Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782.

Bild:
<< vorherige Seite

cirt, und meist schon im August wieder völlig
hart, ausgewachsen, und noch grösser und viel-
endiger, als das geworfene ist. Doch richtet
sich die Zahl der Enden nicht genau nach dem Alter
des Thiers. Im vierten Jahre ist es sechsen-
digt, und nach dem achten Jahr ist die Anzahl
der Enden unbestimmt. Die grösten Geweihe
sind von 64 Enden. Denn was man vom er-
staunlich hohen Alter der Hirsche sagt, ist Fa-
bel; er wird ungefähr 30 Jahre oder etwas
drüber alt. Seine Brunst fällt in den Septem-
ber, und dauert wohl sechs Wochen lang. Das
Männchen ist wühlend der Zeit wie ausser sich,
ändert Farbe, Stimme etc. reißt gierig durchs
Gehölz, nimt sich kaum Zeit zum weiden, ruft
laut, spürt seinen Weibgen mit vorhängendem
Kopfe hitzig nach, und weis genau die Stel-
len wieder zu finden, wo es in vorigen Jahren
die Freuden der Liebe genossen hat. Treffen sich
mehrere bey einer Geliebten, so entstehen blu-
tige Gefechte, wobey sie zuweilen einander
spiessen, oder sich so fest mit den Geweihen
zusammen versperren, daß sie nicht wieder von
einander können, sondern auf dem Wahlplatz
verhungern müssen. Ueberhaupt kommen wenig
andere Thiere dem Hirsch an Muth und edlen
Anstand bey, den wir selbst an angeschoß-
nen Hirschen, die sich demohngeachtet noch
Stunden lang aufs herzhaffteste gegen die Hunde
wehrten und bis ans den letzten Hauch ihr Leben
und Freyheit zu vertheidigen suchten, bewun-
dert haben. Und doch lassen sie sich zähmen,
und wurden von spätern Römischen Kaisern, auch
neuerlich von grossen Herren verschiedentlich
zum Zug gebraucht.

cirt, und meist schon im August wieder völlig
hart, ausgewachsen, und noch grösser und viel-
endiger, als das geworfene ist. Doch richtet
sich die Zahl der Enden nicht genau nach dem Alter
des Thiers. Im vierten Jahre ist es sechsen-
digt, und nach dem achten Jahr ist die Anzahl
der Enden unbestimmt. Die grösten Geweihe
sind von 64 Enden. Denn was man vom er-
staunlich hohen Alter der Hirsche sagt, ist Fa-
bel; er wird ungefähr 30 Jahre oder etwas
drüber alt. Seine Brunst fällt in den Septem-
ber, und dauert wohl sechs Wochen lang. Das
Männchen ist wühlend der Zeit wie ausser sich,
ändert Farbe, Stimme ꝛc. reißt gierig durchs
Gehölz, nimt sich kaum Zeit zum weiden, ruft
laut, spürt seinen Weibgen mit vorhängendem
Kopfe hitzig nach, und weis genau die Stel-
len wieder zu finden, wo es in vorigen Jahren
die Freuden der Liebe genossen hat. Treffen sich
mehrere bey einer Geliebten, so entstehen blu-
tige Gefechte, wobey sie zuweilen einander
spiessen, oder sich so fest mit den Geweihen
zusammen versperren, daß sie nicht wieder von
einander können, sondern auf dem Wahlplatz
verhungern müssen. Ueberhaupt kommen wenig
andere Thiere dem Hirsch an Muth und edlen
Anstand bey, den wir selbst an angeschoß-
nen Hirschen, die sich demohngeachtet noch
Stunden lang aufs herzhaffteste gegen die Hunde
wehrten und bis ans den letzten Hauch ihr Leben
und Freyheit zu vertheidigen suchten, bewun-
dert haben. Und doch lassen sie sich zähmen,
und wurden von spätern Römischen Kaisern, auch
neuerlich von grossen Herren verschiedentlich
zum Zug gebraucht.

<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000023">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p rendition="#l1em"><pb facs="#f0136" xml:id="pb124_0001" n="124"/>
cirt, und meist schon im August wieder völlig<lb/>
hart, ausgewachsen, und noch grösser und viel-<lb/>
endiger, als das geworfene ist. Doch richtet<lb/>
sich die Zahl der Enden nicht genau nach dem Alter<lb/>
des Thiers. Im vierten Jahre ist es sechsen-<lb/>
digt, und nach dem achten Jahr ist die Anzahl<lb/>
der Enden unbestimmt. Die grösten Geweihe<lb/>
sind von 64 Enden. Denn was man vom er-<lb/>
staunlich hohen Alter der Hirsche sagt, ist Fa-<lb/>
bel; er wird ungefähr 30 Jahre oder etwas<lb/>
drüber alt. Seine Brunst fällt in den Septem-<lb/>
ber, und dauert wohl sechs Wochen lang. Das<lb/>
Männchen ist wühlend der Zeit wie ausser sich,<lb/>
ändert Farbe, Stimme &#xA75B;c. reißt gierig durchs<lb/>
Gehölz, nimt sich kaum Zeit zum weiden, ruft<lb/>
laut, spürt seinen Weibgen mit vorhängendem<lb/>
Kopfe hitzig nach, und weis genau die Stel-<lb/>
len wieder zu finden, wo es in vorigen Jahren<lb/>
die Freuden der Liebe genossen hat. Treffen sich<lb/>
mehrere bey einer Geliebten, so entstehen blu-<lb/>
tige Gefechte, wobey sie zuweilen einander<lb/>
spiessen, oder sich so fest mit den Geweihen<lb/>
zusammen versperren, daß sie nicht wieder von<lb/>
einander können, sondern auf dem Wahlplatz<lb/>
verhungern müssen. Ueberhaupt kommen wenig<lb/>
andere Thiere dem Hirsch an Muth und edlen<lb/>
Anstand bey, den wir selbst an angeschoß-<lb/>
nen Hirschen, die sich demohngeachtet noch<lb/>
Stunden lang aufs herzhaffteste gegen die Hunde<lb/>
wehrten und bis ans den letzten Hauch ihr Leben<lb/>
und Freyheit zu vertheidigen suchten, bewun-<lb/>
dert haben. Und doch lassen sie sich zähmen,<lb/>
und wurden von spätern Römischen Kaisern, auch<lb/>
neuerlich von grossen Herren verschiedentlich<lb/>
zum Zug gebraucht.</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0136] cirt, und meist schon im August wieder völlig hart, ausgewachsen, und noch grösser und viel- endiger, als das geworfene ist. Doch richtet sich die Zahl der Enden nicht genau nach dem Alter des Thiers. Im vierten Jahre ist es sechsen- digt, und nach dem achten Jahr ist die Anzahl der Enden unbestimmt. Die grösten Geweihe sind von 64 Enden. Denn was man vom er- staunlich hohen Alter der Hirsche sagt, ist Fa- bel; er wird ungefähr 30 Jahre oder etwas drüber alt. Seine Brunst fällt in den Septem- ber, und dauert wohl sechs Wochen lang. Das Männchen ist wühlend der Zeit wie ausser sich, ändert Farbe, Stimme ꝛc. reißt gierig durchs Gehölz, nimt sich kaum Zeit zum weiden, ruft laut, spürt seinen Weibgen mit vorhängendem Kopfe hitzig nach, und weis genau die Stel- len wieder zu finden, wo es in vorigen Jahren die Freuden der Liebe genossen hat. Treffen sich mehrere bey einer Geliebten, so entstehen blu- tige Gefechte, wobey sie zuweilen einander spiessen, oder sich so fest mit den Geweihen zusammen versperren, daß sie nicht wieder von einander können, sondern auf dem Wahlplatz verhungern müssen. Ueberhaupt kommen wenig andere Thiere dem Hirsch an Muth und edlen Anstand bey, den wir selbst an angeschoß- nen Hirschen, die sich demohngeachtet noch Stunden lang aufs herzhaffteste gegen die Hunde wehrten und bis ans den letzten Hauch ihr Leben und Freyheit zu vertheidigen suchten, bewun- dert haben. Und doch lassen sie sich zähmen, und wurden von spätern Römischen Kaisern, auch neuerlich von grossen Herren verschiedentlich zum Zug gebraucht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/136
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/136>, abgerufen am 17.05.2024.