Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

davon aufsteht. Alle diese Leute würden
kaum Einmal im Iahre beten, wenn sie
nach ihrer Regel beten sollten. --

Ganz recht! sie befinden sich in einem
Zustande, der nicht in der Regel; aber,
meines Erachtens ganz und gar nicht noth-
wendig ist. Einzelne Zerstreuungen kann
man im menschlichen Leben nicht verhü-
ten; wohl aber das Immerzerstreutseyn.
Die beste Probe für einen Menschen von
einiger Erziehung: ob er mit Verstand be-
ten könne? -- ist: Wenn er es zuwei-
len versucht mit eignen Worten zu beten.
Ich bin nicht wider gute Gebetsformeln.
Allein wenn sie uns zu geläufig werden, so
verursachen sie zuletzt die schädliche Ge-
dankenlosigkeit, die hier so übel ange-
bracht ist. Das Vaterunser selbst sollte
nicht für eine nothwendige Zuthat einer

davon aufſteht. Alle dieſe Leute würden
kaum Einmal im Iahre beten, wenn ſie
nach ihrer Regel beten ſollten. —

Ganz recht! ſie befinden ſich in einem
Zuſtande, der nicht in der Regel; aber,
meines Erachtens ganz und gar nicht noth-
wendig iſt. Einzelne Zerſtreuungen kann
man im menſchlichen Leben nicht verhü-
ten; wohl aber das Immerzerſtreutſeyn.
Die beſte Probe für einen Menſchen von
einiger Erziehung: ob er mit Verſtand be-
ten könne? — iſt: Wenn er es zuwei-
len verſucht mit eignen Worten zu beten.
Ich bin nicht wider gute Gebetsformeln.
Allein wenn ſie uns zu geläufig werden, ſo
verurſachen ſie zuletzt die ſchädliche Ge-
dankenloſigkeit, die hier ſo übel ange-
bracht iſt. Das Vaterunſer ſelbſt ſollte
nicht für eine nothwendige Zuthat einer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0232" n="226"/>
davon auf&#x017F;teht. Alle die&#x017F;e Leute würden<lb/>
kaum Einmal im Iahre beten, wenn &#x017F;ie<lb/>
nach ihrer Regel beten &#x017F;ollten. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ganz recht! &#x017F;ie befinden &#x017F;ich in einem<lb/>
Zu&#x017F;tande, der nicht in der Regel; aber,<lb/>
meines Erachtens ganz und gar nicht noth-<lb/>
wendig i&#x017F;t. Einzelne Zer&#x017F;treuungen kann<lb/>
man im men&#x017F;chlichen Leben nicht verhü-<lb/>
ten; wohl aber das Immerzer&#x017F;treut&#x017F;eyn.<lb/>
Die be&#x017F;te Probe für einen Men&#x017F;chen von<lb/>
einiger Erziehung: ob er mit Ver&#x017F;tand be-<lb/>
ten könne? &#x2014; i&#x017F;t: Wenn er es zuwei-<lb/>
len ver&#x017F;ucht mit eignen Worten zu beten.<lb/>
Ich bin nicht wider gute Gebetsformeln.<lb/>
Allein wenn &#x017F;ie uns zu geläufig werden, &#x017F;o<lb/>
verur&#x017F;achen &#x017F;ie zuletzt die &#x017F;chädliche Ge-<lb/>
dankenlo&#x017F;igkeit, die hier &#x017F;o übel ange-<lb/>
bracht i&#x017F;t. Das Vaterun&#x017F;er &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ollte<lb/>
nicht für eine nothwendige Zuthat einer<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[226/0232] davon aufſteht. Alle dieſe Leute würden kaum Einmal im Iahre beten, wenn ſie nach ihrer Regel beten ſollten. — Ganz recht! ſie befinden ſich in einem Zuſtande, der nicht in der Regel; aber, meines Erachtens ganz und gar nicht noth- wendig iſt. Einzelne Zerſtreuungen kann man im menſchlichen Leben nicht verhü- ten; wohl aber das Immerzerſtreutſeyn. Die beſte Probe für einen Menſchen von einiger Erziehung: ob er mit Verſtand be- ten könne? — iſt: Wenn er es zuwei- len verſucht mit eignen Worten zu beten. Ich bin nicht wider gute Gebetsformeln. Allein wenn ſie uns zu geläufig werden, ſo verurſachen ſie zuletzt die ſchädliche Ge- dankenloſigkeit, die hier ſo übel ange- bracht iſt. Das Vaterunſer ſelbſt ſollte nicht für eine nothwendige Zuthat einer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/232
Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/232>, abgerufen am 21.11.2024.