Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Achtundzwanzigstes Kapitel: Berliner Congreß. tschakow, die mich mitunter an asiatische Auffassungen erinnerte.Er habe oft jeden politischen Einwand einfach mit dem Argumente niedergeschlagen: "l' empereur est fort irrite", worauf ich ironisch zu antworten pflegte: "Eh, le mien donc!" Schuwalow bemerkte dazu: "Gortschakoff est un animal", was in dem Petersburger Jargon nicht so grob gemeint ist, wie es klingt, "il n'a aucune influence"; er verdanke es überhaupt nur der Achtung des Kaisers vor dem Alter und dem frühern Verdienste, daß er formell noch die Geschäfte führe. Worüber könnten Rußland und Preußen ernst¬ haft jemals in Streit gerathen? Es gebe gar keine Frage zwischen ihnen, die wichtig genug dazu wäre. Das letztre gab ich zu, er¬ innerte aber an Olmütz und den siebenjährigen Krieg, man gerathe auch aus unwichtigen Ursachen in Händel, sogar aus Formfragen; es würde manchen Russen auch ohne Gortschakow schwer, einen Freund als gleichberechtigt zu betrachten und zu behandeln, ich wäre in dem Punkte der Form persönlich nicht empfindlich -- aber das jetzige Rußland habe bis auf Weitres nicht blos die Formen, sondern auch die Ansprüche Gortschakows. Ich lehnte die "Option" zwischen Oestreich und Rußland auch Achtundzwanzigſtes Kapitel: Berliner Congreß. tſchakow, die mich mitunter an aſiatiſche Auffaſſungen erinnerte.Er habe oft jeden politiſchen Einwand einfach mit dem Argumente niedergeſchlagen: „l' empereur est fort irrité“, worauf ich ironiſch zu antworten pflegte: „Eh, le mien donc!“ Schuwalow bemerkte dazu: „Gortschakoff est un animal“, was in dem Petersburger Jargon nicht ſo grob gemeint iſt, wie es klingt, „il n'a aucune influence“; er verdanke es überhaupt nur der Achtung des Kaiſers vor dem Alter und dem frühern Verdienſte, daß er formell noch die Geſchäfte führe. Worüber könnten Rußland und Preußen ernſt¬ haft jemals in Streit gerathen? Es gebe gar keine Frage zwiſchen ihnen, die wichtig genug dazu wäre. Das letztre gab ich zu, er¬ innerte aber an Olmütz und den ſiebenjährigen Krieg, man gerathe auch aus unwichtigen Urſachen in Händel, ſogar aus Formfragen; es würde manchen Ruſſen auch ohne Gortſchakow ſchwer, einen Freund als gleichberechtigt zu betrachten und zu behandeln, ich wäre in dem Punkte der Form perſönlich nicht empfindlich — aber das jetzige Rußland habe bis auf Weitres nicht blos die Formen, ſondern auch die Anſprüche Gortſchakows. Ich lehnte die „Option“ zwiſchen Oeſtreich und Rußland auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0252" n="228"/><fw place="top" type="header">Achtundzwanzigſtes Kapitel: Berliner Congreß.<lb/></fw>tſchakow, die mich mitunter an aſiatiſche Auffaſſungen erinnerte.<lb/> Er habe oft jeden politiſchen Einwand einfach mit dem Argumente<lb/> niedergeſchlagen: <hi rendition="#aq">„l' empereur est fort irrité“</hi>, worauf ich ironiſch<lb/> zu antworten pflegte: <hi rendition="#aq">„Eh, le mien donc!“</hi> Schuwalow bemerkte<lb/> dazu: <hi rendition="#aq">„Gortschakoff est un animal“</hi>, was in dem Petersburger<lb/> Jargon nicht ſo grob gemeint iſt, wie es klingt, <hi rendition="#aq">„il n'a aucune<lb/> influence“</hi>; er verdanke es überhaupt nur der Achtung des Kaiſers<lb/> vor dem Alter und dem frühern Verdienſte, daß er formell noch<lb/> die Geſchäfte führe. Worüber könnten Rußland und Preußen ernſt¬<lb/> haft jemals in Streit gerathen? Es gebe gar keine Frage zwiſchen<lb/> ihnen, die wichtig genug dazu wäre. Das letztre gab ich zu, er¬<lb/> innerte aber an Olmütz und den ſiebenjährigen Krieg, man gerathe<lb/> auch aus unwichtigen Urſachen in Händel, ſogar aus Formfragen;<lb/> es würde manchen Ruſſen auch ohne Gortſchakow ſchwer, einen<lb/> Freund als gleichberechtigt zu betrachten und zu behandeln, ich<lb/> wäre in dem Punkte der Form perſönlich nicht empfindlich — aber<lb/> das jetzige Rußland habe bis auf Weitres nicht blos die Formen,<lb/> ſondern auch die Anſprüche Gortſchakows.</p><lb/> <p>Ich lehnte die „Option“ zwiſchen Oeſtreich und Rußland auch<lb/> damals ab und empfahl den Bund der drei Kaiſer oder doch die<lb/> Pflege des Friedens zwiſchen ihnen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [228/0252]
Achtundzwanzigſtes Kapitel: Berliner Congreß.
tſchakow, die mich mitunter an aſiatiſche Auffaſſungen erinnerte.
Er habe oft jeden politiſchen Einwand einfach mit dem Argumente
niedergeſchlagen: „l' empereur est fort irrité“, worauf ich ironiſch
zu antworten pflegte: „Eh, le mien donc!“ Schuwalow bemerkte
dazu: „Gortschakoff est un animal“, was in dem Petersburger
Jargon nicht ſo grob gemeint iſt, wie es klingt, „il n'a aucune
influence“; er verdanke es überhaupt nur der Achtung des Kaiſers
vor dem Alter und dem frühern Verdienſte, daß er formell noch
die Geſchäfte führe. Worüber könnten Rußland und Preußen ernſt¬
haft jemals in Streit gerathen? Es gebe gar keine Frage zwiſchen
ihnen, die wichtig genug dazu wäre. Das letztre gab ich zu, er¬
innerte aber an Olmütz und den ſiebenjährigen Krieg, man gerathe
auch aus unwichtigen Urſachen in Händel, ſogar aus Formfragen;
es würde manchen Ruſſen auch ohne Gortſchakow ſchwer, einen
Freund als gleichberechtigt zu betrachten und zu behandeln, ich
wäre in dem Punkte der Form perſönlich nicht empfindlich — aber
das jetzige Rußland habe bis auf Weitres nicht blos die Formen,
ſondern auch die Anſprüche Gortſchakows.
Ich lehnte die „Option“ zwiſchen Oeſtreich und Rußland auch
damals ab und empfahl den Bund der drei Kaiſer oder doch die
Pflege des Friedens zwiſchen ihnen.
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