkeit machten ihn unabhängig von conservativen Partei-Strömungen, denen beides fehlte; von dieser Unabhängigkeit war jedoch die vorsichtige Bescheidenheit in Ab¬ rechnung zu bringen, mit der ihn die Fremdartigkeit erfüllte, die das politische Gebiet für ihn behielt. Er war weich und gegen Beredsamkeit nicht gepanzert, keine unerschütterliche Säule, auf die ich mich hätte stützen können. Der Kampf zwischen seinem Wohlwollen für mich und seinem Mangel an Energie andern Ein¬ flüssen gegenüber bewog ihn schließlich, sich von der Politik über¬ haupt zurückzuziehn. Als ich ihn das erste Mal zum landwirth¬ schaftlichen Minister vorgeschlagen hatte, scheiterte die Ausführung an dem Widerstande derselben Collegen, die vorher meine an Blanckenburg gerichtete Anfrage gebilligt hatten. Ich lasse dahin¬ gestellt sein, ob die Abneigung meines Freundes, unter übelwollen¬ der Aufsicht dauernd auf dem Präsentirteller der Oeffentlichkeit zu stehn, bei dem Mißlingen meiner Absicht, diese conservative Kraft in das Ministerium zu ziehn, mitgewirkt hat; bei seiner zweiten und definitiven Ablehnung unter dem 10. November 1873 war
Das Geſchenk Victor Emanuels. M. v. Blanckenburg.
Blanckenburg, veröffentlicht in der „Deutſchen Revue“, daß ich den Widerſtand des Kaiſers gegen die Civilehe gebrochen hätte.
Blanckenburg war ein Kampfgenoſſe, deſſen Hauptwerth für mich in unſrer aus den Kinderjahren datirenden und bis zu ſeinem Tode fortdauernden Freundſchaft beſtand. Dieſelbe war aber auf ſeiner Seite nicht identiſch mit Vertrauen oder Hingebung auf dem politiſchen Gebiete; auf dieſem hatte ich die Concurrenz ſeiner politiſchen und confeſſionellen Beichtväter zu beſtehn, und bei dieſen war nicht die Abſicht, bei Blanckenburg nicht die Befähi¬ gung vorhanden, das hiſtoriſche Fortſchreiten deutſcher und euro¬ päiſcher Politik in breitem Ueberblick zu beurtheilen. Er ſelbſt war ohne Ehrgeiz und frei von der Krankheit vieler altpreußiſcher Standesgenoſſen, dem Neide gegen mich; aber ſein politiſches Urtheil konnte ſich ſchwer losreißen von dem preußiſch-particulariſtiſchen, ja pommeriſch-lutheriſchen Standpunkte. Sein hausbackner geſunder Menſchenverſtand und ſeine Ehrlichkeit machten ihn unabhängig von conſervativen Partei-Strömungen, denen beides fehlte; von dieſer Unabhängigkeit war jedoch die vorſichtige Beſcheidenheit in Ab¬ rechnung zu bringen, mit der ihn die Fremdartigkeit erfüllte, die das politiſche Gebiet für ihn behielt. Er war weich und gegen Beredſamkeit nicht gepanzert, keine unerſchütterliche Säule, auf die ich mich hätte ſtützen können. Der Kampf zwiſchen ſeinem Wohlwollen für mich und ſeinem Mangel an Energie andern Ein¬ flüſſen gegenüber bewog ihn ſchließlich, ſich von der Politik über¬ haupt zurückzuziehn. Als ich ihn das erſte Mal zum landwirth¬ ſchaftlichen Miniſter vorgeſchlagen hatte, ſcheiterte die Ausführung an dem Widerſtande derſelben Collegen, die vorher meine an Blanckenburg gerichtete Anfrage gebilligt hatten. Ich laſſe dahin¬ geſtellt ſein, ob die Abneigung meines Freundes, unter übelwollen¬ der Aufſicht dauernd auf dem Präſentirteller der Oeffentlichkeit zu ſtehn, bei dem Mißlingen meiner Abſicht, dieſe conſervative Kraft in das Miniſterium zu ziehn, mitgewirkt hat; bei ſeiner zweiten und definitiven Ablehnung unter dem 10. November 1873 war
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Das Geſchenk Victor Emanuels. M. v. Blanckenburg.
Blanckenburg, veröffentlicht in der „Deutſchen Revue“, daß ich den
Widerſtand des Kaiſers gegen die Civilehe gebrochen hätte.
Blanckenburg war ein Kampfgenoſſe, deſſen Hauptwerth für
mich in unſrer aus den Kinderjahren datirenden und bis zu ſeinem
Tode fortdauernden Freundſchaft beſtand. Dieſelbe war aber auf
ſeiner Seite nicht identiſch mit Vertrauen oder Hingebung auf
dem politiſchen Gebiete; auf dieſem hatte ich die Concurrenz
ſeiner politiſchen und confeſſionellen Beichtväter zu beſtehn, und
bei dieſen war nicht die Abſicht, bei Blanckenburg nicht die Befähi¬
gung vorhanden, das hiſtoriſche Fortſchreiten deutſcher und euro¬
päiſcher Politik in breitem Ueberblick zu beurtheilen. Er ſelbſt war
ohne Ehrgeiz und frei von der Krankheit vieler altpreußiſcher
Standesgenoſſen, dem Neide gegen mich; aber ſein politiſches Urtheil
konnte ſich ſchwer losreißen von dem preußiſch-particulariſtiſchen, ja
pommeriſch-lutheriſchen Standpunkte. Sein hausbackner geſunder
Menſchenverſtand und ſeine Ehrlichkeit machten ihn unabhängig von
conſervativen Partei-Strömungen, denen beides fehlte; von dieſer
Unabhängigkeit war jedoch die vorſichtige Beſcheidenheit in Ab¬
rechnung zu bringen, mit der ihn die Fremdartigkeit erfüllte,
die das politiſche Gebiet für ihn behielt. Er war weich und gegen
Beredſamkeit nicht gepanzert, keine unerſchütterliche Säule, auf
die ich mich hätte ſtützen können. Der Kampf zwiſchen ſeinem
Wohlwollen für mich und ſeinem Mangel an Energie andern Ein¬
flüſſen gegenüber bewog ihn ſchließlich, ſich von der Politik über¬
haupt zurückzuziehn. Als ich ihn das erſte Mal zum landwirth¬
ſchaftlichen Miniſter vorgeſchlagen hatte, ſcheiterte die Ausführung
an dem Widerſtande derſelben Collegen, die vorher meine an
Blanckenburg gerichtete Anfrage gebilligt hatten. Ich laſſe dahin¬
geſtellt ſein, ob die Abneigung meines Freundes, unter übelwollen¬
der Aufſicht dauernd auf dem Präſentirteller der Oeffentlichkeit zu
ſtehn, bei dem Mißlingen meiner Abſicht, dieſe conſervative Kraft
in das Miniſterium zu ziehn, mitgewirkt hat; bei ſeiner zweiten
und definitiven Ablehnung unter dem 10. November 1873 war
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/163>, abgerufen am 17.07.2024.
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