Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Die Digression nach Preßburg. Diplomatische Erwägungen. Karte reichen und sprach sich zu Gunsten dieses Vorschlags aus;die Ausführung wurde, wie mir schien widerstrebend, in Angriff genommen, aber sie geschah. Nach dem Generalstabswerke, S. 522, erging erst unter dem "Es ist die Absicht Sr. Majestät des Königs, die Armee in einer Mir kam es für unsre spätern Beziehungen zu Oestreich Die Digreſſion nach Preßburg. Diplomatiſche Erwägungen. Karte reichen und ſprach ſich zu Gunſten dieſes Vorſchlags aus;die Ausführung wurde, wie mir ſchien widerſtrebend, in Angriff genommen, aber ſie geſchah. Nach dem Generalſtabswerke, S. 522, erging erſt unter dem „Es iſt die Abſicht Sr. Majeſtät des Königs, die Armee in einer Mir kam es für unſre ſpätern Beziehungen zu Oeſtreich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0061" n="37"/><fw place="top" type="header">Die Digreſſion nach Preßburg. Diplomatiſche Erwägungen.<lb/></fw>Karte reichen und ſprach ſich zu Gunſten dieſes Vorſchlags aus;<lb/> die Ausführung wurde, wie mir ſchien widerſtrebend, in Angriff<lb/> genommen, aber ſie geſchah.</p><lb/> <p>Nach dem Generalſtabswerke, S. 522, erging erſt unter dem<lb/> 19. Juli folgender Erlaß des Großen Hauptquartiers:</p><lb/> <p>„Es iſt die Abſicht Sr. Majeſtät des Königs, die Armee in einer<lb/> Stellung hinter dem Rußbach zu concentriren. — In dieſer Stellung<lb/> ſoll die Armee zunächſt in der Lage ſein, einem Angriff entgegen<lb/> zu treten, welchen der Feind mit etwa 150 000 Mann von Florids¬<lb/> dorf aus zu unternehmen vermöchte; demnächſt ſoll ſie aus der¬<lb/> ſelben entweder die Floridsdorfer Verſchanzungen recognoſciren und<lb/> angreifen, oder aber, unter Zurücklaſſung eines Obſervationscorps<lb/> gegen Wien, möglichſt ſchnell nach Preßburg abmarſchiren können.<lb/> — Beide Armeen ſchieben ihre Vortruppen und Recognoſcirungen<lb/> an den Rußbach in der Richtung auf Wolkersdorf und Deutſch-<lb/> Wagram vor. Gleichzeitig mit dieſem Vorrücken ſoll der Verſuch<lb/> gemacht werden, Preßburg durch überraſchenden Angriff zu nehmen<lb/> und den eventuellen Donauübergang daſelbſt zu ſichern.“</p><lb/> <p>Mir kam es für unſre ſpätern Beziehungen zu Oeſtreich<lb/> darauf an, kränkende Erinnerungen nach Möglichkeit zu verhüten,<lb/> wenn es ſich ohne Beeinträchtigung unſrer deutſchen Politik thun<lb/> ließ. Der ſiegreiche Einzug des preußiſchen Heeres in die feind¬<lb/> liche Hauptſtadt wäre für unſre Militärs natürlich eine be¬<lb/> friedigende Erinnerung geweſen, für unſre Politik war er kein<lb/> Bedürfniß; in dem öſtreichiſchen Selbſtgefühl hätte er gleich jeder<lb/> Abtretung alten Beſitzes an uns eine Verletzung hinterlaſſen,<lb/> die, ohne für uns ein zwingendes Bedürfniß zu ſein, die<lb/> Schwierigkeit unſrer künftigen gegenſeitigen Beziehungen unnöthig<lb/> geſteigert haben würde. Es war mir ſchon damals nicht zweifel¬<lb/> haft, daß wir die Errungenſchaften des Feldzugs in fernern Kriegen<lb/> zu vertheidigen haben würden, wie Friedrich der Große die Er¬<lb/> gebniſſe ſeiner beiden erſten ſchleſiſchen Kriege in dem ſchärfern<lb/> Feuer des ſiebenjährigen. Daß ein franzöſiſcher Krieg auf den<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [37/0061]
Die Digreſſion nach Preßburg. Diplomatiſche Erwägungen.
Karte reichen und ſprach ſich zu Gunſten dieſes Vorſchlags aus;
die Ausführung wurde, wie mir ſchien widerſtrebend, in Angriff
genommen, aber ſie geſchah.
Nach dem Generalſtabswerke, S. 522, erging erſt unter dem
19. Juli folgender Erlaß des Großen Hauptquartiers:
„Es iſt die Abſicht Sr. Majeſtät des Königs, die Armee in einer
Stellung hinter dem Rußbach zu concentriren. — In dieſer Stellung
ſoll die Armee zunächſt in der Lage ſein, einem Angriff entgegen
zu treten, welchen der Feind mit etwa 150 000 Mann von Florids¬
dorf aus zu unternehmen vermöchte; demnächſt ſoll ſie aus der¬
ſelben entweder die Floridsdorfer Verſchanzungen recognoſciren und
angreifen, oder aber, unter Zurücklaſſung eines Obſervationscorps
gegen Wien, möglichſt ſchnell nach Preßburg abmarſchiren können.
— Beide Armeen ſchieben ihre Vortruppen und Recognoſcirungen
an den Rußbach in der Richtung auf Wolkersdorf und Deutſch-
Wagram vor. Gleichzeitig mit dieſem Vorrücken ſoll der Verſuch
gemacht werden, Preßburg durch überraſchenden Angriff zu nehmen
und den eventuellen Donauübergang daſelbſt zu ſichern.“
Mir kam es für unſre ſpätern Beziehungen zu Oeſtreich
darauf an, kränkende Erinnerungen nach Möglichkeit zu verhüten,
wenn es ſich ohne Beeinträchtigung unſrer deutſchen Politik thun
ließ. Der ſiegreiche Einzug des preußiſchen Heeres in die feind¬
liche Hauptſtadt wäre für unſre Militärs natürlich eine be¬
friedigende Erinnerung geweſen, für unſre Politik war er kein
Bedürfniß; in dem öſtreichiſchen Selbſtgefühl hätte er gleich jeder
Abtretung alten Beſitzes an uns eine Verletzung hinterlaſſen,
die, ohne für uns ein zwingendes Bedürfniß zu ſein, die
Schwierigkeit unſrer künftigen gegenſeitigen Beziehungen unnöthig
geſteigert haben würde. Es war mir ſchon damals nicht zweifel¬
haft, daß wir die Errungenſchaften des Feldzugs in fernern Kriegen
zu vertheidigen haben würden, wie Friedrich der Große die Er¬
gebniſſe ſeiner beiden erſten ſchleſiſchen Kriege in dem ſchärfern
Feuer des ſiebenjährigen. Daß ein franzöſiſcher Krieg auf den
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