Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Treue um Treue: König und Minister, Herr und Diener. geisterndes. Sie berührten angenehm durch die Wärme seinesGefühls und die Sicherheit, die aus ihnen sprach, daß er Treue nicht nur verlangte, sondern auch gewährte. Il etait de relation saure; eine von den fürstlichen Gestalten, in Seele und Körper, deren Eigenschaften mehr des Herzens als des Verstandes die im germanischen Charakter hin und wieder vorkommende Hingebung ihrer Diener und Anhänger auf Tod und Leben erklären. Für monarchische Gesinnung ist die Ausdehnung des Gebietes ihrer Ergebenheit nicht jedem Fürsten gegenüber dieselbe; sie unterscheidet sich, je nachdem politisches Verständniß oder Empfindung die Grenzen ziehn. Ein gewisses Maß der Hingebung wird durch die Gesetze bestimmt, ein größeres durch politische Ueberzeugung; wo es darüber hinaus geht, bedarf es eines persönlichen Gefühls von Gegen¬ seitigkeit, das bewirkt, daß treue Herrn treue Diener haben, deren Hingebung über das Maß staatsrechtlicher Erwägungen hin¬ ausreicht. Es ist eine Eigenthümlichkeit royalistischer Gesinnung, daß ihren Treue um Treue: König und Miniſter, Herr und Diener. geiſterndes. Sie berührten angenehm durch die Wärme ſeinesGefühls und die Sicherheit, die aus ihnen ſprach, daß er Treue nicht nur verlangte, ſondern auch gewährte. Il était de relation sûre; eine von den fürſtlichen Geſtalten, in Seele und Körper, deren Eigenſchaften mehr des Herzens als des Verſtandes die im germaniſchen Charakter hin und wieder vorkommende Hingebung ihrer Diener und Anhänger auf Tod und Leben erklären. Für monarchiſche Geſinnung iſt die Ausdehnung des Gebietes ihrer Ergebenheit nicht jedem Fürſten gegenüber dieſelbe; ſie unterſcheidet ſich, je nachdem politiſches Verſtändniß oder Empfindung die Grenzen ziehn. Ein gewiſſes Maß der Hingebung wird durch die Geſetze beſtimmt, ein größeres durch politiſche Ueberzeugung; wo es darüber hinaus geht, bedarf es eines perſönlichen Gefühls von Gegen¬ ſeitigkeit, das bewirkt, daß treue Herrn treue Diener haben, deren Hingebung über das Maß ſtaatsrechtlicher Erwägungen hin¬ ausreicht. Es iſt eine Eigenthümlichkeit royaliſtiſcher Geſinnung, daß ihren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0315" n="291"/><fw place="top" type="header">Treue um Treue: König und Miniſter, Herr und Diener.<lb/></fw>geiſterndes. Sie berührten angenehm durch die Wärme ſeines<lb/> Gefühls und die Sicherheit, die aus ihnen ſprach, daß er Treue<lb/> nicht nur verlangte, ſondern auch gewährte. <hi rendition="#aq">Il était de relation<lb/> sûre</hi>; eine von den fürſtlichen Geſtalten, in Seele und Körper,<lb/> deren Eigenſchaften mehr des Herzens als des Verſtandes die im<lb/> germaniſchen Charakter hin und wieder vorkommende Hingebung<lb/> ihrer Diener und Anhänger auf Tod und Leben erklären. Für<lb/> monarchiſche Geſinnung iſt die Ausdehnung des Gebietes ihrer<lb/> Ergebenheit nicht jedem Fürſten gegenüber dieſelbe; ſie unterſcheidet<lb/> ſich, je nachdem politiſches Verſtändniß oder Empfindung die Grenzen<lb/> ziehn. Ein gewiſſes Maß der Hingebung wird durch die Geſetze<lb/> beſtimmt, ein größeres durch politiſche Ueberzeugung; wo es darüber<lb/> hinaus geht, bedarf es eines perſönlichen Gefühls von Gegen¬<lb/> ſeitigkeit, das bewirkt, daß treue Herrn treue Diener haben,<lb/> deren Hingebung über das Maß ſtaatsrechtlicher Erwägungen hin¬<lb/> ausreicht.</p><lb/> <p>Es iſt eine Eigenthümlichkeit royaliſtiſcher Geſinnung, daß ihren<lb/> Träger, auch wenn er ſich bewußt iſt, die Entſchließungen des Königs<lb/> zu beeinfluſſen, das Gefühl nicht verläßt, der Diener des Monarchen<lb/> zu ſein. Der König ſelbſt rühmte eines Tages (1865) gegen meine<lb/> Frau die Geſchicklichkeit, mit der ich ſeine Intentionen zu er¬<lb/> rathen und — wie er nach einer Pauſe hinzuſetzte — zu <hi rendition="#g">leiten</hi><lb/> wüßte. Solche Anerkennung benahm ihm nicht das Gefühl, daß<lb/> er der Herr und ich ſein Diener ſei, ein nützlicher, aber ehrerbietig<lb/> ergebener. Dieſes Bewußtſein verließ ihn auch dann nicht, als er<lb/> bei erregter Erörterung meines Abſchiedsgeſuchs 1877 in die Worte<lb/> ausbrach: „Soll ich mich in meinen alten Tagen blamiren? Es<lb/> iſt eine Untreue, wenn Sie mich verlaſſen“ — auch unter ſolchen<lb/> Gefühlen ſtand er in ſeiner eignen königlichen Einſchätzung und in<lb/> ſeinem Gerechtigkeitsſinn zu hoch, um jemals dem Gefühl einer<lb/> Sauliſchen Eiferſucht gegen mich zugänglich zu werden. Er hatte<lb/> das königliche Gefühl, daß er es nicht nur vertrug, ſondern ſich<lb/> gehoben fühlte durch den Gedanken, einen angeſehnen und mächtigen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [291/0315]
Treue um Treue: König und Miniſter, Herr und Diener.
geiſterndes. Sie berührten angenehm durch die Wärme ſeines
Gefühls und die Sicherheit, die aus ihnen ſprach, daß er Treue
nicht nur verlangte, ſondern auch gewährte. Il était de relation
sûre; eine von den fürſtlichen Geſtalten, in Seele und Körper,
deren Eigenſchaften mehr des Herzens als des Verſtandes die im
germaniſchen Charakter hin und wieder vorkommende Hingebung
ihrer Diener und Anhänger auf Tod und Leben erklären. Für
monarchiſche Geſinnung iſt die Ausdehnung des Gebietes ihrer
Ergebenheit nicht jedem Fürſten gegenüber dieſelbe; ſie unterſcheidet
ſich, je nachdem politiſches Verſtändniß oder Empfindung die Grenzen
ziehn. Ein gewiſſes Maß der Hingebung wird durch die Geſetze
beſtimmt, ein größeres durch politiſche Ueberzeugung; wo es darüber
hinaus geht, bedarf es eines perſönlichen Gefühls von Gegen¬
ſeitigkeit, das bewirkt, daß treue Herrn treue Diener haben,
deren Hingebung über das Maß ſtaatsrechtlicher Erwägungen hin¬
ausreicht.
Es iſt eine Eigenthümlichkeit royaliſtiſcher Geſinnung, daß ihren
Träger, auch wenn er ſich bewußt iſt, die Entſchließungen des Königs
zu beeinfluſſen, das Gefühl nicht verläßt, der Diener des Monarchen
zu ſein. Der König ſelbſt rühmte eines Tages (1865) gegen meine
Frau die Geſchicklichkeit, mit der ich ſeine Intentionen zu er¬
rathen und — wie er nach einer Pauſe hinzuſetzte — zu leiten
wüßte. Solche Anerkennung benahm ihm nicht das Gefühl, daß
er der Herr und ich ſein Diener ſei, ein nützlicher, aber ehrerbietig
ergebener. Dieſes Bewußtſein verließ ihn auch dann nicht, als er
bei erregter Erörterung meines Abſchiedsgeſuchs 1877 in die Worte
ausbrach: „Soll ich mich in meinen alten Tagen blamiren? Es
iſt eine Untreue, wenn Sie mich verlaſſen“ — auch unter ſolchen
Gefühlen ſtand er in ſeiner eignen königlichen Einſchätzung und in
ſeinem Gerechtigkeitsſinn zu hoch, um jemals dem Gefühl einer
Sauliſchen Eiferſucht gegen mich zugänglich zu werden. Er hatte
das königliche Gefühl, daß er es nicht nur vertrug, ſondern ſich
gehoben fühlte durch den Gedanken, einen angeſehnen und mächtigen
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