Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Das Geschenk Victor Emanuels. M. v. Blanckenburg. Blanckenburg, veröffentlicht in der "Deutschen Revue", daß ich denWiderstand des Kaisers gegen die Civilehe gebrochen hätte. Blanckenburg war ein Kampfgenosse, dessen Hauptwerth für Das Geſchenk Victor Emanuels. M. v. Blanckenburg. Blanckenburg, veröffentlicht in der „Deutſchen Revue“, daß ich denWiderſtand des Kaiſers gegen die Civilehe gebrochen hätte. Blanckenburg war ein Kampfgenoſſe, deſſen Hauptwerth für <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0163" n="139"/><fw place="top" type="header">Das Geſchenk Victor Emanuels. M. v. Blanckenburg.<lb/></fw> Blanckenburg, veröffentlicht in der „Deutſchen Revue“, daß ich den<lb/> Widerſtand des Kaiſers gegen die Civilehe gebrochen hätte.</p><lb/> <p>Blanckenburg war ein Kampfgenoſſe, deſſen Hauptwerth für<lb/> mich in unſrer aus den Kinderjahren datirenden und bis zu ſeinem<lb/> Tode fortdauernden Freundſchaft beſtand. Dieſelbe war aber auf<lb/> ſeiner Seite nicht identiſch mit Vertrauen oder Hingebung auf<lb/> dem politiſchen Gebiete; auf dieſem hatte ich die Concurrenz<lb/> ſeiner politiſchen und confeſſionellen Beichtväter zu beſtehn, und<lb/> bei dieſen war nicht die Abſicht, bei Blanckenburg nicht die Befähi¬<lb/> gung vorhanden, das hiſtoriſche Fortſchreiten deutſcher und euro¬<lb/> päiſcher Politik in breitem Ueberblick zu beurtheilen. Er ſelbſt war<lb/> ohne Ehrgeiz und frei von der Krankheit vieler altpreußiſcher<lb/> Standesgenoſſen, dem Neide gegen mich; aber ſein politiſches Urtheil<lb/> konnte ſich ſchwer losreißen von dem preußiſch-particulariſtiſchen, ja<lb/> pommeriſch-lutheriſchen Standpunkte. Sein hausbackner geſunder<lb/> Menſchenverſtand und ſeine Ehrlichkeit machten ihn unabhängig von<lb/> conſervativen Partei-Strömungen, denen beides fehlte; von dieſer<lb/> Unabhängigkeit war jedoch die vorſichtige Beſcheidenheit in Ab¬<lb/> rechnung zu bringen, mit der ihn die Fremdartigkeit erfüllte,<lb/> die das politiſche Gebiet für ihn behielt. Er war weich und gegen<lb/> Beredſamkeit nicht gepanzert, keine unerſchütterliche Säule, auf<lb/> die ich mich hätte ſtützen können. Der Kampf zwiſchen ſeinem<lb/> Wohlwollen für mich und ſeinem Mangel an Energie andern Ein¬<lb/> flüſſen gegenüber bewog ihn ſchließlich, ſich von der Politik über¬<lb/> haupt zurückzuziehn. Als ich ihn das erſte Mal zum landwirth¬<lb/> ſchaftlichen Miniſter vorgeſchlagen hatte, ſcheiterte die Ausführung<lb/> an dem Widerſtande derſelben Collegen, die vorher meine an<lb/> Blanckenburg gerichtete Anfrage gebilligt hatten. Ich laſſe dahin¬<lb/> geſtellt ſein, ob die Abneigung meines Freundes, unter übelwollen¬<lb/> der Aufſicht dauernd auf dem Präſentirteller der Oeffentlichkeit zu<lb/> ſtehn, bei dem Mißlingen meiner Abſicht, dieſe conſervative Kraft<lb/> in das Miniſterium zu ziehn, mitgewirkt hat; bei ſeiner zweiten<lb/> und definitiven Ablehnung unter dem 10. November 1873 war<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [139/0163]
Das Geſchenk Victor Emanuels. M. v. Blanckenburg.
Blanckenburg, veröffentlicht in der „Deutſchen Revue“, daß ich den
Widerſtand des Kaiſers gegen die Civilehe gebrochen hätte.
Blanckenburg war ein Kampfgenoſſe, deſſen Hauptwerth für
mich in unſrer aus den Kinderjahren datirenden und bis zu ſeinem
Tode fortdauernden Freundſchaft beſtand. Dieſelbe war aber auf
ſeiner Seite nicht identiſch mit Vertrauen oder Hingebung auf
dem politiſchen Gebiete; auf dieſem hatte ich die Concurrenz
ſeiner politiſchen und confeſſionellen Beichtväter zu beſtehn, und
bei dieſen war nicht die Abſicht, bei Blanckenburg nicht die Befähi¬
gung vorhanden, das hiſtoriſche Fortſchreiten deutſcher und euro¬
päiſcher Politik in breitem Ueberblick zu beurtheilen. Er ſelbſt war
ohne Ehrgeiz und frei von der Krankheit vieler altpreußiſcher
Standesgenoſſen, dem Neide gegen mich; aber ſein politiſches Urtheil
konnte ſich ſchwer losreißen von dem preußiſch-particulariſtiſchen, ja
pommeriſch-lutheriſchen Standpunkte. Sein hausbackner geſunder
Menſchenverſtand und ſeine Ehrlichkeit machten ihn unabhängig von
conſervativen Partei-Strömungen, denen beides fehlte; von dieſer
Unabhängigkeit war jedoch die vorſichtige Beſcheidenheit in Ab¬
rechnung zu bringen, mit der ihn die Fremdartigkeit erfüllte,
die das politiſche Gebiet für ihn behielt. Er war weich und gegen
Beredſamkeit nicht gepanzert, keine unerſchütterliche Säule, auf
die ich mich hätte ſtützen können. Der Kampf zwiſchen ſeinem
Wohlwollen für mich und ſeinem Mangel an Energie andern Ein¬
flüſſen gegenüber bewog ihn ſchließlich, ſich von der Politik über¬
haupt zurückzuziehn. Als ich ihn das erſte Mal zum landwirth¬
ſchaftlichen Miniſter vorgeſchlagen hatte, ſcheiterte die Ausführung
an dem Widerſtande derſelben Collegen, die vorher meine an
Blanckenburg gerichtete Anfrage gebilligt hatten. Ich laſſe dahin¬
geſtellt ſein, ob die Abneigung meines Freundes, unter übelwollen¬
der Aufſicht dauernd auf dem Präſentirteller der Oeffentlichkeit zu
ſtehn, bei dem Mißlingen meiner Abſicht, dieſe conſervative Kraft
in das Miniſterium zu ziehn, mitgewirkt hat; bei ſeiner zweiten
und definitiven Ablehnung unter dem 10. November 1873 war
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