dessen es einem jeden vergönnt seyn soll, dem andern so viel von dem Seinigen zu ent- ziehen, als entweder ohne Wissen, oder we- nigstens ohne lauten Widerspruch desselben geschehen kann. Dergleichen Beraubungen werden dann für unendlich klein, und ganz und gar nicht für Gegenstände des Gewis- sens geachtet. Man würde sich einem lauten Gelächter aussetzen, man würde für unwis- send in den täglichen Vorfällen des Lebens gehalten werden, wenn man ernsthaft da- von reden; man würde für unbesonnen, ei- gensinnig, geitzig und, wer weiss für was mehr? gehalten werden, wenn man davon viel Aufhebens machen, und in allen diesen Dingen auf sein strenges Recht bestehen woll- te. Nun kann ich es auch wohl über mich erhalten, mich ohne Widerrede hintergehen zu lassen; aber die Sache lustig zu finden, wie ich das könnte? das weiss ich nicht!
deſſen es einem jeden vergönnt ſeyn ſoll, dem andern ſo viel von dem Seinigen zu ent- ziehen, als entweder ohne Wiſsen, oder we- nigſtens ohne lauten Widerſpruch deſſelben geſchehen kann. Dergleichen Beraubungen werden dann für unendlich klein, und ganz und gar nicht für Gegenſtände des Gewiſ- ſens geachtet. Man würde ſich einem lauten Gelächter ausſetzen, man würde für unwiſ- ſend in den täglichen Vorfällen des Lebens gehalten werden, wenn man ernſthaft da- von reden; man würde für unbeſonnen, ei- genſinnig, geitzig und, wer weiſs für was mehr? gehalten werden, wenn man davon viel Aufhebens machen, und in allen dieſen Dingen auf ſein ſtrenges Recht beſtehen woll- te. Nun kann ich es auch wohl über mich erhalten, mich ohne Widerrede hintergehen zu laſsen; aber die Sache luſtig zu finden, wie ich das könnte? das weiſs ich nicht!
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deſſen es einem jeden vergönnt ſeyn ſoll,
dem andern ſo viel von dem Seinigen zu ent-
ziehen, als entweder ohne Wiſsen, oder we-
nigſtens ohne lauten Widerſpruch deſſelben
geſchehen kann. Dergleichen Beraubungen
werden dann für unendlich klein, und ganz
und gar nicht für Gegenſtände des Gewiſ-
ſens geachtet. Man würde ſich einem lauten
Gelächter ausſetzen, man würde für unwiſ-
ſend in den täglichen Vorfällen des Lebens
gehalten werden, wenn man ernſthaft da-
von reden; man würde für unbeſonnen, ei-
genſinnig, geitzig und, wer weiſs für was
mehr? gehalten werden, wenn man davon
viel Aufhebens machen, und in allen dieſen
Dingen auf ſein ſtrenges Recht beſtehen woll-
te. Nun kann ich es auch wohl über mich
erhalten, mich ohne Widerrede hintergehen
zu laſsen; aber die Sache luſtig zu finden,
wie ich das könnte? das weiſs ich nicht!
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/203>, abgerufen am 18.12.2024.
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