Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Ein Denkmal der Flüchtigkeit. Der Staatsrath von 1884. beeinflussen, zu erkennen zu geben. Bemerkenswerth war, daß dieVorträge zweier ehemaligen Gardes du Corps-Offiziere, von Zedlitz- Trützschler, späterem Oberpräsidenten in Posen und Cultusminister, und von Minnigerode, einen solchen Eindruck machten, daß der Kronprinz im Sinne der Versammlung verfuhr, indem er die beiden Herrn später zu Referenten bestellte, obschon die theoretisch sach¬ kundigsten Vorträge ohne Zweifel von den anwesenden fachgelehrten Professoren gehalten waren. Die Einwirkung, die dadurch frühern Gardeoffizieren auf die Gestaltung von Gesetzvorlagen zufiel, be¬ festigte mich in der Ueberzeugung, daß die rein und nur mini¬ sterielle Prüfung von Entwürfen nicht der richtige Weg ist, um die Gefahr zu vermeiden, daß unpraktische, schädliche und gefährliche Vorlagen in sprachlich unvollkommner Fassung ihren Weg aus den Niederschriften der legislativen Liebhabereien eines einzelnen vor¬ tragenden Rathes, unbeirrt oder doch ohne ausreichende Richtig¬ stellung durch alle Stadien des Staatsministeriums, der Parlamente und des Cabinets bis in die Gesetzsammlung finden und dann bis zu etwaiger Abhülfe einen Theil der Last bilden, die sich wie eine Krankheit schleichend fortschleppt. Ein Denkmal der Flüchtigkeit. Der Staatsrath von 1884. beeinfluſſen, zu erkennen zu geben. Bemerkenswerth war, daß dieVorträge zweier ehemaligen Gardes du Corps-Offiziere, von Zedlitz- Trützſchler, ſpäterem Oberpräſidenten in Poſen und Cultusminiſter, und von Minnigerode, einen ſolchen Eindruck machten, daß der Kronprinz im Sinne der Verſammlung verfuhr, indem er die beiden Herrn ſpäter zu Referenten beſtellte, obſchon die theoretiſch ſach¬ kundigſten Vorträge ohne Zweifel von den anweſenden fachgelehrten Profeſſoren gehalten waren. Die Einwirkung, die dadurch frühern Gardeoffizieren auf die Geſtaltung von Geſetzvorlagen zufiel, be¬ feſtigte mich in der Ueberzeugung, daß die rein und nur mini¬ ſterielle Prüfung von Entwürfen nicht der richtige Weg iſt, um die Gefahr zu vermeiden, daß unpraktiſche, ſchädliche und gefährliche Vorlagen in ſprachlich unvollkommner Faſſung ihren Weg aus den Niederſchriften der legislativen Liebhabereien eines einzelnen vor¬ tragenden Rathes, unbeirrt oder doch ohne ausreichende Richtig¬ ſtellung durch alle Stadien des Staatsminiſteriums, der Parlamente und des Cabinets bis in die Geſetzſammlung finden und dann bis zu etwaiger Abhülfe einen Theil der Laſt bilden, die ſich wie eine Krankheit ſchleichend fortſchleppt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0299" n="275"/><fw place="top" type="header">Ein Denkmal der Flüchtigkeit. Der Staatsrath von 1884.<lb/></fw>beeinfluſſen, zu erkennen zu geben. Bemerkenswerth war, daß die<lb/> Vorträge zweier ehemaligen Gardes du Corps-Offiziere, von Zedlitz-<lb/> Trützſchler, ſpäterem Oberpräſidenten in Poſen und Cultusminiſter,<lb/> und von Minnigerode, einen ſolchen Eindruck machten, daß der<lb/> Kronprinz im Sinne der Verſammlung verfuhr, indem er die beiden<lb/> Herrn ſpäter zu Referenten beſtellte, obſchon die theoretiſch ſach¬<lb/> kundigſten Vorträge ohne Zweifel von den anweſenden fachgelehrten<lb/> Profeſſoren gehalten waren. Die Einwirkung, die dadurch frühern<lb/> Gardeoffizieren auf die Geſtaltung von Geſetzvorlagen zufiel, be¬<lb/> feſtigte mich in der Ueberzeugung, daß die rein und nur mini¬<lb/> ſterielle Prüfung von Entwürfen nicht der richtige Weg iſt, um die<lb/> Gefahr zu vermeiden, daß unpraktiſche, ſchädliche und gefährliche<lb/> Vorlagen in ſprachlich unvollkommner Faſſung ihren Weg aus den<lb/> Niederſchriften der legislativen Liebhabereien eines einzelnen vor¬<lb/> tragenden Rathes, unbeirrt oder doch ohne ausreichende Richtig¬<lb/> ſtellung durch alle Stadien des Staatsminiſteriums, der Parlamente<lb/> und des Cabinets bis in die Geſetzſammlung finden und dann bis<lb/> zu etwaiger Abhülfe einen Theil der Laſt bilden, die ſich wie eine<lb/> Krankheit ſchleichend fortſchleppt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [275/0299]
Ein Denkmal der Flüchtigkeit. Der Staatsrath von 1884.
beeinfluſſen, zu erkennen zu geben. Bemerkenswerth war, daß die
Vorträge zweier ehemaligen Gardes du Corps-Offiziere, von Zedlitz-
Trützſchler, ſpäterem Oberpräſidenten in Poſen und Cultusminiſter,
und von Minnigerode, einen ſolchen Eindruck machten, daß der
Kronprinz im Sinne der Verſammlung verfuhr, indem er die beiden
Herrn ſpäter zu Referenten beſtellte, obſchon die theoretiſch ſach¬
kundigſten Vorträge ohne Zweifel von den anweſenden fachgelehrten
Profeſſoren gehalten waren. Die Einwirkung, die dadurch frühern
Gardeoffizieren auf die Geſtaltung von Geſetzvorlagen zufiel, be¬
feſtigte mich in der Ueberzeugung, daß die rein und nur mini¬
ſterielle Prüfung von Entwürfen nicht der richtige Weg iſt, um die
Gefahr zu vermeiden, daß unpraktiſche, ſchädliche und gefährliche
Vorlagen in ſprachlich unvollkommner Faſſung ihren Weg aus den
Niederſchriften der legislativen Liebhabereien eines einzelnen vor¬
tragenden Rathes, unbeirrt oder doch ohne ausreichende Richtig¬
ſtellung durch alle Stadien des Staatsminiſteriums, der Parlamente
und des Cabinets bis in die Geſetzſammlung finden und dann bis
zu etwaiger Abhülfe einen Theil der Laſt bilden, die ſich wie eine
Krankheit ſchleichend fortſchleppt.
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