Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 37.

Der Mensch hat überhaupt wenig Instinct,
Kunsttriebe aber gar nicht: was ihn hingegen
reichlich dafür entschädigt, ist der Gebrauch der
Vernunft, die ihm allein ausschließlich, und
durchaus keinem andern Thiere zukommt. Er
hat keinen bestimmten Wohnplatz, sondern die
ganze Erde, in Norden und Süden und unter
jedem Meridian, ist ihm zum Aufenthalt ange-
wiesen; die Verschiedenheit des Clima und der
Lebensart erregt in ihm eben so verschiedne Be-
dürfnisse, die nicht auf einerley Weise befrie-
digt werden können; und ein einförmiger Kunst-
trieb würde folglich ein sehr unbrauchbares Ge-
schenk für ihn gewesen seyn: da er hingegen
durch Reflexion die individuellen Bedürfnisse
auf mannichfaltige und schickliche Weise zu stil-
len vermag.

§. 38.

Allen Instinct eines Thiers, seine ganze Le-
bensart, Handlungen, Aufenthalt, Charakter,
Oekonomie u. s. w. begreift man unter dem all-
gemeinen Namen von Naturell. Jede Gat-
tung von Thieren hat, nach der Verschiedenheit
aller dieser Dinge, und nach ihrer besondern Be-
stimmung, auch ihr verschiednes, eignes Na-
turell, was nach der weisen Einrichtung des
Ganzen, seine eben so bestimmten Grenzen und
Richtung hat. In dessen kann doch der Mensch,

§. 37.

Der Mensch hat überhaupt wenig Instinct,
Kunsttriebe aber gar nicht: was ihn hingegen
reichlich dafür entschädigt, ist der Gebrauch der
Vernunft, die ihm allein ausschließlich, und
durchaus keinem andern Thiere zukommt. Er
hat keinen bestimmten Wohnplatz, sondern die
ganze Erde, in Norden und Süden und unter
jedem Meridian, ist ihm zum Aufenthalt ange-
wiesen; die Verschiedenheit des Clima und der
Lebensart erregt in ihm eben so verschiedne Be-
dürfnisse, die nicht auf einerley Weise befrie-
digt werden können; und ein einförmiger Kunst-
trieb würde folglich ein sehr unbrauchbares Ge-
schenk für ihn gewesen seyn: da er hingegen
durch Reflexion die individuellen Bedürfnisse
auf mannichfaltige und schickliche Weise zu stil-
len vermag.

§. 38.

Allen Instinct eines Thiers, seine ganze Le-
bensart, Handlungen, Aufenthalt, Charakter,
Oekonomie u. s. w. begreift man unter dem all-
gemeinen Namen von Naturell. Jede Gat-
tung von Thieren hat, nach der Verschiedenheit
aller dieser Dinge, und nach ihrer besondern Be-
stimmung, auch ihr verschiednes, eignes Na-
turell, was nach der weisen Einrichtung des
Ganzen, seine eben so bestimmten Grenzen und
Richtung hat. In dessen kann doch der Mensch,

<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000021">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0064" xml:id="pb042_0001" n="42"/>
          <head rendition="#c">§. 37.</head><lb/>
          <p>Der Mensch hat überhaupt wenig Instinct,<lb/>
Kunsttriebe aber gar nicht: was ihn hingegen<lb/>
reichlich dafür entschädigt, ist der Gebrauch der<lb/>
Vernunft, die ihm allein ausschließlich, und<lb/>
durchaus keinem andern Thiere zukommt. Er<lb/>
hat keinen bestimmten Wohnplatz, sondern die<lb/>
ganze Erde, in Norden und Süden und unter<lb/>
jedem Meridian, ist ihm zum Aufenthalt ange-<lb/>
wiesen; die Verschiedenheit des Clima und der<lb/>
Lebensart erregt in ihm eben so verschiedne Be-<lb/>
dürfnisse, die nicht auf einerley Weise befrie-<lb/>
digt werden können; und ein einförmiger Kunst-<lb/>
trieb würde folglich ein sehr unbrauchbares Ge-<lb/>
schenk für ihn gewesen seyn: da er hingegen<lb/>
durch Reflexion die individuellen Bedürfnisse<lb/>
auf mannichfaltige und schickliche Weise zu stil-<lb/>
len vermag.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 38.</head><lb/>
          <p>Allen Instinct eines Thiers, seine ganze Le-<lb/>
bensart, Handlungen, Aufenthalt, Charakter,<lb/>
Oekonomie u. s. w. begreift man unter dem all-<lb/>
gemeinen Namen von Naturell. Jede Gat-<lb/>
tung von Thieren hat, nach der Verschiedenheit<lb/>
aller dieser Dinge, und nach ihrer besondern Be-<lb/>
stimmung, auch ihr verschiednes, eignes Na-<lb/>
turell, was nach der weisen Einrichtung des<lb/>
Ganzen, seine eben so bestimmten Grenzen und<lb/>
Richtung hat. In dessen kann doch der Mensch,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0064] §. 37. Der Mensch hat überhaupt wenig Instinct, Kunsttriebe aber gar nicht: was ihn hingegen reichlich dafür entschädigt, ist der Gebrauch der Vernunft, die ihm allein ausschließlich, und durchaus keinem andern Thiere zukommt. Er hat keinen bestimmten Wohnplatz, sondern die ganze Erde, in Norden und Süden und unter jedem Meridian, ist ihm zum Aufenthalt ange- wiesen; die Verschiedenheit des Clima und der Lebensart erregt in ihm eben so verschiedne Be- dürfnisse, die nicht auf einerley Weise befrie- digt werden können; und ein einförmiger Kunst- trieb würde folglich ein sehr unbrauchbares Ge- schenk für ihn gewesen seyn: da er hingegen durch Reflexion die individuellen Bedürfnisse auf mannichfaltige und schickliche Weise zu stil- len vermag. §. 38. Allen Instinct eines Thiers, seine ganze Le- bensart, Handlungen, Aufenthalt, Charakter, Oekonomie u. s. w. begreift man unter dem all- gemeinen Namen von Naturell. Jede Gat- tung von Thieren hat, nach der Verschiedenheit aller dieser Dinge, und nach ihrer besondern Be- stimmung, auch ihr verschiednes, eignes Na- turell, was nach der weisen Einrichtung des Ganzen, seine eben so bestimmten Grenzen und Richtung hat. In dessen kann doch der Mensch,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779/64
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779/64>, abgerufen am 21.11.2024.