Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

2) Auch findet man Beyspiele von Völkern,
welche, nachdem sie ihre Wohnsitze verändert haben,
und anderwärts hingewandert sind, im Verlauf der
Zeit auch die vorige Gesichtsbildung in eine neue,
dem neuen Klima eigenthümliche, verändert haben.
Die Jakuten z. B. werden von den meisten Geschicht-
schreibern der ältern nordischen Geschichte als ein
Zweig von den Tatarn aufgeführt. Genaue Augen-
zeugen aber versichern, daß sie jetzt mongolische Ge-
sichtsbildung haben, und ich sehe es selbst an dem
Schädel eines Jakuten, welcher durch die Freigebig-
keit des Freyherrn v. Asch in meinem anthropologischen
Vorrath gekommen ist106). Etwas ähnliches wird
unten von den Amerikanern beyder kalten Zonen be-
merkt werden (§. 88.).

Daß gleicherweise die von englischen Aeltern und
Vorältern auf den Antillen entsprossenen Kreolen
endlich die natürliche Physiognomie der Engländer
mit der charakteristischen der amerikanischen Einge-
bornen einigermaßen vermischt, und die tiefern Au-
gen und hervortretendern Backen der letzteren ange-
nommen haben, hat man schon vorlängst beobach-
tet107).

Allein die augenscheinlichsten Beyspiele liefern
Aegypten und die Halbinsel jenseits des Ganges.

Die ersten Einwohner, waren in einem so ent-
nervenden Klima weichlich geworden, und wurden

im-
106) Zweytes Zehnd Hirnschädel. S. 11.
107) History of Jamaica. Th. 2. S. 261.

2) Auch findet man Beyſpiele von Voͤlkern,
welche, nachdem ſie ihre Wohnſitze veraͤndert haben,
und anderwaͤrts hingewandert ſind, im Verlauf der
Zeit auch die vorige Geſichtsbildung in eine neue,
dem neuen Klima eigenthuͤmliche, veraͤndert haben.
Die Jakuten z. B. werden von den meiſten Geſchicht-
ſchreibern der aͤltern nordiſchen Geſchichte als ein
Zweig von den Tatarn aufgefuͤhrt. Genaue Augen-
zeugen aber verſichern, daß ſie jetzt mongoliſche Ge-
ſichtsbildung haben, und ich ſehe es ſelbſt an dem
Schaͤdel eines Jakuten, welcher durch die Freigebig-
keit des Freyherrn v. Aſch in meinem anthropologiſchen
Vorrath gekommen iſt106). Etwas aͤhnliches wird
unten von den Amerikanern beyder kalten Zonen be-
merkt werden (§. 88.).

Daß gleicherweiſe die von engliſchen Aeltern und
Voraͤltern auf den Antillen entſproſſenen Kreolen
endlich die natuͤrliche Phyſiognomie der Englaͤnder
mit der charakteriſtiſchen der amerikaniſchen Einge-
bornen einigermaßen vermiſcht, und die tiefern Au-
gen und hervortretendern Backen der letzteren ange-
nommen haben, hat man ſchon vorlaͤngſt beobach-
tet107).

Allein die augenſcheinlichſten Beyſpiele liefern
Aegypten und die Halbinſel jenſeits des Ganges.

Die erſten Einwohner, waren in einem ſo ent-
nervenden Klima weichlich geworden, und wurden

im-
106) Zweytes Zehnd Hirnſchaͤdel. S. 11.
107) Hiſtory of Jamaica. Th. 2. S. 261.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0169" n="135"/>
          <p>2) Auch findet man Bey&#x017F;piele von Vo&#x0364;lkern,<lb/>
welche, nachdem &#x017F;ie ihre Wohn&#x017F;itze vera&#x0364;ndert haben,<lb/>
und anderwa&#x0364;rts hingewandert &#x017F;ind, im Verlauf der<lb/>
Zeit auch die vorige Ge&#x017F;ichtsbildung in eine neue,<lb/>
dem neuen Klima eigenthu&#x0364;mliche, vera&#x0364;ndert haben.<lb/>
Die Jakuten z. B. werden von den mei&#x017F;ten Ge&#x017F;chicht-<lb/>
&#x017F;chreibern der a&#x0364;ltern nordi&#x017F;chen Ge&#x017F;chichte als ein<lb/>
Zweig von den Tatarn aufgefu&#x0364;hrt. Genaue Augen-<lb/>
zeugen aber ver&#x017F;ichern, daß &#x017F;ie jetzt mongoli&#x017F;che Ge-<lb/>
&#x017F;ichtsbildung haben, und ich &#x017F;ehe es &#x017F;elb&#x017F;t an dem<lb/>
Scha&#x0364;del eines Jakuten, welcher durch die Freigebig-<lb/>
keit des Freyherrn v. A&#x017F;ch in meinem anthropologi&#x017F;chen<lb/>
Vorrath gekommen i&#x017F;t<note place="foot" n="106)"><hi rendition="#g">Zweytes Zehnd Hirn&#x017F;cha&#x0364;del</hi>. S. 11.</note>. Etwas a&#x0364;hnliches wird<lb/>
unten von den Amerikanern beyder kalten Zonen be-<lb/>
merkt werden (§. 88.).</p><lb/>
          <p>Daß gleicherwei&#x017F;e die von engli&#x017F;chen Aeltern und<lb/>
Vora&#x0364;ltern auf den Antillen ent&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;enen Kreolen<lb/>
endlich die natu&#x0364;rliche Phy&#x017F;iognomie der Engla&#x0364;nder<lb/>
mit der charakteri&#x017F;ti&#x017F;chen der amerikani&#x017F;chen Einge-<lb/>
bornen einigermaßen vermi&#x017F;cht, und die tiefern Au-<lb/>
gen und hervortretendern Backen der letzteren ange-<lb/>
nommen haben, hat man &#x017F;chon vorla&#x0364;ng&#x017F;t beobach-<lb/>
tet<note place="foot" n="107)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Hi&#x017F;tory of Jamaica</hi>.</hi> Th. 2. S. 261.</note>.</p><lb/>
          <p>Allein die augen&#x017F;cheinlich&#x017F;ten Bey&#x017F;piele liefern<lb/>
Aegypten und die Halbin&#x017F;el jen&#x017F;eits des Ganges.</p><lb/>
          <p>Die er&#x017F;ten Einwohner, waren in einem &#x017F;o ent-<lb/>
nervenden Klima weichlich geworden, und wurden<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">im-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0169] 2) Auch findet man Beyſpiele von Voͤlkern, welche, nachdem ſie ihre Wohnſitze veraͤndert haben, und anderwaͤrts hingewandert ſind, im Verlauf der Zeit auch die vorige Geſichtsbildung in eine neue, dem neuen Klima eigenthuͤmliche, veraͤndert haben. Die Jakuten z. B. werden von den meiſten Geſchicht- ſchreibern der aͤltern nordiſchen Geſchichte als ein Zweig von den Tatarn aufgefuͤhrt. Genaue Augen- zeugen aber verſichern, daß ſie jetzt mongoliſche Ge- ſichtsbildung haben, und ich ſehe es ſelbſt an dem Schaͤdel eines Jakuten, welcher durch die Freigebig- keit des Freyherrn v. Aſch in meinem anthropologiſchen Vorrath gekommen iſt 106). Etwas aͤhnliches wird unten von den Amerikanern beyder kalten Zonen be- merkt werden (§. 88.). Daß gleicherweiſe die von engliſchen Aeltern und Voraͤltern auf den Antillen entſproſſenen Kreolen endlich die natuͤrliche Phyſiognomie der Englaͤnder mit der charakteriſtiſchen der amerikaniſchen Einge- bornen einigermaßen vermiſcht, und die tiefern Au- gen und hervortretendern Backen der letzteren ange- nommen haben, hat man ſchon vorlaͤngſt beobach- tet 107). Allein die augenſcheinlichſten Beyſpiele liefern Aegypten und die Halbinſel jenſeits des Ganges. Die erſten Einwohner, waren in einem ſo ent- nervenden Klima weichlich geworden, und wurden im- 106) Zweytes Zehnd Hirnſchaͤdel. S. 11. 107) Hiſtory of Jamaica. Th. 2. S. 261.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/169
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/169>, abgerufen am 21.11.2024.