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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775.

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Schein blenden laßen; dass nicht alles Gold
sey was gleißt; Schönheit sey oft nur die
Bekleidung eines Ungeheuers; der ansehn-
lichste Apfel könne einen schädlichen
Wurm enthalten, -- und was derglei-
chen Brocken aus dem Kodex der Alltags-
erfahrungen mehr sind. -- Weg damit!
Sie haben mich lange schon an eine andre
Sprache gewöhnt und ich sage ihnen so
gern etwas, das ihr Herz in seinen süßen
Wallungen erhalten und ihre Stirn von
einem jeden Wölkchen befreyen kann.
Schönheit ist ein Vorzug beyder Geschlech-
ter und dann vorzüglich des unsrigen,
wann sie nicht sowohl Zärtlichkeit als Stär-
ke andeutet, wann sie der Gesundheit Fol-
ge ist, wann sie nicht ängstlich gesucht,
wann sie nicht durch die Mittel der Kunst
vermehrt, wann sie nicht allzusorgfältig
unterhalten wird. Sie haben ein Auge

Schein blenden laßen; daſs nicht alles Gold
ſey was gleißt; Schönheit ſey oft nur die
Bekleidung eines Ungeheuers; der anſehn-
lichſte Apfel könne einen ſchädlichen
Wurm enthalten, — und was derglei-
chen Brocken aus dem Kodex der Alltags-
erfahrungen mehr ſind. — Weg damit!
Sie haben mich lange ſchon an eine andre
Sprache gewöhnt und ich ſage ihnen ſo
gern etwas, das ihr Herz in ſeinen ſüßen
Wallungen erhalten und ihre Stirn von
einem jeden Wölkchen befreyen kann.
Schönheit iſt ein Vorzug beyder Geſchlech-
ter und dann vorzüglich des unſrigen,
wann ſie nicht ſowohl Zärtlichkeit als Stär-
ke andeutet, wann ſie der Geſundheit Fol-
ge iſt, wann ſie nicht ängſtlich geſucht,
wann ſie nicht durch die Mittel der Kunſt
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unterhalten wird. Sie haben ein Auge

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[172/0178] Schein blenden laßen; daſs nicht alles Gold ſey was gleißt; Schönheit ſey oft nur die Bekleidung eines Ungeheuers; der anſehn- lichſte Apfel könne einen ſchädlichen Wurm enthalten, — und was derglei- chen Brocken aus dem Kodex der Alltags- erfahrungen mehr ſind. — Weg damit! Sie haben mich lange ſchon an eine andre Sprache gewöhnt und ich ſage ihnen ſo gern etwas, das ihr Herz in ſeinen ſüßen Wallungen erhalten und ihre Stirn von einem jeden Wölkchen befreyen kann. Schönheit iſt ein Vorzug beyder Geſchlech- ter und dann vorzüglich des unſrigen, wann ſie nicht ſowohl Zärtlichkeit als Stär- ke andeutet, wann ſie der Geſundheit Fol- ge iſt, wann ſie nicht ängſtlich geſucht, wann ſie nicht durch die Mittel der Kunſt vermehrt, wann ſie nicht allzuſorgfältig unterhalten wird. Sie haben ein Auge

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Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/178>, abgerufen am 21.11.2024.