Spuren davon finden, nähmlich die so genannten Naturtriebe oder Instincte. Dagegen er hin- wiederum im ausschließlichen Besitz der Ver- nunft ist.
§. 35.
Der Instinct*) ist das Vermögen der Thiere, aus einem angebornen, unwillkürlichen, inne- ren Drange, ohne allen Unterricht, von freyen Stücken, sich zweckmäßigen, und zu ihrer und ihres Geschlechts Erhaltung abzielenden Hand- lungen zu unterziehen.
Daß diese wichtigen Handlungen wirklich ganz unüberlegt bloß maschinenmäßig vollzogen werden, wird durch tausend Bemerkungen offen- bar erweislich, z. B. dadurch, daß die Hamster auch todten Vögeln doch zuerst die Flügel zer- brechen, ehe sie weiter anbeissen; daß junge Zug- vögel, die man ganz einsam im Zimmer erzo- gen hat, doch im Herbst den innern Ruf zum Fortziehen fühlen, und im Käficht bey allem guten Futter und Pflege unruhig werden.
§. 36.
Unter den mancherley Arten dieser thierischen Triebe sind besonders die so genannten Kunst- triebe merkwürdig, da sich nähmlich so viele warmblütige Thiere und Insecten ohne alle An- weisung und ohne alle vorgängige Uebung**),
*) Herm. Sam. Reimarus Betr. über die Triebe der Thiere. 3te Ausg. Hamb. 1773. 8.
**)"Nascitur ars ista, non discitur."Seneca.
Spuren davon finden, nähmlich die so genannten Naturtriebe oder Instincte. Dagegen er hin- wiederum im ausschließlichen Besitz der Ver- nunft ist.
§. 35.
Der Instinct*) ist das Vermögen der Thiere, aus einem angebornen, unwillkürlichen, inne- ren Drange, ohne allen Unterricht, von freyen Stücken, sich zweckmäßigen, und zu ihrer und ihres Geschlechts Erhaltung abzielenden Hand- lungen zu unterziehen.
Daß diese wichtigen Handlungen wirklich ganz unüberlegt bloß maschinenmäßig vollzogen werden, wird durch tausend Bemerkungen offen- bar erweislich, z. B. dadurch, daß die Hamster auch todten Vögeln doch zuerst die Flügel zer- brechen, ehe sie weiter anbeissen; daß junge Zug- vögel, die man ganz einsam im Zimmer erzo- gen hat, doch im Herbst den innern Ruf zum Fortziehen fühlen, und im Käficht bey allem guten Futter und Pflege unruhig werden.
§. 36.
Unter den mancherley Arten dieser thierischen Triebe sind besonders die so genannten Kunst- triebe merkwürdig, da sich nähmlich so viele warmblütige Thiere und Insecten ohne alle An- weisung und ohne alle vorgängige Uebung**),
*) Herm. Sam. Reimarus Betr. über die Triebe der Thiere. 3te Ausg. Hamb. 1773. 8.
**)„Nascitur ars ista, non discitur.“Seneca.
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Spuren davon finden, nähmlich die so genannten
Naturtriebe oder Instincte. Dagegen er hin-
wiederum im ausschließlichen Besitz der Ver-
nunft ist.
§. 35.
Der Instinct *) ist das Vermögen der Thiere,
aus einem angebornen, unwillkürlichen, inne-
ren Drange, ohne allen Unterricht, von freyen
Stücken, sich zweckmäßigen, und zu ihrer und
ihres Geschlechts Erhaltung abzielenden Hand-
lungen zu unterziehen.
Daß diese wichtigen Handlungen wirklich
ganz unüberlegt bloß maschinenmäßig vollzogen
werden, wird durch tausend Bemerkungen offen-
bar erweislich, z. B. dadurch, daß die Hamster
auch todten Vögeln doch zuerst die Flügel zer-
brechen, ehe sie weiter anbeissen; daß junge Zug-
vögel, die man ganz einsam im Zimmer erzo-
gen hat, doch im Herbst den innern Ruf zum
Fortziehen fühlen, und im Käficht bey allem
guten Futter und Pflege unruhig werden.
§. 36.
Unter den mancherley Arten dieser thierischen
Triebe sind besonders die so genannten Kunst-
triebe merkwürdig, da sich nähmlich so viele
warmblütige Thiere und Insecten ohne alle An-
weisung und ohne alle vorgängige Uebung **),
*) Herm. Sam. Reimarus Betr. über die Triebe der
Thiere. 3te Ausg. Hamb. 1773. 8.
**) „Nascitur ars ista, non discitur.“ Seneca.
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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 5. Aufl. Göttingen, 1797, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1797/61>, abgerufen am 23.11.2024.
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