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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782.

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Diese Thiere sind neuerlich durch die Wunder
allgemein berühmt worden, die der Scharfsinn
des würdigen Trembley, und andrer berümten
Männer nach ihm, an ihnen entdeckt hat. Sie
sind gallertartig, halbdurchsichtig, und daher
von ungeübten Augen nicht immer gleich zu er-
kennen. In der Ruhe haben sie den Körper und
die Arme ausgestreckt: bey einer gewaltsamen
Berührung aber, oder ausser dem Wasser, zie-
hen sie sich in ein unförmliches Klümpgen zusam-
men. Die Gattungen variiren in der Farbe,
theils auch in der Proportion, und in der meh-
rern oder mindern Festigkeit ihres schleimichten
Körpers. Die verschiedne Anzal, der Arme ist
mehr zufällig. Sie sind von den ersten warmen
Frülingstagen an bis in den Herbst in sanft
Weisenden Wassern und Teichen zu finden, und
sitzen mit dem hintern Ende an Wasserpflanzen,
Schnecken etc. fest. Oft sieht man zu Hunderten
bey einander: da zuweilen ihre Arme wie ver-
wirrter Flachs durch einander zu kreuzen schei-
nen, und doch jedes einzelne Thier die seinigen
ohne sie zwischen der andern ihren zu verwickeln,
zu sich ziehen kan. Ihr Körper ist hol, ohne alle
Eingeweide. Den Sommer hindurch vermehren
sie sich, indem sie die lebendige Junge wie
Sprossen ans ihrem Körper treiben, die sich
oft erst, wenn ihnen selbst schon wieder Junge
ausgewachsen sind, von der Mütter losreissen.
Bey Annäherung des Winters aber mögen sie,
wie wir aus der Analogie mit den Federbusch-
Polypen und Blumen-Polypen schliessen, wol
Eyer legen, aus denen im Frühjahr die junge
Brut hevorbricht. Man kan sie in sechs und
mehr Stücke zerschneiden, und jedes Stück wird
binnen einigen Tagen wieder zu ganzen Polypen

Diese Thiere sind neuerlich durch die Wunder
allgemein berühmt worden, die der Scharfsinn
des würdigen Trembley, und andrer berümten
Männer nach ihm, an ihnen entdeckt hat. Sie
sind gallertartig, halbdurchsichtig, und daher
von ungeübten Augen nicht immer gleich zu er-
kennen. In der Ruhe haben sie den Körper und
die Arme ausgestreckt: bey einer gewaltsamen
Berührung aber, oder ausser dem Wasser, zie-
hen sie sich in ein unförmliches Klümpgen zusam-
men. Die Gattungen variiren in der Farbe,
theils auch in der Proportion, und in der meh-
rern oder mindern Festigkeit ihres schleimichten
Körpers. Die verschiedne Anzal, der Arme ist
mehr zufällig. Sie sind von den ersten warmen
Frülingstagen an bis in den Herbst in sanft
Weisenden Wassern und Teichen zu finden, und
sitzen mit dem hintern Ende an Wasserpflanzen,
Schnecken ꝛc. fest. Oft sieht man zu Hunderten
bey einander: da zuweilen ihre Arme wie ver-
wirrter Flachs durch einander zu kreuzen schei-
nen, und doch jedes einzelne Thier die seinigen
ohne sie zwischen der andern ihren zu verwickeln,
zu sich ziehen kan. Ihr Körper ist hol, ohne alle
Eingeweide. Den Sommer hindurch vermehren
sie sich, indem sie die lebendige Junge wie
Sprossen ans ihrem Körper treiben, die sich
oft erst, wenn ihnen selbst schon wieder Junge
ausgewachsen sind, von der Mütter losreissen.
Bey Annäherung des Winters aber mögen sie,
wie wir aus der Analogie mit den Federbusch-
Polypen und Blumen-Polypen schliessen, wol
Eyer legen, aus denen im Frühjahr die junge
Brut hevorbricht. Man kan sie in sechs und
mehr Stücke zerschneiden, und jedes Stück wird
binnen einigen Tagen wieder zu ganzen Polypen

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[443/0455] Diese Thiere sind neuerlich durch die Wunder allgemein berühmt worden, die der Scharfsinn des würdigen Trembley, und andrer berümten Männer nach ihm, an ihnen entdeckt hat. Sie sind gallertartig, halbdurchsichtig, und daher von ungeübten Augen nicht immer gleich zu er- kennen. In der Ruhe haben sie den Körper und die Arme ausgestreckt: bey einer gewaltsamen Berührung aber, oder ausser dem Wasser, zie- hen sie sich in ein unförmliches Klümpgen zusam- men. Die Gattungen variiren in der Farbe, theils auch in der Proportion, und in der meh- rern oder mindern Festigkeit ihres schleimichten Körpers. Die verschiedne Anzal, der Arme ist mehr zufällig. Sie sind von den ersten warmen Frülingstagen an bis in den Herbst in sanft Weisenden Wassern und Teichen zu finden, und sitzen mit dem hintern Ende an Wasserpflanzen, Schnecken ꝛc. fest. Oft sieht man zu Hunderten bey einander: da zuweilen ihre Arme wie ver- wirrter Flachs durch einander zu kreuzen schei- nen, und doch jedes einzelne Thier die seinigen ohne sie zwischen der andern ihren zu verwickeln, zu sich ziehen kan. Ihr Körper ist hol, ohne alle Eingeweide. Den Sommer hindurch vermehren sie sich, indem sie die lebendige Junge wie Sprossen ans ihrem Körper treiben, die sich oft erst, wenn ihnen selbst schon wieder Junge ausgewachsen sind, von der Mütter losreissen. Bey Annäherung des Winters aber mögen sie, wie wir aus der Analogie mit den Federbusch- Polypen und Blumen-Polypen schliessen, wol Eyer legen, aus denen im Frühjahr die junge Brut hevorbricht. Man kan sie in sechs und mehr Stücke zerschneiden, und jedes Stück wird binnen einigen Tagen wieder zu ganzen Polypen

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/455>, abgerufen am 22.11.2024.