Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Kleine Schriften zur vergleichenden Physiologie und Anatomie und Naturgeschichte gehörig. Übers. und hrsg. D. Joh. Gottfr. Gruber. Leipzig, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

mein bekannte Sache, daß man sich wahr-
haftig nicht genug wundern kann, wie in
unsern Zeiten ein Spallanzani den Irr-
thum eines ehrlichen gelehrten Töpfers
Bern. Palissy, welcher behauptete, daß
die Vögel sie nicht absichtlich, sondern aus
Unvorsichtigkeit und Dummheit verschlän-
gen, auf guten Glauben nachbeten konnte.
Es verdrüßt mich beinahe zur Widerlegung
eines so paradoxen Irrthums die gemein-
sten Beobachtungen anzuführen, daß die
Vögel z. B. die Sandsteinchen, welche sie
aussuchen, mit der Zunge prüfen, und sie,
wenn sie nichts Rauhes daran spüren,
wieder wegwerfen; und daß die Hüner,
wenn sie ihres verschlossenen Aufenthalts
halber, dieses mechanischen Verdauungs-
mittels entbehren, alles Ueberflusses von
Speisevorrath unerachtet, doch mager und
fast dürrsichtig (atrophicae) werden. Aus
diesem Grunde nimmt man auch, wenig-
stens auf englischen Schiffen, die nach In-
dien gehen, nicht allein einen Vorrath von
Gerste, sondern auch von solchen Sand-
steinchen mit, und bringt an den Hüner-

mein bekannte Sache, daß man sich wahr-
haftig nicht genug wundern kann, wie in
unsern Zeiten ein Spallanzani den Irr-
thum eines ehrlichen gelehrten Töpfers
Bern. Palissy, welcher behauptete, daß
die Vögel sie nicht absichtlich, sondern aus
Unvorsichtigkeit und Dummheit verschlän-
gen, auf guten Glauben nachbeten konnte.
Es verdrüßt mich beinahe zur Widerlegung
eines so paradoxen Irrthums die gemein-
sten Beobachtungen anzuführen, daß die
Vögel z. B. die Sandsteinchen, welche sie
aussuchen, mit der Zunge prüfen, und sie,
wenn sie nichts Rauhes daran spüren,
wieder wegwerfen; und daß die Hüner,
wenn sie ihres verschlossenen Aufenthalts
halber, dieses mechanischen Verdauungs-
mittels entbehren, alles Ueberflusses von
Speisevorrath unerachtet, doch mager und
fast dürrsichtig (atrophicae) werden. Aus
diesem Grunde nimmt man auch, wenig-
stens auf englischen Schiffen, die nach In-
dien gehen, nicht allein einen Vorrath von
Gerste, sondern auch von solchen Sand-
steinchen mit, und bringt an den Hüner-

<TEI>
  <text xml:id="blume000148">
    <body>
      <div type="part" n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0055" xml:id="pb043_0001" n="43"/>
mein bekannte Sache, daß man sich wahr-<lb/>
haftig nicht genug wundern kann, wie in<lb/>
unsern Zeiten ein <hi rendition="#g">Spallanzani</hi> den Irr-<lb/>
thum eines ehrlichen gelehrten Töpfers<lb/><hi rendition="#g">Bern. Palissy</hi>, welcher behauptete, daß<lb/>
die Vögel sie nicht absichtlich, sondern aus<lb/>
Unvorsichtigkeit und Dummheit verschlän-<lb/>
gen, auf guten Glauben nachbeten konnte.<lb/>
Es verdrüßt mich beinahe zur Widerlegung<lb/>
eines so paradoxen Irrthums die gemein-<lb/>
sten Beobachtungen anzuführen, daß die<lb/>
Vögel z. B. die Sandsteinchen, welche sie<lb/>
aussuchen, mit der Zunge prüfen, und sie,<lb/>
wenn sie nichts Rauhes daran spüren,<lb/>
wieder wegwerfen; und daß die Hüner,<lb/>
wenn sie ihres verschlossenen Aufenthalts<lb/>
halber, dieses mechanischen Verdauungs-<lb/>
mittels entbehren, alles Ueberflusses von<lb/>
Speisevorrath unerachtet, doch mager und<lb/>
fast dürrsichtig (<hi rendition="#aq">atrophicae</hi>) werden. Aus<lb/>
diesem Grunde nimmt man auch, wenig-<lb/>
stens auf englischen Schiffen, die nach In-<lb/>
dien gehen, nicht allein einen Vorrath von<lb/>
Gerste, sondern auch von solchen Sand-<lb/>
steinchen mit, und bringt an den Hüner-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0055] mein bekannte Sache, daß man sich wahr- haftig nicht genug wundern kann, wie in unsern Zeiten ein Spallanzani den Irr- thum eines ehrlichen gelehrten Töpfers Bern. Palissy, welcher behauptete, daß die Vögel sie nicht absichtlich, sondern aus Unvorsichtigkeit und Dummheit verschlän- gen, auf guten Glauben nachbeten konnte. Es verdrüßt mich beinahe zur Widerlegung eines so paradoxen Irrthums die gemein- sten Beobachtungen anzuführen, daß die Vögel z. B. die Sandsteinchen, welche sie aussuchen, mit der Zunge prüfen, und sie, wenn sie nichts Rauhes daran spüren, wieder wegwerfen; und daß die Hüner, wenn sie ihres verschlossenen Aufenthalts halber, dieses mechanischen Verdauungs- mittels entbehren, alles Ueberflusses von Speisevorrath unerachtet, doch mager und fast dürrsichtig (atrophicae) werden. Aus diesem Grunde nimmt man auch, wenig- stens auf englischen Schiffen, die nach In- dien gehen, nicht allein einen Vorrath von Gerste, sondern auch von solchen Sand- steinchen mit, und bringt an den Hüner-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_kleineschriften_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_kleineschriften_1800/55
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Kleine Schriften zur vergleichenden Physiologie und Anatomie und Naturgeschichte gehörig. Übers. und hrsg. D. Joh. Gottfr. Gruber. Leipzig, 1800, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_kleineschriften_1800/55>, abgerufen am 21.11.2024.