Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 6. Aufl. Göttingen, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

generis masculini oder foeminini lernen, auch
statt sexus gebraucht wird.

4) Und wenn aber auch obbesagter Refor-
mator im Ernste so was befürchten zu müssen
meinte, so hätte er immerhin mögen wer weiß
was für ein Wort von eigner Fabrik statt des
ihm bedenklichen Geschlechts vorschlagen;
aber nichts konnte ihn berechtigen, die Landes-
sprache - d. h. den bestimmten einmahl fest-
gesetzten Sinn der deutschen Worte - zu ver-
kehren! Denn, wie unser sel. Lichtenberg bey
einem ähnlichen Anlaß sich ausdrückt:

"Hypothesen zu machen, und sie als seine
Stimme der Welt vorzulegen, darf nie-
mand gewehrt seyn, sie gehören dem Ver-
fasser. Aber die Sprache gehört der
Nation, und mit dieser darf man nicht
umspringen, wie man will."

Die gleiche schuldige Achtung gegen dieses
der Nation gehörige Eigenthum, habe ich auch
bey den deutschen Nahmen der Naturalien
beobachtet, und mich daher immer der allge-
mein angenommenen und allgemein verständ-
lichen, nicht aber etwa der Solöcismen einer
einzelnen Provinz bedient. Darum brauche
ich z. B. nicht das hier zu Lande gewöhnliche
Wort Molle, sondern das allgemein ange-

generis masculini oder foeminini lernen, auch
statt sexus gebraucht wird.

4) Und wenn aber auch obbesagter Refor-
mator im Ernste so was befürchten zu müssen
meinte, so hätte er immerhin mögen wer weiß
was für ein Wort von eigner Fabrik statt des
ihm bedenklichen Geschlechts vorschlagen;
aber nichts konnte ihn berechtigen, die Landes-
sprache – d. h. den bestimmten einmahl fest-
gesetzten Sinn der deutschen Worte – zu ver-
kehren! Denn, wie unser sel. Lichtenberg bey
einem ähnlichen Anlaß sich ausdrückt:

„Hypothesen zu machen, und sie als seine
Stimme der Welt vorzulegen, darf nie-
mand gewehrt seyn, sie gehören dem Ver-
fasser. Aber die Sprache gehört der
Nation, und mit dieser darf man nicht
umspringen, wie man will.„

Die gleiche schuldige Achtung gegen dieses
der Nation gehörige Eigenthum, habe ich auch
bey den deutschen Nahmen der Naturalien
beobachtet, und mich daher immer der allge-
mein angenommenen und allgemein verständ-
lichen, nicht aber etwa der Solöcismen einer
einzelnen Provinz bedient. Darum brauche
ich z. B. nicht das hier zu Lande gewöhnliche
Wort Molle, sondern das allgemein ange-

<TEI>
  <text xml:id="blume000027">
    <front>
      <div type="preface" n="1">
        <p><pb facs="#f0014" xml:id="pbX_0001" n="X"/><hi rendition="#aq">generis masculini</hi> oder <hi rendition="#aq">foeminini</hi> lernen, auch<lb/>
statt <hi rendition="#aq">sexus</hi> gebraucht wird.</p>
        <p>4) Und wenn aber auch obbesagter Refor-<lb/>
mator im Ernste so was befürchten zu müssen<lb/>
meinte, so hätte er immerhin mögen wer weiß<lb/>
was für ein Wort von eigner Fabrik statt des<lb/>
ihm bedenklichen Geschlechts vorschlagen;<lb/>
aber nichts konnte ihn berechtigen, die Landes-<lb/>
sprache &#x2013; d. h. den bestimmten einmahl fest-<lb/>
gesetzten Sinn der deutschen Worte &#x2013; zu ver-<lb/>
kehren! Denn, wie unser sel. Lichtenberg bey<lb/>
einem ähnlichen Anlaß sich ausdrückt:</p>
        <p rendition="#l1em #no_indent">
          <q type="preline">&#x201E;Hypothesen zu machen, und sie als seine<lb/>
Stimme der Welt vorzulegen, darf nie-<lb/>
mand gewehrt seyn, sie gehören dem Ver-<lb/>
fasser. Aber <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">die Sprache</hi></hi> gehört der<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Nation</hi></hi>, und mit dieser darf man nicht<lb/>
umspringen, wie man will.&#x201E;</q>
        </p>
        <p>Die gleiche schuldige Achtung gegen dieses<lb/>
der Nation gehörige Eigenthum, habe ich auch<lb/>
bey den deutschen Nahmen der Naturalien<lb/>
beobachtet, und mich daher immer der allge-<lb/>
mein angenommenen und allgemein verständ-<lb/>
lichen, nicht aber etwa der Solöcismen einer<lb/>
einzelnen Provinz bedient. Darum brauche<lb/>
ich z. B. nicht das hier zu Lande gewöhnliche<lb/>
Wort Molle, sondern das allgemein ange-<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[X/0014] generis masculini oder foeminini lernen, auch statt sexus gebraucht wird. 4) Und wenn aber auch obbesagter Refor- mator im Ernste so was befürchten zu müssen meinte, so hätte er immerhin mögen wer weiß was für ein Wort von eigner Fabrik statt des ihm bedenklichen Geschlechts vorschlagen; aber nichts konnte ihn berechtigen, die Landes- sprache – d. h. den bestimmten einmahl fest- gesetzten Sinn der deutschen Worte – zu ver- kehren! Denn, wie unser sel. Lichtenberg bey einem ähnlichen Anlaß sich ausdrückt: „Hypothesen zu machen, und sie als seine Stimme der Welt vorzulegen, darf nie- mand gewehrt seyn, sie gehören dem Ver- fasser. Aber die Sprache gehört der Nation, und mit dieser darf man nicht umspringen, wie man will.„ Die gleiche schuldige Achtung gegen dieses der Nation gehörige Eigenthum, habe ich auch bey den deutschen Nahmen der Naturalien beobachtet, und mich daher immer der allge- mein angenommenen und allgemein verständ- lichen, nicht aber etwa der Solöcismen einer einzelnen Provinz bedient. Darum brauche ich z. B. nicht das hier zu Lande gewöhnliche Wort Molle, sondern das allgemein ange-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt vom Projekt „Johann Friedrich Blumenbach – online“ der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.

Herstellung der Imagedateien des Quelldokuments durch die Utrecht University Library und die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena.

Anmerkungen zur Transkription:

Bei der Zeichenerkennung wurde nach dem von der Akademie gelieferten Dokument "Buchstabenmuster_Blumenbach.doc" modernisiert.

In Absprache mit der Akademie wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:

  • Bogensignaturen und Kustoden
  • Kolumnentitel
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizeriung von titleParts verzeichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.

Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet. Eine Ausnahme bilden Zitate, bei denen das Anführungszeichen zu Beginn jeder Zeile wiederholt wird. Hier wurden die Wiederholungen des öffenenden Zeichens nicht übernommen, sondern jeweils nur das öffnende und das schließende Zeichen. Das umschließende Element q wurde für diese Zitate über das Attribut type mit dem Wert preline gekennzeichnet.

Weiche und harte Zeilentrennungen wurden als 002D übernommen. Weiche Zeilentrennungen wurden über die Ergänzung eines Attributwertes von den harten Trennungen unterscheiden: lb type="inWord". Erstreckt sich die Worttrennung über einen Seitenumbruch steht das Element pb direkt hinter dem schließenden lb type="inWord" bzw. lb.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1799/14
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 6. Aufl. Göttingen, 1799, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1799/14>, abgerufen am 03.12.2024.