Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Graf Harry Arnim. Römische Hoffnungen. bei dem Friedensschlusse die Interessen der katholischen Kirche inPreußen nicht unberücksichtigt lassen würde, wie der Kaiser von Rußland Friedensschlüsse zu benutzen pflegte, um sich seiner Glaubens¬ genossen im Oriente anzunehmen. Es würden sich die gesta Dei per Francos vielleicht um einige neue Fortschritte der päpstlichen Macht bereichert haben, und die Entscheidung der confessionellen Kämpfe, die nach der Meinung katholischer Schriftsteller (Donoso Cortes de Valdegamas) schließlich "auf dem Sande der Mark Brandenburg" auszufechten sind, würde durch eine übermächtige Stellung Frankreichs in Deutschland nach verschiedenen Richtungen hin gefördert worden sein. Die Parteinahme der Kaiserin Eugenie für die kriegerische Richtung der französischen Politik wird schwer¬ lich ohne Zusammenhang mit ihrer Hingebung für die katholische Kirche und den Papst gewesen sein; und wenn die französische Politik und die persönlichen Beziehungen Louis Napoleons zur italienischen Bewegung es unmöglich machten, daß Kaiser und Kaiserin dem Papste in Italien in befriedigender Weise gefällig waren, so würde die Kaiserin ihre Ergebenheit für den Papst im Falle des Sieges in Deutschland bethätigt und auf diesem Gebiete eine allerdings unzulängliche fiche de consolation für die Schäden gewährt haben, die der päpstliche Stuhl in Italien unter und durch Napoleons Mitwirkung erlitten hatte. Wenn nach dem Frankfurter Frieden eine katholisirende Partei, Graf Harry Arnim. Römiſche Hoffnungen. bei dem Friedensſchluſſe die Intereſſen der katholiſchen Kirche inPreußen nicht unberückſichtigt laſſen würde, wie der Kaiſer von Rußland Friedensſchlüſſe zu benutzen pflegte, um ſich ſeiner Glaubens¬ genoſſen im Oriente anzunehmen. Es würden ſich die gesta Dei per Francos vielleicht um einige neue Fortſchritte der päpſtlichen Macht bereichert haben, und die Entſcheidung der confeſſionellen Kämpfe, die nach der Meinung katholiſcher Schriftſteller (Donoſo Cortes de Valdegamas) ſchließlich „auf dem Sande der Mark Brandenburg“ auszufechten ſind, würde durch eine übermächtige Stellung Frankreichs in Deutſchland nach verſchiedenen Richtungen hin gefördert worden ſein. Die Parteinahme der Kaiſerin Eugenie für die kriegeriſche Richtung der franzöſiſchen Politik wird ſchwer¬ lich ohne Zuſammenhang mit ihrer Hingebung für die katholiſche Kirche und den Papſt geweſen ſein; und wenn die franzöſiſche Politik und die perſönlichen Beziehungen Louis Napoleons zur italieniſchen Bewegung es unmöglich machten, daß Kaiſer und Kaiſerin dem Papſte in Italien in befriedigender Weiſe gefällig waren, ſo würde die Kaiſerin ihre Ergebenheit für den Papſt im Falle des Sieges in Deutſchland bethätigt und auf dieſem Gebiete eine allerdings unzulängliche fiche de consolation für die Schäden gewährt haben, die der päpſtliche Stuhl in Italien unter und durch Napoleons Mitwirkung erlitten hatte. Wenn nach dem Frankfurter Frieden eine katholiſirende Partei, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0193" n="169"/><fw place="top" type="header">Graf Harry Arnim. 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Ob wir ihr<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [169/0193]
Graf Harry Arnim. Römiſche Hoffnungen.
bei dem Friedensſchluſſe die Intereſſen der katholiſchen Kirche in
Preußen nicht unberückſichtigt laſſen würde, wie der Kaiſer von
Rußland Friedensſchlüſſe zu benutzen pflegte, um ſich ſeiner Glaubens¬
genoſſen im Oriente anzunehmen. Es würden ſich die gesta Dei
per Francos vielleicht um einige neue Fortſchritte der päpſtlichen
Macht bereichert haben, und die Entſcheidung der confeſſionellen
Kämpfe, die nach der Meinung katholiſcher Schriftſteller (Donoſo
Cortes de Valdegamas) ſchließlich „auf dem Sande der Mark
Brandenburg“ auszufechten ſind, würde durch eine übermächtige
Stellung Frankreichs in Deutſchland nach verſchiedenen Richtungen
hin gefördert worden ſein. Die Parteinahme der Kaiſerin Eugenie
für die kriegeriſche Richtung der franzöſiſchen Politik wird ſchwer¬
lich ohne Zuſammenhang mit ihrer Hingebung für die katholiſche
Kirche und den Papſt geweſen ſein; und wenn die franzöſiſche
Politik und die perſönlichen Beziehungen Louis Napoleons zur
italieniſchen Bewegung es unmöglich machten, daß Kaiſer und
Kaiſerin dem Papſte in Italien in befriedigender Weiſe gefällig
waren, ſo würde die Kaiſerin ihre Ergebenheit für den Papſt im
Falle des Sieges in Deutſchland bethätigt und auf dieſem Gebiete
eine allerdings unzulängliche fiche de consolation für die Schäden
gewährt haben, die der päpſtliche Stuhl in Italien unter und
durch Napoleons Mitwirkung erlitten hatte.
Wenn nach dem Frankfurter Frieden eine katholiſirende Partei,
ſei es royaliſtiſcher, ſei es republikaniſcher Form, in Frankreich am
Ruder geblieben wäre, ſo würde es ſchwerlich gelungen ſein, die
Erneuerung des Krieges ſo lange, wie geſchehn, hinauszuſchieben.
Es war alsdann zu befürchten, daß die beiden von uns bekämpften
Nachbarmächte, Oeſtreich und Frankreich, auf dem Boden der
gemeinſamen Katholicität ſich einander nähern und uns entgegen¬
treten würden, und die Thatſache, daß es in Deutſchland ſo wenig
wie in Italien an Elementen fehlte, deren confeſſionelles Gefühl
ſtärker war als das nationale, hätte zur Verſtärkung und Er¬
muthigung einer ſolchen katholiſchen Allianz gedient. Ob wir ihr
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