Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

zu, dass er nicht falle! Die Lieblinge Got-
tes, die Helden in der Tugend, sind nicht
ausser Gefahr, und der Heilige selbst hat
Ursach der Versuchung aus dem Wege zu
gehen. Nun bedenke, meine gute Toch-
ter! wie viel näher Du der Gefahr bist, und
wie viel mehr Vorsicht Dir bey weit gerin-
gerer Tugend obliegt. Es ist eine schreck-
liche Wahrheit: Wer sich in Gefahr giebt,
kömmt in Gefahr um; aber sie ist wahr,
und wehe dem, an dem sie wahr wird!

Werde nicht unwillig, liebes Kind!
Jch bin Deine Mutter. Meine Zärtlichkeit
fürchtet villeicht zu viel; aber ich bin so
eifersüchtig auf Deine Tugend, als Du es
nur immer auf Deine Schönheit seyn magst.
Der geringste Flecken würde mich beküm-
mern. Du bleibst meine innig geliebte
Tochter, wenn Du Dich bestreben wirst,
durch eine behutsamere Aufführung alle

zu, daſs er nicht falle! Die Lieblinge Got-
tes, die Helden in der Tugend, ſind nicht
auſser Gefahr, und der Heilige ſelbſt hat
Urſach der Verſuchung aus dem Wege zu
gehen. Nun bedenke, meine gute Toch-
ter! wie viel näher Du der Gefahr biſt, und
wie viel mehr Vorſicht Dir bey weit gerin-
gerer Tugend obliegt. Es iſt eine ſchreck-
liche Wahrheit: Wer ſich in Gefahr giebt,
kömmt in Gefahr um; aber ſie iſt wahr,
und wehe dem, an dem ſie wahr wird!

Werde nicht unwillig, liebes Kind!
Jch bin Deine Mutter. Meine Zärtlichkeit
fürchtet villeicht zu viel; aber ich bin ſo
eiferſüchtig auf Deine Tugend, als Du es
nur immer auf Deine Schönheit ſeyn magſt.
Der geringſte Flecken würde mich beküm-
mern. Du bleibſt meine innig geliebte
Tochter, wenn Du Dich beſtreben wirſt,
durch eine behutſamere Aufführung alle

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0094" n="86"/>
zu, da&#x017F;s er nicht falle! Die Lieblinge Got-<lb/>
tes, die Helden in der Tugend, &#x017F;ind nicht<lb/>
au&#x017F;ser Gefahr, und der Heilige &#x017F;elb&#x017F;t hat<lb/>
Ur&#x017F;ach der Ver&#x017F;uchung aus dem Wege zu<lb/>
gehen. Nun bedenke, meine gute Toch-<lb/>
ter! wie viel näher Du der Gefahr bi&#x017F;t, und<lb/>
wie viel mehr Vor&#x017F;icht Dir bey weit gerin-<lb/>
gerer Tugend obliegt. Es i&#x017F;t eine &#x017F;chreck-<lb/>
liche Wahrheit: Wer &#x017F;ich in Gefahr giebt,<lb/>
kömmt in Gefahr um; aber &#x017F;ie i&#x017F;t wahr,<lb/>
und wehe dem, an dem &#x017F;ie wahr wird!</p><lb/>
            <p>Werde nicht unwillig, liebes Kind!<lb/>
Jch bin Deine Mutter. Meine Zärtlichkeit<lb/>
fürchtet villeicht zu viel; aber ich bin &#x017F;o<lb/>
eifer&#x017F;üchtig auf Deine Tugend, als Du es<lb/>
nur immer auf Deine Schönheit &#x017F;eyn mag&#x017F;t.<lb/>
Der gering&#x017F;te Flecken würde mich beküm-<lb/>
mern. Du bleib&#x017F;t meine innig geliebte<lb/>
Tochter, wenn Du Dich be&#x017F;treben wir&#x017F;t,<lb/>
durch eine behut&#x017F;amere <choice><sic>Aufführnng</sic><corr>Aufführung</corr></choice> alle<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0094] zu, daſs er nicht falle! Die Lieblinge Got- tes, die Helden in der Tugend, ſind nicht auſser Gefahr, und der Heilige ſelbſt hat Urſach der Verſuchung aus dem Wege zu gehen. Nun bedenke, meine gute Toch- ter! wie viel näher Du der Gefahr biſt, und wie viel mehr Vorſicht Dir bey weit gerin- gerer Tugend obliegt. Es iſt eine ſchreck- liche Wahrheit: Wer ſich in Gefahr giebt, kömmt in Gefahr um; aber ſie iſt wahr, und wehe dem, an dem ſie wahr wird! Werde nicht unwillig, liebes Kind! Jch bin Deine Mutter. Meine Zärtlichkeit fürchtet villeicht zu viel; aber ich bin ſo eiferſüchtig auf Deine Tugend, als Du es nur immer auf Deine Schönheit ſeyn magſt. Der geringſte Flecken würde mich beküm- mern. Du bleibſt meine innig geliebte Tochter, wenn Du Dich beſtreben wirſt, durch eine behutſamere Aufführung alle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/94
Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/94>, abgerufen am 24.11.2024.