Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Fünfundzwanzigstes Kapitel: Bruch mit den Conservativen. ärgerten, weil ich in meinem exceptionellen Lebenslauf aus demmehr polnischen als deutschen Begriff der traditionellen Landadels¬ gleichheit herausgewachsen war. Daß ich vom Landjunker zum Minister wurde, hätte man mir verziehn, aber die Dotationen und vielleicht auch den mir sehr gegen meinen Willen verliehenen Fürstentitel verzieh man mir nicht. Die "Excellenz" lag innerhalb des gewohnheitsmäßig Erreichbaren und Geschätzten; die "Durch¬ laucht" reizte die Kritik. Ich kann das nachempfinden, denn dieser Kritik entsprach meine eigne. Als mir am Morgen des 21. März 1871 ein eigenhändiges Handschreiben des Kaisers die Erhebung in den Fürstenstand anzeigte, war ich entschlossen, Se. Majestät um Verzicht auf seine Absicht zu bitten, weil diese Standeserhöhung in die Basis meines Vermögens und in meine ganzen Lebensverhält¬ nisse eine mir unsympathische Aenderung bringe. So gern ich mir meine Söhne als bequem situirte Landedelleute dachte, so unwill¬ kommen war mir der Gedanke an Fürsten mit unzulänglichem Ein¬ kommen nach dem Beispiel von Hardenberg und Blücher, deren Söhne die Erbschaft des Titels nicht antraten -- der Blüchersche wurde Jahrzehnte später (1861) erst infolge einer reichen und katholischen Heirath erneuert. In Erwägung aller Gründe gegen eine Standes¬ erhöhung, die ganz außerhalb des Bereichs meines Ehrgeizes lag, langte ich auf den obern Stufen der Schloßtreppe an und fand dort zu meiner Ueberraschung den Kaiser an der Spitze der könig¬ lichen Familie, der mich herzlich und mit Thränen in seine Arme schloß, indem er mich als Fürsten begrüßte, und seine Freude, mir diese Auszeichnung gewähren zu können, laut äußerte. Dem gegen¬ über und unter den lebhaften Glückwünschen der königlichen Familie blieb mir keine Möglichkeit, meine Bedenken anzubringen. Das Gefühl, daß man als Graf wohlhabend sein kann, ohne unan¬ genehm aufzufallen, als Fürst aber, wenn man letztres vermeiden will, reich sein muß, hat mich seitdem nie wieder verlassen. Ich würde die Mißgunst meiner frühern Freunde und Standesgenossen noch bequemer ertragen haben, wenn sie in meiner Gesinnung Fünfundzwanzigſtes Kapitel: Bruch mit den Conſervativen. ärgerten, weil ich in meinem exceptionellen Lebenslauf aus demmehr polniſchen als deutſchen Begriff der traditionellen Landadels¬ gleichheit herausgewachſen war. Daß ich vom Landjunker zum Miniſter wurde, hätte man mir verziehn, aber die Dotationen und vielleicht auch den mir ſehr gegen meinen Willen verliehenen Fürſtentitel verzieh man mir nicht. Die „Excellenz“ lag innerhalb des gewohnheitsmäßig Erreichbaren und Geſchätzten; die „Durch¬ laucht“ reizte die Kritik. Ich kann das nachempfinden, denn dieſer Kritik entſprach meine eigne. Als mir am Morgen des 21. März 1871 ein eigenhändiges Handſchreiben des Kaiſers die Erhebung in den Fürſtenſtand anzeigte, war ich entſchloſſen, Se. Majeſtät um Verzicht auf ſeine Abſicht zu bitten, weil dieſe Standeserhöhung in die Baſis meines Vermögens und in meine ganzen Lebensverhält¬ niſſe eine mir unſympathiſche Aenderung bringe. So gern ich mir meine Söhne als bequem ſituirte Landedelleute dachte, ſo unwill¬ kommen war mir der Gedanke an Fürſten mit unzulänglichem Ein¬ kommen nach dem Beiſpiel von Hardenberg und Blücher, deren Söhne die Erbſchaft des Titels nicht antraten — der Blücherſche wurde Jahrzehnte ſpäter (1861) erſt infolge einer reichen und katholiſchen Heirath erneuert. In Erwägung aller Gründe gegen eine Standes¬ erhöhung, die ganz außerhalb des Bereichs meines Ehrgeizes lag, langte ich auf den obern Stufen der Schloßtreppe an und fand dort zu meiner Ueberraſchung den Kaiſer an der Spitze der könig¬ lichen Familie, der mich herzlich und mit Thränen in ſeine Arme ſchloß, indem er mich als Fürſten begrüßte, und ſeine Freude, mir dieſe Auszeichnung gewähren zu können, laut äußerte. Dem gegen¬ über und unter den lebhaften Glückwünſchen der königlichen Familie blieb mir keine Möglichkeit, meine Bedenken anzubringen. Das Gefühl, daß man als Graf wohlhabend ſein kann, ohne unan¬ genehm aufzufallen, als Fürſt aber, wenn man letztres vermeiden will, reich ſein muß, hat mich ſeitdem nie wieder verlaſſen. Ich würde die Mißgunſt meiner frühern Freunde und Standesgenoſſen noch bequemer ertragen haben, wenn ſie in meiner Geſinnung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0172" n="148"/><fw place="top" type="header">Fünfundzwanzigſtes Kapitel: Bruch mit den Conſervativen.<lb/></fw>ärgerten, weil ich in meinem exceptionellen Lebenslauf aus dem<lb/> mehr polniſchen als deutſchen Begriff der traditionellen Landadels¬<lb/> gleichheit herausgewachſen war. Daß ich vom Landjunker zum<lb/> Miniſter wurde, hätte man mir verziehn, aber die Dotationen<lb/> und vielleicht auch den mir ſehr gegen meinen Willen verliehenen<lb/> Fürſtentitel verzieh man mir nicht. Die „Excellenz“ lag innerhalb<lb/> des gewohnheitsmäßig Erreichbaren und Geſchätzten; die „Durch¬<lb/> laucht“ reizte die Kritik. Ich kann das nachempfinden, denn dieſer<lb/> Kritik entſprach meine eigne. Als mir am Morgen des 21. März<lb/> 1871 ein eigenhändiges Handſchreiben des Kaiſers die Erhebung in<lb/> den Fürſtenſtand anzeigte, war ich entſchloſſen, Se. Majeſtät um<lb/> Verzicht auf ſeine Abſicht zu bitten, weil dieſe Standeserhöhung in<lb/> die Baſis meines Vermögens und in meine ganzen Lebensverhält¬<lb/> niſſe eine mir unſympathiſche Aenderung bringe. So gern ich mir<lb/> meine Söhne als bequem ſituirte Landedelleute dachte, ſo unwill¬<lb/> kommen war mir der Gedanke an Fürſten mit unzulänglichem Ein¬<lb/> kommen nach dem Beiſpiel von Hardenberg und Blücher, deren Söhne<lb/> die Erbſchaft des Titels nicht antraten — der Blücherſche wurde<lb/> Jahrzehnte ſpäter (1861) erſt infolge einer reichen und katholiſchen<lb/> Heirath erneuert. In Erwägung aller Gründe gegen eine Standes¬<lb/> erhöhung, die ganz außerhalb des Bereichs meines Ehrgeizes lag,<lb/> langte ich auf den obern Stufen der Schloßtreppe an und fand<lb/> dort zu meiner Ueberraſchung den Kaiſer an der Spitze der könig¬<lb/> lichen Familie, der mich herzlich und mit Thränen in ſeine Arme<lb/> ſchloß, indem er mich als Fürſten begrüßte, und ſeine Freude, mir<lb/> dieſe Auszeichnung gewähren zu können, laut äußerte. Dem gegen¬<lb/> über und unter den lebhaften Glückwünſchen der königlichen Familie<lb/> blieb mir keine Möglichkeit, meine Bedenken anzubringen. Das<lb/> Gefühl, daß man als Graf wohlhabend ſein kann, ohne unan¬<lb/> genehm aufzufallen, als Fürſt aber, wenn man letztres vermeiden<lb/> will, reich ſein <hi rendition="#g">muß</hi>, hat mich ſeitdem nie wieder verlaſſen. Ich<lb/> würde die Mißgunſt meiner frühern Freunde und Standesgenoſſen<lb/> noch bequemer ertragen haben, wenn ſie in meiner <hi rendition="#g">Geſinnung</hi><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [148/0172]
Fünfundzwanzigſtes Kapitel: Bruch mit den Conſervativen.
ärgerten, weil ich in meinem exceptionellen Lebenslauf aus dem
mehr polniſchen als deutſchen Begriff der traditionellen Landadels¬
gleichheit herausgewachſen war. Daß ich vom Landjunker zum
Miniſter wurde, hätte man mir verziehn, aber die Dotationen
und vielleicht auch den mir ſehr gegen meinen Willen verliehenen
Fürſtentitel verzieh man mir nicht. Die „Excellenz“ lag innerhalb
des gewohnheitsmäßig Erreichbaren und Geſchätzten; die „Durch¬
laucht“ reizte die Kritik. Ich kann das nachempfinden, denn dieſer
Kritik entſprach meine eigne. Als mir am Morgen des 21. März
1871 ein eigenhändiges Handſchreiben des Kaiſers die Erhebung in
den Fürſtenſtand anzeigte, war ich entſchloſſen, Se. Majeſtät um
Verzicht auf ſeine Abſicht zu bitten, weil dieſe Standeserhöhung in
die Baſis meines Vermögens und in meine ganzen Lebensverhält¬
niſſe eine mir unſympathiſche Aenderung bringe. So gern ich mir
meine Söhne als bequem ſituirte Landedelleute dachte, ſo unwill¬
kommen war mir der Gedanke an Fürſten mit unzulänglichem Ein¬
kommen nach dem Beiſpiel von Hardenberg und Blücher, deren Söhne
die Erbſchaft des Titels nicht antraten — der Blücherſche wurde
Jahrzehnte ſpäter (1861) erſt infolge einer reichen und katholiſchen
Heirath erneuert. In Erwägung aller Gründe gegen eine Standes¬
erhöhung, die ganz außerhalb des Bereichs meines Ehrgeizes lag,
langte ich auf den obern Stufen der Schloßtreppe an und fand
dort zu meiner Ueberraſchung den Kaiſer an der Spitze der könig¬
lichen Familie, der mich herzlich und mit Thränen in ſeine Arme
ſchloß, indem er mich als Fürſten begrüßte, und ſeine Freude, mir
dieſe Auszeichnung gewähren zu können, laut äußerte. Dem gegen¬
über und unter den lebhaften Glückwünſchen der königlichen Familie
blieb mir keine Möglichkeit, meine Bedenken anzubringen. Das
Gefühl, daß man als Graf wohlhabend ſein kann, ohne unan¬
genehm aufzufallen, als Fürſt aber, wenn man letztres vermeiden
will, reich ſein muß, hat mich ſeitdem nie wieder verlaſſen. Ich
würde die Mißgunſt meiner frühern Freunde und Standesgenoſſen
noch bequemer ertragen haben, wenn ſie in meiner Geſinnung
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |