Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

dadurch anzudeuten, deren Ursachen doch auch in
eimmerischer Finsterniß begraben liegen r).

Wie also andere Lebenskräfte, wenn sie durch
ihre ihnen zukommenden Reize aufgeregt worden,
wirksam und zum Gegenwirken geschickt werden; so
wird auch der Bildungstrieb durch ihm entsprechende
Reize, z. B. durch das Eindringen der Wärme in
das bebrütete Ey, aufgeregt.

Da aber andere Lebenskräfte, als Elasticität,
Reizbarkeit u. s. f. bloß durch Bewegung sich äußern,
äußert sich diese hingegen, von welcher wir jetzt spre-
chen, durch Wachsthum, und daß sie der Materie
eine ihr bestimmte Form ertheilt; wodurch denn jede
Pflanze, jedes Thier (geschehe dies nun unmittel-
bar oder stufenweise durch allmähliges Hinzukom-
men oder Wechseln anderer Reize, durch Meta-
morphose) seine Gattung auf seine Jungen fort-
pflanzen kann.

Auf dreyfache Art aber kann der Bildungstrieb
von der ihm bestimmten Richtung und Norm abwei-
chen. Einmal durch die Hervorbringung von Miß-
geburten; (monstrosa fabrica) dann durch Erzeu-
gung von Bastarden (hybrida generatio), aus ei-
ner Mischung des Zeugungsstoffes verschiedener Gat-
tungen; und endlich durch Ausartung in eigentlich
sogenannte Verschiedenheiten.

Die Mißgeburten, wo die organischen Körper,
sey es nun durch Störung und gleichsam Verirrung
des Bildungstriebes, oder auch durch ungefähren
Zufal, als Pressung von außen, u. a. eine ganz

fehler-

dadurch anzudeuten, deren Urſachen doch auch in
eimmeriſcher Finſterniß begraben liegen r).

Wie alſo andere Lebenskraͤfte, wenn ſie durch
ihre ihnen zukommenden Reize aufgeregt worden,
wirkſam und zum Gegenwirken geſchickt werden; ſo
wird auch der Bildungstrieb durch ihm entſprechende
Reize, z. B. durch das Eindringen der Waͤrme in
das bebruͤtete Ey, aufgeregt.

Da aber andere Lebenskraͤfte, als Elaſticitaͤt,
Reizbarkeit u. ſ. f. bloß durch Bewegung ſich aͤußern,
aͤußert ſich dieſe hingegen, von welcher wir jetzt ſpre-
chen, durch Wachsthum, und daß ſie der Materie
eine ihr beſtimmte Form ertheilt; wodurch denn jede
Pflanze, jedes Thier (geſchehe dies nun unmittel-
bar oder ſtufenweiſe durch allmaͤhliges Hinzukom-
men oder Wechſeln anderer Reize, durch Meta-
morphoſe) ſeine Gattung auf ſeine Jungen fort-
pflanzen kann.

Auf dreyfache Art aber kann der Bildungstrieb
von der ihm beſtimmten Richtung und Norm abwei-
chen. Einmal durch die Hervorbringung von Miß-
geburten; (monſtroſa fabrica) dann durch Erzeu-
gung von Baſtarden (hybrida generatio), aus ei-
ner Miſchung des Zeugungsſtoffes verſchiedener Gat-
tungen; und endlich durch Ausartung in eigentlich
ſogenannte Verſchiedenheiten.

Die Mißgeburten, wo die organiſchen Koͤrper,
ſey es nun durch Stoͤrung und gleichſam Verirrung
des Bildungstriebes, oder auch durch ungefaͤhren
Zufal, als Preſſung von außen, u. a. eine ganz

fehler-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0105" n="71"/>
dadurch anzudeuten, deren Ur&#x017F;achen doch auch in<lb/>
eimmeri&#x017F;cher Fin&#x017F;terniß begraben liegen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">r</hi></hi>).</p><lb/>
          <p>Wie al&#x017F;o andere Lebenskra&#x0364;fte, wenn &#x017F;ie durch<lb/>
ihre ihnen zukommenden Reize aufgeregt worden,<lb/>
wirk&#x017F;am und zum Gegenwirken ge&#x017F;chickt werden; &#x017F;o<lb/>
wird auch der Bildungstrieb durch ihm ent&#x017F;prechende<lb/>
Reize, z. B. durch das Eindringen der Wa&#x0364;rme in<lb/>
das bebru&#x0364;tete Ey, aufgeregt.</p><lb/>
          <p>Da aber andere Lebenskra&#x0364;fte, als Ela&#x017F;ticita&#x0364;t,<lb/>
Reizbarkeit u. &#x017F;. f. bloß durch Bewegung &#x017F;ich a&#x0364;ußern,<lb/>
a&#x0364;ußert &#x017F;ich die&#x017F;e hingegen, von welcher wir jetzt &#x017F;pre-<lb/>
chen, durch Wachsthum, und daß &#x017F;ie der Materie<lb/>
eine ihr be&#x017F;timmte Form ertheilt; wodurch denn jede<lb/>
Pflanze, jedes Thier (ge&#x017F;chehe dies nun unmittel-<lb/>
bar oder &#x017F;tufenwei&#x017F;e durch allma&#x0364;hliges Hinzukom-<lb/>
men oder Wech&#x017F;eln anderer Reize, durch Meta-<lb/>
morpho&#x017F;e) &#x017F;eine Gattung auf &#x017F;eine Jungen fort-<lb/>
pflanzen kann.</p><lb/>
          <p>Auf dreyfache Art aber kann der Bildungstrieb<lb/>
von der ihm be&#x017F;timmten Richtung und Norm abwei-<lb/>
chen. Einmal durch die Hervorbringung von Miß-<lb/>
geburten; (<hi rendition="#aq">mon&#x017F;tro&#x017F;a fabrica</hi>) dann durch Erzeu-<lb/>
gung von Ba&#x017F;tarden (<hi rendition="#aq">hybrida generatio</hi>), aus ei-<lb/>
ner Mi&#x017F;chung des Zeugungs&#x017F;toffes ver&#x017F;chiedener Gat-<lb/>
tungen; und endlich durch Ausartung in eigentlich<lb/>
&#x017F;ogenannte Ver&#x017F;chiedenheiten.</p><lb/>
          <p>Die Mißgeburten, wo die organi&#x017F;chen Ko&#x0364;rper,<lb/>
&#x017F;ey es nun durch Sto&#x0364;rung und gleich&#x017F;am Verirrung<lb/>
des Bildungstriebes, oder auch durch ungefa&#x0364;hren<lb/>
Zufal, als Pre&#x017F;&#x017F;ung von außen, u. a. eine ganz<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fehler-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0105] dadurch anzudeuten, deren Urſachen doch auch in eimmeriſcher Finſterniß begraben liegen r). Wie alſo andere Lebenskraͤfte, wenn ſie durch ihre ihnen zukommenden Reize aufgeregt worden, wirkſam und zum Gegenwirken geſchickt werden; ſo wird auch der Bildungstrieb durch ihm entſprechende Reize, z. B. durch das Eindringen der Waͤrme in das bebruͤtete Ey, aufgeregt. Da aber andere Lebenskraͤfte, als Elaſticitaͤt, Reizbarkeit u. ſ. f. bloß durch Bewegung ſich aͤußern, aͤußert ſich dieſe hingegen, von welcher wir jetzt ſpre- chen, durch Wachsthum, und daß ſie der Materie eine ihr beſtimmte Form ertheilt; wodurch denn jede Pflanze, jedes Thier (geſchehe dies nun unmittel- bar oder ſtufenweiſe durch allmaͤhliges Hinzukom- men oder Wechſeln anderer Reize, durch Meta- morphoſe) ſeine Gattung auf ſeine Jungen fort- pflanzen kann. Auf dreyfache Art aber kann der Bildungstrieb von der ihm beſtimmten Richtung und Norm abwei- chen. Einmal durch die Hervorbringung von Miß- geburten; (monſtroſa fabrica) dann durch Erzeu- gung von Baſtarden (hybrida generatio), aus ei- ner Miſchung des Zeugungsſtoffes verſchiedener Gat- tungen; und endlich durch Ausartung in eigentlich ſogenannte Verſchiedenheiten. Die Mißgeburten, wo die organiſchen Koͤrper, ſey es nun durch Stoͤrung und gleichſam Verirrung des Bildungstriebes, oder auch durch ungefaͤhren Zufal, als Preſſung von außen, u. a. eine ganz fehler-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/105
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/105>, abgerufen am 21.11.2024.