Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Sechsundzwanzigstes Kapitel: Intrigen. nicht durch sachliche Schwierigkeiten entmuthigt. Um letztres her¬beizuführen, mußte die feindliche Intrige der Kreise hinzutreten, auf deren Unterstützung ich vorzugsweise glaubte rechnen zu können, und die sich zur Zeit der "Reichsglocke" in den Beziehungen der durch dieses Blatt vertretenen Elemente in erster Linie zum Hofe und den Conservativen und zu vielen meiner amtlichen Mitarbeiter kennzeichnete. Die Thatsache, daß ich bei dem mir sonst so gnä¬ digen Monarchen keinen genügenden Beistand gegen die Hof- und Hauseinflüsse des Reichsglockenringes fand, hatte mich am meisten entmuthigt und das Gewicht der Erwägungen vervollständigt, die mich zu meinem Abschiedsgesuche vom 27. März 1877 bewogen hatten. Die Gürtelrose, an welcher ich krank war, als Graf Schuwalow 1878 von mir die Berufung des Congresses verlangte, kennzeichnete den Fehlbetrag in dem damaligen Zustande meiner Gesundheit, war eine Quittung über Erschöpfung der Nerven. Mehr als die "Reichsglocke" und deren Zubehör am Hofe hatte daran der Mangel an Aufrichtigkeit in der Mitwirkung einiger meiner amtlichen Mitarbeiter Antheil. Meine Vertretung durch das Vicepräsidium des Grafen Stolberg nahm durch den Einfluß, den die Minister Friedenthal und dann Graf Botho Eulenburg auf meinen Vertreter ausübten, eine Gestalt an, die mir schlie߬ lich den Eindruck machte, daß ich mich einem Systeme allmäligen Abdrängens von den Geschäften der politischen Leitung gegenüber befand. Das Symbol dieses Systems machte sich in der That¬ sache kenntlich, daß die amtlichen Kundgebungen des Staatsmini¬ steriums aus der damaligen Zeit meiner Mitunterschrift entbehrten. Es geschah das nicht auf meinen Wunsch oder mit meiner Zu¬ stimmung, sondern unter Benutzung meiner Gleichgültigkeit gegen Aeußerlichkeiten, und ich habe diese Vorgänge ungerügt gelassen, bis ich über die systematische Absichtlichkeit derselben keinen Zweifel mehr haben konnte. Die auf spätere Ereignisse Licht werfenden Einzelnheiten ge¬ Sechsundzwanzigſtes Kapitel: Intrigen. nicht durch ſachliche Schwierigkeiten entmuthigt. Um letztres her¬beizuführen, mußte die feindliche Intrige der Kreiſe hinzutreten, auf deren Unterſtützung ich vorzugsweiſe glaubte rechnen zu können, und die ſich zur Zeit der „Reichsglocke“ in den Beziehungen der durch dieſes Blatt vertretenen Elemente in erſter Linie zum Hofe und den Conſervativen und zu vielen meiner amtlichen Mitarbeiter kennzeichnete. Die Thatſache, daß ich bei dem mir ſonſt ſo gnä¬ digen Monarchen keinen genügenden Beiſtand gegen die Hof- und Hauseinflüſſe des Reichsglockenringes fand, hatte mich am meiſten entmuthigt und das Gewicht der Erwägungen vervollſtändigt, die mich zu meinem Abſchiedsgeſuche vom 27. März 1877 bewogen hatten. Die Gürtelroſe, an welcher ich krank war, als Graf Schuwalow 1878 von mir die Berufung des Congreſſes verlangte, kennzeichnete den Fehlbetrag in dem damaligen Zuſtande meiner Geſundheit, war eine Quittung über Erſchöpfung der Nerven. Mehr als die „Reichsglocke“ und deren Zubehör am Hofe hatte daran der Mangel an Aufrichtigkeit in der Mitwirkung einiger meiner amtlichen Mitarbeiter Antheil. Meine Vertretung durch das Vicepräſidium des Grafen Stolberg nahm durch den Einfluß, den die Miniſter Friedenthal und dann Graf Botho Eulenburg auf meinen Vertreter ausübten, eine Geſtalt an, die mir ſchlie߬ lich den Eindruck machte, daß ich mich einem Syſteme allmäligen Abdrängens von den Geſchäften der politiſchen Leitung gegenüber befand. Das Symbol dieſes Syſtems machte ſich in der That¬ ſache kenntlich, daß die amtlichen Kundgebungen des Staatsmini¬ ſteriums aus der damaligen Zeit meiner Mitunterſchrift entbehrten. Es geſchah das nicht auf meinen Wunſch oder mit meiner Zu¬ ſtimmung, ſondern unter Benutzung meiner Gleichgültigkeit gegen Aeußerlichkeiten, und ich habe dieſe Vorgänge ungerügt gelaſſen, bis ich über die ſyſtematiſche Abſichtlichkeit derſelben keinen Zweifel mehr haben konnte. Die auf ſpätere Ereigniſſe Licht werfenden Einzelnheiten ge¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0220" n="196"/><fw place="top" type="header">Sechsundzwanzigſtes Kapitel: Intrigen.<lb/></fw> nicht durch ſachliche Schwierigkeiten entmuthigt. Um letztres her¬<lb/> beizuführen, mußte die feindliche Intrige der Kreiſe hinzutreten,<lb/> auf deren Unterſtützung ich vorzugsweiſe glaubte rechnen zu können,<lb/> und die ſich zur Zeit der „Reichsglocke“ in den Beziehungen der<lb/> durch dieſes Blatt vertretenen Elemente in erſter Linie zum Hofe<lb/> und den Conſervativen und zu vielen meiner amtlichen Mitarbeiter<lb/> kennzeichnete. Die Thatſache, daß ich bei dem mir ſonſt ſo gnä¬<lb/> digen Monarchen keinen genügenden Beiſtand gegen die Hof- und<lb/> Hauseinflüſſe des Reichsglockenringes fand, hatte mich am meiſten<lb/> entmuthigt und das Gewicht der Erwägungen vervollſtändigt, die<lb/> mich zu meinem Abſchiedsgeſuche vom 27. März 1877 bewogen<lb/> hatten. 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Sechsundzwanzigſtes Kapitel: Intrigen.
nicht durch ſachliche Schwierigkeiten entmuthigt. Um letztres her¬
beizuführen, mußte die feindliche Intrige der Kreiſe hinzutreten,
auf deren Unterſtützung ich vorzugsweiſe glaubte rechnen zu können,
und die ſich zur Zeit der „Reichsglocke“ in den Beziehungen der
durch dieſes Blatt vertretenen Elemente in erſter Linie zum Hofe
und den Conſervativen und zu vielen meiner amtlichen Mitarbeiter
kennzeichnete. Die Thatſache, daß ich bei dem mir ſonſt ſo gnä¬
digen Monarchen keinen genügenden Beiſtand gegen die Hof- und
Hauseinflüſſe des Reichsglockenringes fand, hatte mich am meiſten
entmuthigt und das Gewicht der Erwägungen vervollſtändigt, die
mich zu meinem Abſchiedsgeſuche vom 27. März 1877 bewogen
hatten. Die Gürtelroſe, an welcher ich krank war, als Graf
Schuwalow 1878 von mir die Berufung des Congreſſes verlangte,
kennzeichnete den Fehlbetrag in dem damaligen Zuſtande meiner
Geſundheit, war eine Quittung über Erſchöpfung der Nerven.
Mehr als die „Reichsglocke“ und deren Zubehör am Hofe hatte
daran der Mangel an Aufrichtigkeit in der Mitwirkung einiger
meiner amtlichen Mitarbeiter Antheil. Meine Vertretung durch
das Vicepräſidium des Grafen Stolberg nahm durch den Einfluß,
den die Miniſter Friedenthal und dann Graf Botho Eulenburg
auf meinen Vertreter ausübten, eine Geſtalt an, die mir ſchlie߬
lich den Eindruck machte, daß ich mich einem Syſteme allmäligen
Abdrängens von den Geſchäften der politiſchen Leitung gegenüber
befand. Das Symbol dieſes Syſtems machte ſich in der That¬
ſache kenntlich, daß die amtlichen Kundgebungen des Staatsmini¬
ſteriums aus der damaligen Zeit meiner Mitunterſchrift entbehrten.
Es geſchah das nicht auf meinen Wunſch oder mit meiner Zu¬
ſtimmung, ſondern unter Benutzung meiner Gleichgültigkeit gegen
Aeußerlichkeiten, und ich habe dieſe Vorgänge ungerügt gelaſſen,
bis ich über die ſyſtematiſche Abſichtlichkeit derſelben keinen Zweifel
mehr haben konnte.
Die auf ſpätere Ereigniſſe Licht werfenden Einzelnheiten ge¬
hören nicht alle in die Situation zur Zeit der Conſeilſitzung im
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