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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

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mögen, so weiss ich doch mit grosser Zu-
verlässigkeit, dass ich an diesen Vorzügen,
allen übrigen Thieren die ich kenne, über-
legen bin.

Jch bin ein Mensch: ein künstlicher
Leib, mit einer vernünftigen Seele verei-
niget. Die Gränze meiner kindischen Jah-
re ha' ich vorlängst überschritten; meine
blühende Jugend ist dahin; mit geübterem
Verstande, aber auch mit gewaltigern Lei-
denschaften nähere ich mich dem reifern
Alter des Mannes. Und so eile ich die
wechselnden Auftritte des Lebens hindurch,
bis , früh oder spät, das unvermeidliche
Grab meinem Laufe sein Ziel setzt. Bald
hab' ich Freude, bald Leid; bald ergreift
mich eine plötzliche schmerzhafte Krank-
heit, bald kehrt Gesundheit und Stärke zu-
rück. Mein Leben ist in steter Gefahr;
mein ganzes Glück ruht auf einer wanken-

mögen, ſo weiſs ich doch mit groſser Zu-
verläſsigkeit, daſs ich an dieſen Vorzügen,
allen übrigen Thieren die ich kenne, über-
legen bin.

Jch bin ein Menſch: ein künſtlicher
Leib, mit einer vernünftigen Seele verei-
niget. Die Gränze meiner kindiſchen Jah-
re ha’ ich vorlängſt überſchritten; meine
blühende Jugend iſt dahin; mit geübterem
Verſtande, aber auch mit gewaltigern Lei-
denſchaften nähere ich mich dem reifern
Alter des Mannes. Und ſo eile ich die
wechſelnden Auftritte des Lebens hindurch,
bis , früh oder ſpät, das unvermeidliche
Grab meinem Laufe ſein Ziel ſetzt. Bald
hab’ ich Freude, bald Leid; bald ergreift
mich eine plötzliche ſchmerzhafte Krank-
heit, bald kehrt Geſundheit und Stärke zu-
rück. Mein Leben iſt in ſteter Gefahr;
mein ganzes Glück ruht auf einer wanken-

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[70/0078] mögen, ſo weiſs ich doch mit groſser Zu- verläſsigkeit, daſs ich an dieſen Vorzügen, allen übrigen Thieren die ich kenne, über- legen bin. Jch bin ein Menſch: ein künſtlicher Leib, mit einer vernünftigen Seele verei- niget. Die Gränze meiner kindiſchen Jah- re ha’ ich vorlängſt überſchritten; meine blühende Jugend iſt dahin; mit geübterem Verſtande, aber auch mit gewaltigern Lei- denſchaften nähere ich mich dem reifern Alter des Mannes. Und ſo eile ich die wechſelnden Auftritte des Lebens hindurch, bis , früh oder ſpät, das unvermeidliche Grab meinem Laufe ſein Ziel ſetzt. Bald hab’ ich Freude, bald Leid; bald ergreift mich eine plötzliche ſchmerzhafte Krank- heit, bald kehrt Geſundheit und Stärke zu- rück. Mein Leben iſt in ſteter Gefahr; mein ganzes Glück ruht auf einer wanken-

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Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/78>, abgerufen am 25.11.2024.