sers jungen Herrn, der, nach einem zehn- jährigen Unterrichte, doch so viel von ihm lernete, dass er einen leserlichen Brief schreiben, die mehresten Hauspostillen, wenn sie nicht mit allzuvielen Lateinischen Floskeln ausgeschmückt waren. geläufig weglesen, und auf einem Familienklaviere einen leichten Choral, eine Passepied, eine Murki und dergleichen, ohne sonderlichen Anstoß wegspielen konnte. Unser Iunker war sonst eine ganz gute Art von einem jungen Menschen. That er nicht viel Gu- tes, so that er doch auch gewiß nicht viel Böses. Er hatte wenig eigne Meynungen; hatte er sich aber einmal von einer Sache überredet, so war es mehrentheils un- möglich ihn auf andre Gedanken zu brin- gen. In der Wirthschaft suchte er seines Gleichen, und da er von den mehresten Ausschweiffungen junger Leute keinen Be-
ſers jungen Herrn, der, nach einem zehn- jährigen Unterrichte, doch ſo viel von ihm lernete, daſs er einen leſerlichen Brief ſchreiben, die mehreſten Hauspoſtillen, wenn ſie nicht mit allzuvielen Lateiniſchen Floskeln ausgeſchmückt waren. geläufig wegleſen, und auf einem Familienklaviere einen leichten Choral, eine Paſſepied, eine Murki und dergleichen, ohne ſonderlichen Anſtoß wegſpielen konnte. Unſer Iunker war ſonſt eine ganz gute Art von einem jungen Menſchen. That er nicht viel Gu- tes, ſo that er doch auch gewiß nicht viel Böſes. Er hatte wenig eigne Meynungen; hatte er ſich aber einmal von einer Sache überredet, ſo war es mehrentheils un- möglich ihn auf andre Gedanken zu brin- gen. In der Wirthſchaft ſuchte er ſeines Gleichen, und da er von den mehreſten Ausſchweiffungen junger Leute keinen Be-
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[15/0021]
ſers jungen Herrn, der, nach einem zehn-
jährigen Unterrichte, doch ſo viel von ihm
lernete, daſs er einen leſerlichen Brief
ſchreiben, die mehreſten Hauspoſtillen,
wenn ſie nicht mit allzuvielen Lateiniſchen
Floskeln ausgeſchmückt waren. geläufig
wegleſen, und auf einem Familienklaviere
einen leichten Choral, eine Paſſepied, eine
Murki und dergleichen, ohne ſonderlichen
Anſtoß wegſpielen konnte. Unſer Iunker
war ſonſt eine ganz gute Art von einem
jungen Menſchen. That er nicht viel Gu-
tes, ſo that er doch auch gewiß nicht viel
Böſes. Er hatte wenig eigne Meynungen;
hatte er ſich aber einmal von einer Sache
überredet, ſo war es mehrentheils un-
möglich ihn auf andre Gedanken zu brin-
gen. In der Wirthſchaft ſuchte er ſeines
Gleichen, und da er von den mehreſten
Ausſchweiffungen junger Leute keinen Be-
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/21>, abgerufen am 21.11.2024.
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