Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der andern Seite aber stößt man auch hin-
wiederum auf einen Punkt, wo man sieht, daß
mehrere dieser Ursachen zwar zusammenwirken, aber
sich gegenseitig aufheben; man sieht so verschiedent-
lich und vielfach, theils eine Geneigtheit, theils ein
Widerstreben der organischen Körper zur Verartung;
dann wieder eine verschiedne Wirkung jener Ursachen
auf diese Körper, in wiefern sie mittelbarer oder un-
mittelbarer auf sie wirken; und endlich die Verschie-
denheit dieser Wirkungen, wodurch sie einmal gleich-
sam in einer beharrlichen Bestandheit lange Reihen
von Zeugungen hindurch sich unversehrt erhalten,
und dann weit veränderlicher in einem kurzen Zeit-
raum sich wieder verwischen; daß man dieser vielar-
tigen und mannichfaltigen Beziehung halber bey Er-
örterung der Varietäten auch wieder die größte Vor-
sichtigkeit nöthig hat. Deshalb möchte ich wohl der
Ungeübteren halber beym Schlüsse dieser Abhandlung,
bevor wir zu den Menschenvarietäten selbst überge-
hen, wenigstens einige Hauptvorsichtigkeitsregeln,
die bey gegenwärtiger Untersuchung sehr in Erwä-
gung gezogen werden müssen, als Corollarien bey-
fügen.

1) Je mehrere Ursachen der Verartung ver-
eint zusammen kommen, und je länger sie auf
eine und dieselbe Thiergattung wirken, um desto
offenbarer wird diese von ihrer Originalbildung
abweichen können.

In dieser Hinsicht kann man also kein Thier mit
dem Menschen vergleichen, dem Allverzehrer, der
unter jedem Himmelsstriche lebt, und vor allen an-

Von der andern Seite aber stößt man auch hin-
wiederum auf einen Punkt, wo man sieht, daß
mehrere dieser Ursachen zwar zusammenwirken, aber
sich gegenseitig aufheben; man sieht so verschiedent-
lich und vielfach, theils eine Geneigtheit, theils ein
Widerstreben der organischen Körper zur Verartung;
dann wieder eine verschiedne Wirkung jener Ursachen
auf diese Körper, in wiefern sie mittelbarer oder un-
mittelbarer auf sie wirken; und endlich die Verschie-
denheit dieser Wirkungen, wodurch sie einmal gleich-
sam in einer beharrlichen Bestandheit lange Reihen
von Zeugungen hindurch sich unversehrt erhalten,
und dann weit veränderlicher in einem kurzen Zeit-
raum sich wieder verwischen; daß man dieser vielar-
tigen und mannichfaltigen Beziehung halber bey Er-
örterung der Varietäten auch wieder die größte Vor-
sichtigkeit nöthig hat. Deshalb möchte ich wohl der
Ungeübteren halber beym Schlüsse dieser Abhandlung,
bevor wir zu den Menschenvarietäten selbst überge-
hen, wenigstens einige Hauptvorsichtigkeitsregeln,
die bey gegenwärtiger Untersuchung sehr in Erwä-
gung gezogen werden müssen, als Corollarien bey-
fügen.

1) Je mehrere Ursachen der Verartung ver-
eint zusammen kommen, und je länger sie auf
eine und dieselbe Thiergattung wirken, um desto
offenbarer wird diese von ihrer Originalbildung
abweichen können.

In dieser Hinsicht kann man also kein Thier mit
dem Menschen vergleichen, dem Allverzehrer, der
unter jedem Himmelsstriche lebt, und vor allen an-

<TEI>
  <text xml:id="blume000008">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0122" xml:id="pb088_0001" n="88"/>
          <p>Von der andern Seite aber stößt man auch hin-<lb/>
wiederum auf einen Punkt, wo man sieht, daß<lb/>
mehrere dieser Ursachen zwar zusammenwirken, aber<lb/>
sich gegenseitig aufheben; man sieht so verschiedent-<lb/>
lich und vielfach, theils eine Geneigtheit, theils ein<lb/>
Widerstreben der organischen Körper zur Verartung;<lb/>
dann wieder eine verschiedne Wirkung jener Ursachen<lb/>
auf diese Körper, in wiefern sie mittelbarer oder un-<lb/>
mittelbarer auf sie wirken; und endlich die Verschie-<lb/>
denheit dieser Wirkungen, wodurch sie einmal gleich-<lb/>
sam in einer beharrlichen Bestandheit lange Reihen<lb/>
von Zeugungen hindurch sich unversehrt erhalten,<lb/>
und dann weit veränderlicher in einem kurzen Zeit-<lb/>
raum sich wieder verwischen; daß man dieser vielar-<lb/>
tigen und mannichfaltigen Beziehung halber bey Er-<lb/>
örterung der Varietäten auch wieder die größte Vor-<lb/>
sichtigkeit nöthig hat. Deshalb möchte ich wohl der<lb/>
Ungeübteren halber beym Schlüsse dieser Abhandlung,<lb/>
bevor wir zu den Menschenvarietäten selbst überge-<lb/>
hen, wenigstens einige Hauptvorsichtigkeitsregeln,<lb/>
die bey gegenwärtiger Untersuchung sehr in Erwä-<lb/>
gung gezogen werden müssen, als Corollarien bey-<lb/>
fügen.</p>
          <p>1) Je mehrere Ursachen der Verartung ver-<lb/>
eint zusammen kommen, und je länger sie auf<lb/>
eine und dieselbe Thiergattung wirken, um desto<lb/>
offenbarer wird diese von ihrer Originalbildung<lb/>
abweichen können.</p>
          <p>In dieser Hinsicht kann man also kein Thier mit<lb/>
dem Menschen vergleichen, dem Allverzehrer, der<lb/>
unter jedem Himmelsstriche lebt, und vor allen an-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0122] Von der andern Seite aber stößt man auch hin- wiederum auf einen Punkt, wo man sieht, daß mehrere dieser Ursachen zwar zusammenwirken, aber sich gegenseitig aufheben; man sieht so verschiedent- lich und vielfach, theils eine Geneigtheit, theils ein Widerstreben der organischen Körper zur Verartung; dann wieder eine verschiedne Wirkung jener Ursachen auf diese Körper, in wiefern sie mittelbarer oder un- mittelbarer auf sie wirken; und endlich die Verschie- denheit dieser Wirkungen, wodurch sie einmal gleich- sam in einer beharrlichen Bestandheit lange Reihen von Zeugungen hindurch sich unversehrt erhalten, und dann weit veränderlicher in einem kurzen Zeit- raum sich wieder verwischen; daß man dieser vielar- tigen und mannichfaltigen Beziehung halber bey Er- örterung der Varietäten auch wieder die größte Vor- sichtigkeit nöthig hat. Deshalb möchte ich wohl der Ungeübteren halber beym Schlüsse dieser Abhandlung, bevor wir zu den Menschenvarietäten selbst überge- hen, wenigstens einige Hauptvorsichtigkeitsregeln, die bey gegenwärtiger Untersuchung sehr in Erwä- gung gezogen werden müssen, als Corollarien bey- fügen. 1) Je mehrere Ursachen der Verartung ver- eint zusammen kommen, und je länger sie auf eine und dieselbe Thiergattung wirken, um desto offenbarer wird diese von ihrer Originalbildung abweichen können. In dieser Hinsicht kann man also kein Thier mit dem Menschen vergleichen, dem Allverzehrer, der unter jedem Himmelsstriche lebt, und vor allen an-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/122
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/122>, abgerufen am 23.11.2024.