der Hand noch entscheiden, ob in allen Welttheilen die Proportion in der Anzahl der gebornen Knäbchen und Mädchen, und die Dauer der Zeit der Fortpflanzungs- fähigkeit bey beiden Geschlechtern so gleich sey, daß der Mensch überall so wie in Europa zur Monogamie bestimmt sey.
Sein Aufenthalt und seine Nahrung sind beide un- beschränkt; er bewohnt die ganze bewohnbare Erde, und nährt sich beynahe aus der ganzen organisirten Schöpfung. Und in Verhältniß zu seiner mäßigen körperlichen Größe, und in Vergleich mit andern Säu- gethieren erreicht er ein ausnehmend hohes Alter, was ihn für seine lange Kindheit entschädigt.
Es gibt nur eine Gattung (species) im Menschen- geschlecht; und alle uns bekannte Völker aller Zeiten und aller Himmelsstriche können von einer gemeinschaft- lichen Stammraße abstammen. Alle National-Ver- schiedenheiten in Bildung und Farbe des menschlichen Körpers sind nicht um ein Haar auffallender oder un- begreiflicher als die, worin so viele andere Gattungen von organisirten Körpern, zumahl unter den Hausthie- ren, gleichsam unter unseren Augen ausarten. Alle diese Verschiedenheiten fließen aber durch so mancherley Nuancen so unvermerkt zusammen, daß sich keine andre als sehr willkürliche Grenzen zwischen ihnen fest setzen lassen: doch habe ich das ganze Menschengeschlecht noch am füglichsten unter folgende fünf Varietäten zu brin- gen geglaubt:
1) Die Europäer und westlichen Asiaten, disseits des Obi, des Caspischen Meers, und des Ganges-
der Hand noch entscheiden, ob in allen Welttheilen die Proportion in der Anzahl der gebornen Knäbchen und Mädchen, und die Dauer der Zeit der Fortpflanzungs- fähigkeit bey beiden Geschlechtern so gleich sey, daß der Mensch überall so wie in Europa zur Monogamie bestimmt sey.
Sein Aufenthalt und seine Nahrung sind beide un- beschränkt; er bewohnt die ganze bewohnbare Erde, und nährt sich beynahe aus der ganzen organisirten Schöpfung. Und in Verhältniß zu seiner mäßigen körperlichen Größe, und in Vergleich mit andern Säu- gethieren erreicht er ein ausnehmend hohes Alter, was ihn für seine lange Kindheit entschädigt.
Es gibt nur eine Gattung (species) im Menschen- geschlecht; und alle uns bekannte Völker aller Zeiten und aller Himmelsstriche können von einer gemeinschaft- lichen Stammraße abstammen. Alle National-Ver- schiedenheiten in Bildung und Farbe des menschlichen Körpers sind nicht um ein Haar auffallender oder un- begreiflicher als die, worin so viele andere Gattungen von organisirten Körpern, zumahl unter den Hausthie- ren, gleichsam unter unseren Augen ausarten. Alle diese Verschiedenheiten fließen aber durch so mancherley Núancen so unvermerkt zusammen, daß sich keine andre als sehr willkürliche Grenzen zwischen ihnen fest setzen lassen: doch habe ich das ganze Menschengeschlecht noch am füglichsten unter folgende fünf Varietäten zu brin- gen geglaubt:
1) Die Europäer und westlichen Asiaten, disseits des Obi, des Caspischen Meers, und des Ganges-
<TEI><textxml:id="blume_hbnatur_000025"><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><prendition="#l1em"><pbfacs="#f0070"xml:id="pb054_0001"n="54"/>
der Hand noch entscheiden, ob in allen Welttheilen die<lb/>
Proportion in der Anzahl der gebornen Knäbchen und<lb/>
Mädchen, und die Dauer der Zeit der Fortpflanzungs-<lb/>
fähigkeit bey beiden Geschlechtern so gleich sey, daß der<lb/>
Mensch überall so wie in Europa zur Monogamie<lb/>
bestimmt sey.</p><prendition="#l1em">Sein Aufenthalt und seine Nahrung sind beide un-<lb/>
beschränkt; er bewohnt die ganze bewohnbare Erde,<lb/>
und nährt sich beynahe aus der ganzen organisirten<lb/>
Schöpfung. Und in Verhältniß zu seiner mäßigen<lb/>
körperlichen Größe, und in Vergleich mit andern Säu-<lb/>
gethieren erreicht er ein ausnehmend hohes Alter, was<lb/>
ihn für seine lange Kindheit entschädigt.</p><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><prendition="#l1em">Es gibt nur eine Gattung (<hirendition="#aq">species</hi>) im Menschen-<lb/>
geschlecht; und alle uns bekannte Völker aller Zeiten<lb/>
und aller Himmelsstriche können von einer gemeinschaft-<lb/>
lichen Stammraße abstammen. Alle National-Ver-<lb/>
schiedenheiten in Bildung und Farbe des menschlichen<lb/>
Körpers sind nicht um ein Haar auffallender oder un-<lb/>
begreiflicher als die, worin so viele andere Gattungen<lb/>
von organisirten Körpern, zumahl unter den Hausthie-<lb/>
ren, gleichsam unter unseren Augen ausarten. Alle<lb/>
diese Verschiedenheiten fließen aber durch so mancherley<lb/>
Núancen so unvermerkt zusammen, daß sich keine andre<lb/>
als sehr willkürliche Grenzen zwischen ihnen fest setzen<lb/>
lassen: doch habe ich das ganze Menschengeschlecht noch<lb/>
am füglichsten unter folgende fünf Varietäten zu brin-<lb/>
gen geglaubt:</p><prendition="#indent-2">1) Die Europäer und westlichen Asiaten, disseits des<lb/>
Obi, des Caspischen Meers, und des Ganges-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[54/0070]
der Hand noch entscheiden, ob in allen Welttheilen die
Proportion in der Anzahl der gebornen Knäbchen und
Mädchen, und die Dauer der Zeit der Fortpflanzungs-
fähigkeit bey beiden Geschlechtern so gleich sey, daß der
Mensch überall so wie in Europa zur Monogamie
bestimmt sey.
Sein Aufenthalt und seine Nahrung sind beide un-
beschränkt; er bewohnt die ganze bewohnbare Erde,
und nährt sich beynahe aus der ganzen organisirten
Schöpfung. Und in Verhältniß zu seiner mäßigen
körperlichen Größe, und in Vergleich mit andern Säu-
gethieren erreicht er ein ausnehmend hohes Alter, was
ihn für seine lange Kindheit entschädigt.
Es gibt nur eine Gattung (species) im Menschen-
geschlecht; und alle uns bekannte Völker aller Zeiten
und aller Himmelsstriche können von einer gemeinschaft-
lichen Stammraße abstammen. Alle National-Ver-
schiedenheiten in Bildung und Farbe des menschlichen
Körpers sind nicht um ein Haar auffallender oder un-
begreiflicher als die, worin so viele andere Gattungen
von organisirten Körpern, zumahl unter den Hausthie-
ren, gleichsam unter unseren Augen ausarten. Alle
diese Verschiedenheiten fließen aber durch so mancherley
Núancen so unvermerkt zusammen, daß sich keine andre
als sehr willkürliche Grenzen zwischen ihnen fest setzen
lassen: doch habe ich das ganze Menschengeschlecht noch
am füglichsten unter folgende fünf Varietäten zu brin-
gen geglaubt:
1) Die Europäer und westlichen Asiaten, disseits des
Obi, des Caspischen Meers, und des Ganges-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 4. Aufl. Göttingen, 1791, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1791/70>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.