Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

dem Gedächtnise des gemeinen Mannes zu
Hülfe zu kommen und seine Aufmerksam-
keit zu unterhalten dienen. Die Absicht
ist gut; aber sie wird nur zum Theil er-
reicht. Mehrentheils nimmt man das Ske-
lett für den Körper. Man behält den
Text und die darauf gebaueten Sätze, und
denkt nicht einmal daran, ob es sonst noch
worauf ankomme. Und was soll denn die
Weise über einen Text zu predigen? Es
mag immer nützlich seyn, den grossen
Haufen zu gewissen Zeiten mit dem wahren
Sinne einer schweren biblischen Stelle be-
kannt zu machen; es mag immer nothwen-
dig seyn, manchen vorzutragenden Satz aus
der Schrift zu erläutern, oder auch zu be-
weisen, wenn er nicht besser bewiesen
werden kann. Wozu aber der Zwang, ei-
nem schon bearbeiteten Stoffe eine passende
Schriftstelle vorzusetzen, oder auch von ihr

(I. Theil.) G

dem Gedächtniſe des gemeinen Mannes zu
Hülfe zu kommen und ſeine Aufmerkſam-
keit zu unterhalten dienen. Die Abſicht
iſt gut; aber ſie wird nur zum Theil er-
reicht. Mehrentheils nimmt man das Ske-
lett für den Körper. Man behält den
Text und die darauf gebaueten Sätze, und
denkt nicht einmal daran, ob es ſonſt noch
worauf ankomme. Und was ſoll denn die
Weiſe über einen Text zu predigen? Es
mag immer nützlich ſeyn, den groſsen
Haufen zu gewiſsen Zeiten mit dem wahren
Sinne einer ſchweren bibliſchen Stelle be-
kannt zu machen; es mag immer nothwen-
dig ſeyn, manchen vorzutragenden Satz aus
der Schrift zu erläutern, oder auch zu be-
weiſen, wenn er nicht beſſer bewieſen
werden kann. Wozu aber der Zwang, ei-
nem ſchon bearbeiteten Stoffe eine paſſende
Schriftſtelle vorzuſetzen, oder auch von ihr

(I. Theil.) G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0039" n="31"/>
dem Gedächtni&#x017F;e des gemeinen Mannes zu<lb/>
Hülfe zu kommen und &#x017F;eine Aufmerk&#x017F;am-<lb/>
keit zu unterhalten dienen. Die Ab&#x017F;icht<lb/>
i&#x017F;t gut; aber &#x017F;ie wird nur zum Theil er-<lb/>
reicht. Mehrentheils nimmt man das Ske-<lb/>
lett für den Körper. Man behält den<lb/>
Text und die darauf gebaueten Sätze, und<lb/>
denkt nicht einmal daran, ob es &#x017F;on&#x017F;t noch<lb/>
worauf ankomme. Und was &#x017F;oll denn die<lb/>
Wei&#x017F;e über einen Text zu predigen? Es<lb/>
mag immer nützlich &#x017F;eyn, den gro&#x017F;sen<lb/>
Haufen zu gewi&#x017F;sen Zeiten mit dem wahren<lb/>
Sinne einer &#x017F;chweren bibli&#x017F;chen Stelle be-<lb/>
kannt zu machen; es mag immer nothwen-<lb/>
dig &#x017F;eyn, manchen vorzutragenden Satz aus<lb/>
der Schrift zu erläutern, oder auch zu be-<lb/>
wei&#x017F;en, wenn er nicht be&#x017F;&#x017F;er bewie&#x017F;en<lb/>
werden kann. Wozu aber der Zwang, ei-<lb/>
nem &#x017F;chon bearbeiteten Stoffe eine pa&#x017F;&#x017F;ende<lb/>
Schrift&#x017F;telle vorzu&#x017F;etzen, oder auch von ihr<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#i">(I. Theil.</hi>) G</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0039] dem Gedächtniſe des gemeinen Mannes zu Hülfe zu kommen und ſeine Aufmerkſam- keit zu unterhalten dienen. Die Abſicht iſt gut; aber ſie wird nur zum Theil er- reicht. Mehrentheils nimmt man das Ske- lett für den Körper. Man behält den Text und die darauf gebaueten Sätze, und denkt nicht einmal daran, ob es ſonſt noch worauf ankomme. Und was ſoll denn die Weiſe über einen Text zu predigen? Es mag immer nützlich ſeyn, den groſsen Haufen zu gewiſsen Zeiten mit dem wahren Sinne einer ſchweren bibliſchen Stelle be- kannt zu machen; es mag immer nothwen- dig ſeyn, manchen vorzutragenden Satz aus der Schrift zu erläutern, oder auch zu be- weiſen, wenn er nicht beſſer bewieſen werden kann. Wozu aber der Zwang, ei- nem ſchon bearbeiteten Stoffe eine paſſende Schriftſtelle vorzuſetzen, oder auch von ihr (I. Theil.) G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/39
Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/39>, abgerufen am 21.11.2024.