so gut, als ob es gar nicht geschehen wäre? Jst es nicht noch schlimmer? Jst es nicht so, als fastete man heute, um sich Morgen allem Uebermaasse desto sicherer und mit desto grösserem Geschmacke überlassen zu können? Oder scheint es nicht, als entsag- te man nur einer Begierde, deren fernere Befriedigung eine unvermeidliche Noth- wendigkeit auf immer unmöglich macht?
Versöhnlichkeit ist nicht die Tugend Eines Tages, und noch viel weniger Eines schwachen Augenblicks, den villeicht nur die Erschlaffung unsrer Nerven, oder der langsamere Lauf unsers Blutes befördert hat. Auch muss sie schlechterdings nur aus dem einzigen reinen Quell aller Tugen- den entstanden seyn, wenn sie anders den grossen Charakter erfüllen will, den sie von sich selbst ankündiget. Keine Tugend ist das, was sie werden kann, auf einmal; sie
ſo gut, als ob es gar nicht geſchehen wäre? Jſt es nicht noch ſchlimmer? Jſt es nicht ſo, als faſtete man heute, um ſich Morgen allem Uebermaaſse deſto ſicherer und mit deſto gröſserem Geſchmacke überlaſsen zu können? Oder ſcheint es nicht, als entſag- te man nur einer Begierde, deren fernere Befriedigung eine unvermeidliche Noth- wendigkeit auf immer unmöglich macht?
Verſöhnlichkeit iſt nicht die Tugend Eines Tages, und noch viel weniger Eines ſchwachen Augenblicks, den villeicht nur die Erſchlaffung unſrer Nerven, oder der langſamere Lauf unſers Blutes befördert hat. Auch muſs ſie ſchlechterdings nur aus dem einzigen reinen Quell aller Tugen- den entſtanden ſeyn, wenn ſie anders den groſsen Charakter erfüllen will, den ſie von ſich ſelbſt ankündiget. Keine Tugend iſt das, was ſie werden kann, auf einmal; ſie
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ſo gut, als ob es gar nicht geſchehen wäre?
Jſt es nicht noch ſchlimmer? Jſt es nicht
ſo, als faſtete man heute, um ſich Morgen
allem Uebermaaſse deſto ſicherer und mit
deſto gröſserem Geſchmacke überlaſsen zu
können? Oder ſcheint es nicht, als entſag-
te man nur einer Begierde, deren fernere
Befriedigung eine unvermeidliche Noth-
wendigkeit auf immer unmöglich macht?
Verſöhnlichkeit iſt nicht die Tugend
Eines Tages, und noch viel weniger Eines
ſchwachen Augenblicks, den villeicht nur
die Erſchlaffung unſrer Nerven, oder der
langſamere Lauf unſers Blutes befördert
hat. Auch muſs ſie ſchlechterdings nur
aus dem einzigen reinen Quell aller Tugen-
den entſtanden ſeyn, wenn ſie anders den
groſsen Charakter erfüllen will, den ſie von
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/113>, abgerufen am 16.07.2024.
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