unternahm. Die Erziehung seines Sohnes wäre auch mein eigentliches Geschäfft ge- worden, wenn es nicht der Vorsehung ge- fallen hätte, ihn, da er kaum das zweyte Iahr seines Lebens erfüllt hatte, von der Welt zu nehmen. Dieser zweyte Schlag traf den Iunker auf das empfindlichste. Die alten Wunden wurden dadurch wie- der aufgerißen, und, wie er selbst sagte, unheilbar gemacht. Er verfiel bald in ei- ne finstre Melancholie, die ich, mit aller meiner Bemühung, nicht zu vertreiben vermochte. Einige Wochen vor seinem Ende disponirte er über seine ausstehende Kapitalien, die zu allerhand milden Stif- tungen verwandt wurden. Die Zinsen von tausend Thalern legte er der Pfarre bey, unter der Bedingung: dass seine Ge- schichte dafür in beständigem Andenken erhalten und von dem jedesmaligen Predi-
unternahm. Die Erziehung ſeines Sohnes wäre auch mein eigentliches Geſchäfft ge- worden, wenn es nicht der Vorſehung ge- fallen hätte, ihn, da er kaum das zweyte Iahr ſeines Lebens erfüllt hatte, von der Welt zu nehmen. Dieſer zweyte Schlag traf den Iunker auf das empfindlichſte. Die alten Wunden wurden dadurch wie- der aufgerißen, und, wie er ſelbſt ſagte, unheilbar gemacht. Er verfiel bald in ei- ne finſtre Melancholie, die ich, mit aller meiner Bemühung, nicht zu vertreiben vermochte. Einige Wochen vor ſeinem Ende diſponirte er über ſeine ausſtehende Kapitalien, die zu allerhand milden Stif- tungen verwandt wurden. Die Zinſen von tauſend Thalern legte er der Pfarre bey, unter der Bedingung: daſs ſeine Ge- ſchichte dafür in beſtändigem Andenken erhalten und von dem jedesmaligen Predi-
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unternahm. Die Erziehung ſeines Sohnes
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worden, wenn es nicht der Vorſehung ge-
fallen hätte, ihn, da er kaum das zweyte
Iahr ſeines Lebens erfüllt hatte, von der
Welt zu nehmen. Dieſer zweyte Schlag
traf den Iunker auf das empfindlichſte.
Die alten Wunden wurden dadurch wie-
der aufgerißen, und, wie er ſelbſt ſagte,
unheilbar gemacht. Er verfiel bald in ei-
ne finſtre Melancholie, die ich, mit aller
meiner Bemühung, nicht zu vertreiben
vermochte. Einige Wochen vor ſeinem
Ende diſponirte er über ſeine ausſtehende
Kapitalien, die zu allerhand milden Stif-
tungen verwandt wurden. Die Zinſen
von tauſend Thalern legte er der Pfarre
bey, unter der Bedingung: daſs ſeine Ge-
ſchichte dafür in beſtändigem Andenken
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/78>, abgerufen am 24.11.2024.
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