Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Neunundzwanzigstes Kapitel: Der Dreibund. Nachdem ich ihm die Lage dargelegt hatte, zog er daraus die Nachdem ich nicht ohne Schwierigkeit die Ermächtigung Sr. Vor meiner Abreise von Gastein richtete ich am 10. September "Gastein, den 10. September 1879. Eure Majestät haben früher die Gnade gehabt, Allerhöchstihre Neunundzwanzigſtes Kapitel: Der Dreibund. Nachdem ich ihm die Lage dargelegt hatte, zog er daraus die Nachdem ich nicht ohne Schwierigkeit die Ermächtigung Sr. Vor meiner Abreiſe von Gaſtein richtete ich am 10. September „Gaſtein, den 10. September 1879. Eure Majeſtät haben früher die Gnade gehabt, Allerhöchſtihre <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0262" n="238"/> <fw place="top" type="header">Neunundzwanzigſtes Kapitel: Der Dreibund.<lb/></fw> <p>Nachdem ich ihm die Lage dargelegt hatte, zog er daraus die<lb/> Folgerung mit den Worten: „Gegen ein ruſſiſch-franzöſiſches Bündniß<lb/> iſt der natürliche Gegenzug ein öſtreichiſch-deutſches.“ Ich erwiderte,<lb/> daß er damit die Frage formulirt habe, zu deren Beſprechung ich<lb/> unſre Zuſammenkunft angeregt hätte, und wir kamen leicht zu einer<lb/> vorläufigen Verſtändigung über ein rein defenſives Bündniß gegen<lb/> einen ruſſiſchen Angriff auf einen von beiden Theilen, dagegen fand<lb/> mein Vorſchlag, das Bündniß auch auf andre als ruſſiſche Angriffe<lb/> auszudehnen, bei dem Grafen keinen Anklang.</p><lb/> <p>Nachdem ich nicht ohne Schwierigkeit die Ermächtigung Sr.<lb/> Majeſtät dazu erlangt hatte, in amtliche Verhandlungen einzutreten,<lb/> nahm ich zu dem Zwecke meinen Rückweg über Wien.</p><lb/> <p>Vor meiner Abreiſe von Gaſtein richtete ich am 10. September<lb/> folgendes Schreiben an den König von Baiern:</p><lb/> <p rendition="#right">„Gaſtein, den 10. September 1879.</p><lb/> <p>Eure Majeſtät haben früher die Gnade gehabt, Allerhöchſtihre<lb/> Zufriedenheit mit den Beſtrebungen auszuſprechen, welche meinerſeits<lb/> dahin gerichtet waren, dem Deutſchen Reiche Frieden und Freund¬<lb/> ſchaft mit den beiden großen Nachbarreichen Oeſtreich und Ru߬<lb/> land gleichmäßig zu erhalten. Im Laufe der letzten drei Jahre iſt<lb/> dieſe Aufgabe um ſo ſchwieriger geworden, je mehr die ruſſiſche<lb/> Politik dem Einfluſſe der theils kriegeriſchen, theils revolutionären<lb/> Tendenzen des Panſlavismus ſich hingegeben hat. Schon im Jahre<lb/> 1876 wurde uns von Livadia aus wiederholentlich die Forderung<lb/> geſtellt, uns darüber in verbindlicher Form zu erklären, ob das<lb/> Deutſche Reich in einem Kriege zwiſchen Rußland und Oeſtreich<lb/> neutral bleiben werde. Es gelang nicht, dieſer Erklärung aus¬<lb/> zuweichen, und das ruſſiſche Kriegswetter zog einſtweilen nach dem<lb/> Balkan ab. Die auch nach dem Congreſſe noch immer großen Er¬<lb/> folge, welche die ruſſiſche Politik infolge dieſes Krieges gewonnen<lb/> hat, haben leider die Erregtheit der ruſſiſchen Politik nicht in dem<lb/> Maße abgekühlt, wie es für das friedliebende Europa wünſchens¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [238/0262]
Neunundzwanzigſtes Kapitel: Der Dreibund.
Nachdem ich ihm die Lage dargelegt hatte, zog er daraus die
Folgerung mit den Worten: „Gegen ein ruſſiſch-franzöſiſches Bündniß
iſt der natürliche Gegenzug ein öſtreichiſch-deutſches.“ Ich erwiderte,
daß er damit die Frage formulirt habe, zu deren Beſprechung ich
unſre Zuſammenkunft angeregt hätte, und wir kamen leicht zu einer
vorläufigen Verſtändigung über ein rein defenſives Bündniß gegen
einen ruſſiſchen Angriff auf einen von beiden Theilen, dagegen fand
mein Vorſchlag, das Bündniß auch auf andre als ruſſiſche Angriffe
auszudehnen, bei dem Grafen keinen Anklang.
Nachdem ich nicht ohne Schwierigkeit die Ermächtigung Sr.
Majeſtät dazu erlangt hatte, in amtliche Verhandlungen einzutreten,
nahm ich zu dem Zwecke meinen Rückweg über Wien.
Vor meiner Abreiſe von Gaſtein richtete ich am 10. September
folgendes Schreiben an den König von Baiern:
„Gaſtein, den 10. September 1879.
Eure Majeſtät haben früher die Gnade gehabt, Allerhöchſtihre
Zufriedenheit mit den Beſtrebungen auszuſprechen, welche meinerſeits
dahin gerichtet waren, dem Deutſchen Reiche Frieden und Freund¬
ſchaft mit den beiden großen Nachbarreichen Oeſtreich und Ru߬
land gleichmäßig zu erhalten. Im Laufe der letzten drei Jahre iſt
dieſe Aufgabe um ſo ſchwieriger geworden, je mehr die ruſſiſche
Politik dem Einfluſſe der theils kriegeriſchen, theils revolutionären
Tendenzen des Panſlavismus ſich hingegeben hat. Schon im Jahre
1876 wurde uns von Livadia aus wiederholentlich die Forderung
geſtellt, uns darüber in verbindlicher Form zu erklären, ob das
Deutſche Reich in einem Kriege zwiſchen Rußland und Oeſtreich
neutral bleiben werde. Es gelang nicht, dieſer Erklärung aus¬
zuweichen, und das ruſſiſche Kriegswetter zog einſtweilen nach dem
Balkan ab. Die auch nach dem Congreſſe noch immer großen Er¬
folge, welche die ruſſiſche Politik infolge dieſes Krieges gewonnen
hat, haben leider die Erregtheit der ruſſiſchen Politik nicht in dem
Maße abgekühlt, wie es für das friedliebende Europa wünſchens¬
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