Menschen von einer so besondern Form des Kopfes, daß wir, wenn diese einem ganzen Volke gemein wäre, dasselbe mit allem Fug und Rechte unter die Verschiedenheiten des Menschengeschlechts setzen wür- den. Man hat sich also sehr in Acht zu nehmen, daß man eine ähnliche zufällige Verunstaltung an ei- nem ausländischen Schädel nicht für national hält; ein Irrthum, welchen man am besten dadurch ver- meidet, wenn man mehrere Schädel von einer und derselben Nation mit einander vergleicht.
4) Wo dies nicht statt findet, muß man we- nigstens Portraits vergleichen, denen entweder die gelehrte Hand des Künstlers, oder das Zeugniß ei- nes erfahrnen Richters, der Autopsie für sich hat, Glauben verschaff.
5) Hierher rechne ich auch, oder ziehe wohl gar noch vor, die Abbildungen, welche, obwohl sie keine Person darstellen, doch für den Charakter eines Volks ungemein viel beweisen, z. B. alte Siegel und ägyptische Götzenbilder, oder Mignaturen von jetzigen Sinesen, Kalmücken, nordamerikanischen Indianern u. s. w.
6) Und endlich wende ich mich an die Schrift- steller, hauptsächlich Reisebeschreiber, und mittle aus, in wie weit ihre Berichte mit der Natur selbst übereinstimmen.
1) Vgl. Labatvoyage aux de l'Amerique Ausg. 2. Th. 2. S. 243. fg. "Die gleichförmige Kleidung ist kein Hinderniß, daß man nicht sogleich die Karaiben von den Negern unterscheiden sollte, denn diese letzten haben krauses und feines Haar
Menschen von einer so besondern Form des Kopfes, daß wir, wenn diese einem ganzen Volke gemein wäre, dasselbe mit allem Fug und Rechte unter die Verschiedenheiten des Menschengeschlechts setzen wür- den. Man hat sich also sehr in Acht zu nehmen, daß man eine ähnliche zufällige Verunstaltung an ei- nem ausländischen Schädel nicht für national hält; ein Irrthum, welchen man am besten dadurch ver- meidet, wenn man mehrere Schädel von einer und derselben Nation mit einander vergleicht.
4) Wo dies nicht statt findet, muß man we- nigstens Portraits vergleichen, denen entweder die gelehrte Hand des Künstlers, oder das Zeugniß ei- nes erfahrnen Richters, der Autopsie für sich hat, Glauben verschaff.
5) Hierher rechne ich auch, oder ziehe wohl gar noch vor, die Abbildungen, welche, obwohl sie keine Person darstellen, doch für den Charakter eines Volks ungemein viel beweisen, z. B. alte Siegel und ägyptische Götzenbilder, oder Mignaturen von jetzigen Sinesen, Kalmücken, nordamerikanischen Indianern u. s. w.
6) Und endlich wende ich mich an die Schrift- steller, hauptsächlich Reisebeschreiber, und mittle aus, in wie weit ihre Berichte mit der Natur selbst übereinstimmen.
1) Vgl. Labatvoyage aux de l'Amérique Ausg. 2. Th. 2. S. 243. fg. „Die gleichförmige Kleidung ist kein Hinderniß, daß man nicht sogleich die Karaiben von den Negern unterscheiden sollte, denn diese letzten haben krauses und feines Haar
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Menschen von einer so besondern Form des Kopfes,
daß wir, wenn diese einem ganzen Volke gemein
wäre, dasselbe mit allem Fug und Rechte unter die
Verschiedenheiten des Menschengeschlechts setzen wür-
den. Man hat sich also sehr in Acht zu nehmen,
daß man eine ähnliche zufällige Verunstaltung an ei-
nem ausländischen Schädel nicht für national hält;
ein Irrthum, welchen man am besten dadurch ver-
meidet, wenn man mehrere Schädel von einer und
derselben Nation mit einander vergleicht.
4) Wo dies nicht statt findet, muß man we-
nigstens Portraits vergleichen, denen entweder die
gelehrte Hand des Künstlers, oder das Zeugniß ei-
nes erfahrnen Richters, der Autopsie für sich hat,
Glauben verschaff.
5) Hierher rechne ich auch, oder ziehe wohl
gar noch vor, die Abbildungen, welche, obwohl sie
keine Person darstellen, doch für den Charakter eines
Volks ungemein viel beweisen, z. B. alte Siegel
und ägyptische Götzenbilder, oder Mignaturen von
jetzigen Sinesen, Kalmücken, nordamerikanischen
Indianern u. s. w.
6) Und endlich wende ich mich an die Schrift-
steller, hauptsächlich Reisebeschreiber, und mittle
aus, in wie weit ihre Berichte mit der Natur selbst
übereinstimmen.
1) Vgl. Labat voyage aux de l'Amérique
Ausg. 2. Th. 2. S. 243. fg. „Die gleichförmige
Kleidung ist kein Hinderniß, daß man nicht sogleich
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Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/308>, abgerufen am 24.11.2024.
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