Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Über den Bildungstrieb. Göttingen, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

So z. B. die durchgehends bestä-
tigte Erfahrung, dass sich auch
dem bewaffnetesten Auge doch nie
sogleich - sondern immer erst ei-
ne geraume, zum Theil beträchtlich
lange Zeit, nach der Befruchtung
die erste Spur des neuempfangnen
Menschen oder Thiers, oder Ge-
wächses zeigt. Es lohnt sich nicht
der Mühe, jetzt noch die fabelhaf-
ten Sagen des Hippocrates und so
vieler nachherigen guten Alten zu
rügen, die in den ersten Tagen
nach der Empfängniss schon völlig
kenntliche ausgebildete menschliche
Leibesfrüchte gesehen zu haben
meinten. Sie werden bey den we-
nigen Hülfsmitteln und der seltnen
Gelegenheit in jenen Zeiten um so
verzeihlicher, wenn man bedenkt
dass selbst neuere Aerzte von un-
gleich mehr ausgebreiteter Erfah-
rung in diesem Fache, noch ähnli-
che solche Behauptungen gewagt
haben. So hat uns Mauriceau mit

So z. B. die durchgehends bestä-
tigte Erfahrung, dass sich auch
dem bewaffnetesten Auge doch nie
sogleich – sondern immer erst ei-
ne geraume, zum Theil beträchtlich
lange Zeit, nach der Befruchtung
die erste Spur des neuempfangnen
Menschen oder Thiers, oder Ge-
wächses zeigt. Es lohnt sich nicht
der Mühe, jetzt noch die fabelhaf-
ten Sagen des Hippocrates und so
vieler nachherigen guten Alten zu
rügen, die in den ersten Tagen
nach der Empfängniss schon völlig
kenntliche ausgebildete menschliche
Leibesfrüchte gesehen zu haben
meinten. Sie werden bey den we-
nigen Hülfsmitteln und der seltnen
Gelegenheit in jenen Zeiten um so
verzeihlicher, wenn man bedenkt
dass selbst neuere Aerzte von un-
gleich mehr ausgebreiteter Erfah-
rung in diesem Fache, noch ähnli-
che solche Behauptungen gewagt
haben. So hat uns Mauriceau mit

<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000056">
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0071" xml:id="pb067_0001" n="67"/>
So z. B. die durchgehends  bestä-<lb/>
tigte Erfahrung, dass sich auch<lb/>
dem bewaffnetesten  Auge doch nie<lb/>
sogleich &#x2013; sondern immer erst ei-<lb/>
ne  geraume, zum Theil beträchtlich<lb/>
lange Zeit, nach der Befruchtung<lb/>
die  erste Spur des neuempfangnen<lb/>
Menschen oder Thiers, oder Ge-<lb/>
wächses zeigt. Es lohnt sich nicht<lb/>
der Mühe, jetzt noch die fabelhaf-<lb type="inWord"/>
ten Sagen des <hi rendition="#k">Hippocrates</hi> und  so<lb/>
vieler nachherigen guten Alten zu<lb/>
rügen, die in den ersten  Tagen<lb/>
nach der Empfängniss schon völlig<lb/>
kenntliche ausgebildete  menschliche<lb/>
Leibesfrüchte gesehen zu haben<lb/>
meinten. Sie werden bey den  we-<lb/>
nigen Hülfsmitteln und der seltnen<lb/>
Gelegenheit in  jenen Zeiten um so<lb/>
verzeihlicher, wenn man bedenkt<lb/>
dass selbst neuere  Aerzte von un-<lb/>
gleich mehr ausgebreiteter Erfah-<lb type="inWord"/>
rung in diesem Fache, noch ähnli-<lb/>
che solche  Behauptungen gewagt<lb/>
haben. So hat uns <hi rendition="#k">Mauriceau</hi> mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0071] So z. B. die durchgehends bestä- tigte Erfahrung, dass sich auch dem bewaffnetesten Auge doch nie sogleich – sondern immer erst ei- ne geraume, zum Theil beträchtlich lange Zeit, nach der Befruchtung die erste Spur des neuempfangnen Menschen oder Thiers, oder Ge- wächses zeigt. Es lohnt sich nicht der Mühe, jetzt noch die fabelhaf- ten Sagen des Hippocrates und so vieler nachherigen guten Alten zu rügen, die in den ersten Tagen nach der Empfängniss schon völlig kenntliche ausgebildete menschliche Leibesfrüchte gesehen zu haben meinten. Sie werden bey den we- nigen Hülfsmitteln und der seltnen Gelegenheit in jenen Zeiten um so verzeihlicher, wenn man bedenkt dass selbst neuere Aerzte von un- gleich mehr ausgebreiteter Erfah- rung in diesem Fache, noch ähnli- che solche Behauptungen gewagt haben. So hat uns Mauriceau mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_bildungstrieb_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_bildungstrieb_1791/71
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über den Bildungstrieb. Göttingen, 1791, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_bildungstrieb_1791/71>, abgerufen am 24.11.2024.