Freuden, zu einer immerwährenden Ein- samkeit verurtheilt. Ich besuchte sie zwar täglich, und bemühte mich, so gut ich konnte, sie bey getrostem Muthe zu erhal- ten; ich konnt' es aber nicht hindern, dass nicht der Kummer nach und nach ihr gan- zes Herz erfüllt, ihren Körper geschwächt, und ihre sonst so feste Gesundheit zerrüt- tet haben sollte. Ihre Schwangerschaft trug nicht wenig zur Vermehrung die- ser Uebel bey, und eine schwere Geburt brachte sie so weit herab, dass ich sie von der Zeit an für verloren hielt. Der Iun- ker, den ich, seines Widerwillens unge- achtet, so oft ich ihn sprach von seiner Frau unterhielt, konnte durch alle diese Umstände zu keinem Mitleiden bewogen werden. Er erklärte mehr als Einmal: Das alles sey Verstellung von seiner Frau, die er besser kenne; oder Erfindung von
(II. Theil.) E
Freuden, zu einer immerwährenden Ein- ſamkeit verurtheilt. Ich beſuchte ſie zwar täglich, und bemühte mich, ſo gut ich konnte, ſie bey getroſtem Muthe zu erhal- ten; ich konnt’ es aber nicht hindern, daſs nicht der Kummer nach und nach ihr gan- zes Herz erfüllt, ihren Körper geſchwächt, und ihre ſonſt ſo feſte Geſundheit zerrüt- tet haben ſollte. Ihre Schwangerſchaft trug nicht wenig zur Vermehrung die- ſer Uebel bey, und eine ſchwere Geburt brachte ſie ſo weit herab, daſs ich ſie von der Zeit an für verloren hielt. Der Iun- ker, den ich, ſeines Widerwillens unge- achtet, ſo oft ich ihn ſprach von ſeiner Frau unterhielt, konnte durch alle dieſe Umſtände zu keinem Mitleiden bewogen werden. Er erklärte mehr als Einmal: Das alles ſey Verſtellung von ſeiner Frau, die er beſſer kenne; oder Erfindung von
(II. Theil.) E
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Freuden, zu einer immerwährenden Ein-
ſamkeit verurtheilt. Ich beſuchte ſie zwar
täglich, und bemühte mich, ſo gut ich
konnte, ſie bey getroſtem Muthe zu erhal-
ten; ich konnt’ es aber nicht hindern, daſs
nicht der Kummer nach und nach ihr gan-
zes Herz erfüllt, ihren Körper geſchwächt,
und ihre ſonſt ſo feſte Geſundheit zerrüt-
tet haben ſollte. Ihre Schwangerſchaft
trug nicht wenig zur Vermehrung die-
ſer Uebel bey, und eine ſchwere Geburt
brachte ſie ſo weit herab, daſs ich ſie von
der Zeit an für verloren hielt. Der Iun-
ker, den ich, ſeines Widerwillens unge-
achtet, ſo oft ich ihn ſprach von ſeiner
Frau unterhielt, konnte durch alle dieſe
Umſtände zu keinem Mitleiden bewogen
werden. Er erklärte mehr als Einmal:
Das alles ſey Verſtellung von ſeiner Frau,
die er beſſer kenne; oder Erfindung von
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/71>, abgerufen am 24.11.2024.
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