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Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

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haben, sich mit einem Querholze die Scheidewand
der Nase zu durchbohren, und die Nasenlöcher
gleichsam mit einem Riegel so zu verstopfen, daß sie
bloß mit offnem Munde Athem holen können. Es
ist also glaublich, daß jene Flachheit durch den be-
ständigen Druck dieses Querriegels nach und nach
entstehe.

Weit häufiger aber erleiden die flachen Knochen
der Hirnschaale durch einen langen Druck eine be-
sondere und zuweilen auch wohl nationale Umwand-
lung der Bildung, die sich entweder von der, ge-
wissen Nationen eignen, Sitte, die Kinder in
Wiegen zu legen, oder von einem gewaltsamen,
täglich absichtlich wiederhohlten Druck der Hand
herschreibt.

Daher zeichneten sich zu den Zeiten des Vesalius,
nach dessen Aussage die Teutschen mehrentheils durch
ein eingedrücktes Hinterhaupt und einen breiten
Kopf aus, weil die Knaben in der Wiege immer
auf dem Rücken lägen.

Den Holländern aber schrieb er länglichere
Köpfe als den übrigen zu, weil die Mütter ihre in
Windeln gewickelten Kinder gewöhnlich auf der Seite
und auf den Schläfen schlafen ließen.

Daher zeichnen sich die rohen amerikanischen
Völkerschaften um Nord-Karolina bis nach Neu-
Mexico hin, durch eine eingedrückte Hirnschaale aus,
welche sie den Kindern durch eine abschüssige Lage
in der Wiege zuziehen, in welcher sie mit dem Schei-

haben, sich mit einem Querholze die Scheidewand
der Nase zu durchbohren, und die Nasenlöcher
gleichsam mit einem Riegel so zu verstopfen, daß sie
bloß mit offnem Munde Athem holen können. Es
ist also glaublich, daß jene Flachheit durch den be-
ständigen Druck dieses Querriegels nach und nach
entstehe.

Weit häufiger aber erleiden die flachen Knochen
der Hirnschaale durch einen langen Druck eine be-
sondere und zuweilen auch wohl nationale Umwand-
lung der Bildung, die sich entweder von der, ge-
wissen Nationen eignen, Sitte, die Kinder in
Wiegen zu legen, oder von einem gewaltsamen,
täglich absichtlich wiederhohlten Druck der Hand
herschreibt.

Daher zeichneten sich zu den Zeiten des Vesalius,
nach dessen Aussage die Teutschen mehrentheils durch
ein eingedrücktes Hinterhaupt und einen breiten
Kopf aus, weil die Knaben in der Wiege immer
auf dem Rücken lägen.

Den Holländern aber schrieb er länglichere
Köpfe als den übrigen zu, weil die Mütter ihre in
Windeln gewickelten Kinder gewöhnlich auf der Seite
und auf den Schläfen schlafen ließen.

Daher zeichnen sich die rohen amerikanischen
Völkerschaften um Nord-Karolina bis nach Neu-
Mexico hin, durch eine eingedrückte Hirnschaale aus,
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in der Wiege zuziehen, in welcher sie mit dem Schei-

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[154/0188] haben, sich mit einem Querholze die Scheidewand der Nase zu durchbohren, und die Nasenlöcher gleichsam mit einem Riegel so zu verstopfen, daß sie bloß mit offnem Munde Athem holen können. Es ist also glaublich, daß jene Flachheit durch den be- ständigen Druck dieses Querriegels nach und nach entstehe. Weit häufiger aber erleiden die flachen Knochen der Hirnschaale durch einen langen Druck eine be- sondere und zuweilen auch wohl nationale Umwand- lung der Bildung, die sich entweder von der, ge- wissen Nationen eignen, Sitte, die Kinder in Wiegen zu legen, oder von einem gewaltsamen, täglich absichtlich wiederhohlten Druck der Hand herschreibt. Daher zeichneten sich zu den Zeiten des Vesalius, nach dessen Aussage die Teutschen mehrentheils durch ein eingedrücktes Hinterhaupt und einen breiten Kopf aus, weil die Knaben in der Wiege immer auf dem Rücken lägen. Den Holländern aber schrieb er länglichere Köpfe als den übrigen zu, weil die Mütter ihre in Windeln gewickelten Kinder gewöhnlich auf der Seite und auf den Schläfen schlafen ließen. Daher zeichnen sich die rohen amerikanischen Völkerschaften um Nord-Karolina bis nach Neu- Mexico hin, durch eine eingedrückte Hirnschaale aus, welche sie den Kindern durch eine abschüssige Lage in der Wiege zuziehen, in welcher sie mit dem Schei-

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/188>, abgerufen am 14.05.2024.