Seele; willkommen dem Erkenntnißbegie- rigen, der auch hier oft einen unentdeck- ten Stern sieht, oder auch, wo er ihn in der leeren Tiefe nicht sieht, mit einer Art von Vergnügen vermuthet; willkommen dem Tugendfreunde, dem du die sinkenden Flügel erhebst; willkommen auch mir, den die Nacht einsamer Wälder, wie einst den malerischen Sänger der Alpen, deinen Lieb- ling, zu ernsten Gedanken begeistert. --
Es kömmt eine Zeit, und villeicht ist sie näher, als ich jetzt glaube, da ich nicht in dieser sichtbaren Gestalt mehr diesen bluhmichten Fußsteig betrete; da diese romantische Wildniß sich nicht mehr in diesen Augen abbilden, da dieser erfri- schende Schatten mich nicht mehr mit ei- nem süßen Troste durchschauern wird. Die Zeit kömmt gewiß, da man mich, wie den Bettler, der an der Landstraße starb,
(II. Theil.) G
Seele; willkommen dem Erkenntnißbegie- rigen, der auch hier oft einen unentdeck- ten Stern ſieht, oder auch, wo er ihn in der leeren Tiefe nicht ſieht, mit einer Art von Vergnügen vermuthet; willkommen dem Tugendfreunde, dem du die ſinkenden Flügel erhebſt; willkommen auch mir, den die Nacht einſamer Wälder, wie einſt den maleriſchen Sänger der Alpen, deinen Lieb- ling, zu ernſten Gedanken begeiſtert. —
Es kömmt eine Zeit, und villeicht iſt ſie näher, als ich jetzt glaube, da ich nicht in dieſer ſichtbaren Geſtalt mehr dieſen bluhmichten Fußſteig betrete; da dieſe romantiſche Wildniß ſich nicht mehr in dieſen Augen abbilden, da dieſer erfri- ſchende Schatten mich nicht mehr mit ei- nem ſüßen Troſte durchſchauern wird. Die Zeit kömmt gewiß, da man mich, wie den Bettler, der an der Landſtraße ſtarb,
(II. Theil.) G
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Seele; willkommen dem Erkenntnißbegie-
rigen, der auch hier oft einen unentdeck-
ten Stern ſieht, oder auch, wo er ihn in
der leeren Tiefe nicht ſieht, mit einer Art
von Vergnügen vermuthet; willkommen
dem Tugendfreunde, dem du die ſinkenden
Flügel erhebſt; willkommen auch mir, den
die Nacht einſamer Wälder, wie einſt den
maleriſchen Sänger der Alpen, deinen Lieb-
ling, zu ernſten Gedanken begeiſtert. —
Es kömmt eine Zeit, und villeicht iſt
ſie näher, als ich jetzt glaube, da ich nicht
in dieſer ſichtbaren Geſtalt mehr dieſen
bluhmichten Fußſteig betrete; da dieſe
romantiſche Wildniß ſich nicht mehr in
dieſen Augen abbilden, da dieſer erfri-
ſchende Schatten mich nicht mehr mit ei-
nem ſüßen Troſte durchſchauern wird.
Die Zeit kömmt gewiß, da man mich, wie
den Bettler, der an der Landſtraße ſtarb,
(II. Theil.) G
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/103>, abgerufen am 16.02.2025.
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