Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 4. Aufl. Göttingen, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

mehresten in der Erde fest sitzen, und deren Größe
und Umfang zuweilen beträchtlicher ist als des
ganzen übrigen Gewächses. Die Kraft, mit
welcher sie umherranken, ist so stark, daß wohl
dicke Mauern, nicht nur durch große Eichen-
wurzeln, sondern schon durch die kleinen Rau-
penähnlichen Würzelchen des Epheus gesprengt
werden können. Um auch nakte Mauern und
Felsen mit Gewächsen zu beleben daß sie daran
Wurzel schlagen können, läßt die Natur erst
trockne Schorfmoose (Lichenes) und andre so
genannte plantas aereas anfliegen, die wenig
Nahrung bedürfen und aus deren Moder nach-
her die Samen größerer Pflanzen die vom Wind
und Vögeln dahin gebracht werden, auskeimen
und Nahrung ziehen.

§. 167.

Verschiedne Pflanzen ziehen aber ihre Nah-
rung nicht unmittelbar aus der Erde, sondern
leben, gleichsam wie Ungeziefer auf andern Ge-
wächsen, und nähren sich indem sie diesen einen
Theil ihres Nahrungssaftes aussaugen, daher
sie Schmarozerpflanzen (plantae parasiticae)
genannt werden. So die Baumkrätzen und viele
andre Moose, der Mistel, die Flachsseide (cuscuta
europaea
und epithymum) u. s. w.

Anm. Auch gibt es Pflanzen, die in der Erde eingewur-
zelt zu seyn scheinen, und doch mit ihren Wurzel-
zasern immer an den Wurzeln gewisser andrer be-
nachbarter Pflanzen ansitzen, und sich durch die-

mehresten in der Erde fest sitzen, und deren Größe
und Umfang zuweilen beträchtlicher ist als des
ganzen übrigen Gewächses. Die Kraft, mit
welcher sie umherranken, ist so stark, daß wohl
dicke Mauern, nicht nur durch große Eichen-
wurzeln, sondern schon durch die kleinen Rau-
penähnlichen Würzelchen des Epheus gesprengt
werden können. Um auch nakte Mauern und
Felsen mit Gewächsen zu beleben daß sie daran
Wurzel schlagen können, läßt die Natur erst
trockne Schorfmoose (Lichenes) und andre so
genannte plantas aëreas anfliegen, die wenig
Nahrung bedürfen und aus deren Moder nach-
her die Samen größerer Pflanzen die vom Wind
und Vögeln dahin gebracht werden, auskeimen
und Nahrung ziehen.

§. 167.

Verschiedne Pflanzen ziehen aber ihre Nah-
rung nicht unmittelbar aus der Erde, sondern
leben, gleichsam wie Ungeziefer auf andern Ge-
wächsen, und nähren sich indem sie diesen einen
Theil ihres Nahrungssaftes aussaugen, daher
sie Schmarozerpflanzen (plantae parasiticae)
genannt werden. So die Baumkrätzen und viele
andre Moose, der Mistel, die Flachsseide (cuscuta
europaea
und epithymum) u. s. w.

Anm. Auch gibt es Pflanzen, die in der Erde eingewur-
zelt zu seyn scheinen, und doch mit ihren Wurzel-
zasern immer an den Wurzeln gewisser andrer be-
nachbarter Pflanzen ansitzen, und sich durch die-

<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000025">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0499" xml:id="pb483_0001" n="483"/>
mehresten in der Erde fest sitzen, und deren Größe<lb/>
und Umfang zuweilen beträchtlicher ist als des<lb/>
ganzen übrigen Gewächses. Die Kraft, mit<lb/>
welcher sie umherranken, ist so stark, daß wohl<lb/>
dicke Mauern, nicht nur durch große Eichen-<lb/>
wurzeln, sondern schon durch die kleinen Rau-<lb/>
penähnlichen Würzelchen des Epheus gesprengt<lb/>
werden können. Um auch nakte Mauern und<lb/>
Felsen mit Gewächsen zu beleben daß sie daran<lb/>
Wurzel schlagen können, läßt die Natur erst<lb/>
trockne Schorfmoose (<hi rendition="#aq">Lichenes</hi>) und andre so<lb/>
genannte <hi rendition="#aq">plantas aëreas</hi> anfliegen, die wenig<lb/>
Nahrung bedürfen und aus deren Moder nach-<lb/>
her die Samen größerer Pflanzen die vom Wind<lb/>
und Vögeln dahin gebracht werden, auskeimen<lb/>
und Nahrung ziehen.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 167.</head><lb/>
          <p>Verschiedne Pflanzen ziehen aber ihre Nah-<lb/>
rung nicht unmittelbar aus der Erde, sondern<lb/>
leben, gleichsam wie Ungeziefer auf andern Ge-<lb/>
wächsen, und nähren sich indem sie diesen einen<lb/>
Theil ihres Nahrungssaftes aussaugen, daher<lb/>
sie Schmarozerpflanzen (<hi rendition="#aq">plantae parasiticae</hi>)<lb/>
genannt werden. So die Baumkrätzen und viele<lb/>
andre Moose, der Mistel, die Flachsseide (<hi rendition="#aq">cuscuta<lb/><hi rendition="#i">europaea</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">epithymum</hi></hi>) u. s. w.</p>
          <p rendition="#indent-1 #small">Anm. Auch gibt es Pflanzen, die in der Erde eingewur-<lb/>
zelt zu seyn scheinen, und doch mit ihren Wurzel-<lb/>
zasern immer an den Wurzeln gewisser andrer be-<lb/>
nachbarter Pflanzen ansitzen, und sich durch die-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[483/0499] mehresten in der Erde fest sitzen, und deren Größe und Umfang zuweilen beträchtlicher ist als des ganzen übrigen Gewächses. Die Kraft, mit welcher sie umherranken, ist so stark, daß wohl dicke Mauern, nicht nur durch große Eichen- wurzeln, sondern schon durch die kleinen Rau- penähnlichen Würzelchen des Epheus gesprengt werden können. Um auch nakte Mauern und Felsen mit Gewächsen zu beleben daß sie daran Wurzel schlagen können, läßt die Natur erst trockne Schorfmoose (Lichenes) und andre so genannte plantas aëreas anfliegen, die wenig Nahrung bedürfen und aus deren Moder nach- her die Samen größerer Pflanzen die vom Wind und Vögeln dahin gebracht werden, auskeimen und Nahrung ziehen. §. 167. Verschiedne Pflanzen ziehen aber ihre Nah- rung nicht unmittelbar aus der Erde, sondern leben, gleichsam wie Ungeziefer auf andern Ge- wächsen, und nähren sich indem sie diesen einen Theil ihres Nahrungssaftes aussaugen, daher sie Schmarozerpflanzen (plantae parasiticae) genannt werden. So die Baumkrätzen und viele andre Moose, der Mistel, die Flachsseide (cuscuta europaea und epithymum) u. s. w. Anm. Auch gibt es Pflanzen, die in der Erde eingewur- zelt zu seyn scheinen, und doch mit ihren Wurzel- zasern immer an den Wurzeln gewisser andrer be- nachbarter Pflanzen ansitzen, und sich durch die-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1791/499
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 4. Aufl. Göttingen, 1791, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1791/499>, abgerufen am 22.11.2024.