Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 7. Aufl. Göttingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

ganzen Bildung, besonders aber in Rücksicht
der Blüthe und der Frucht in so zahlreiche
Spielarten ausgeartet sind. So zählt man
z. B. jetzt auf drey tausend Varietäten von Tu-
lipanen, wovon doch vor 200 Jahren bloß die
gelbe Stammart in Europa bekannt war. -
So ist der Stängel (§. 168) bey manchen
Pflanzen bloß Folge der Degeneration, den
sie erst im cultivirten Zustande treiben, da sie
hingegen im wilden Naturstande acaules sind
(z. B carlina acaulis u. a.m.). Anderseits
verlieren manche Gewächse durch die Cultur
gewisse Theile, die sie im Naturzustande hatten.
So wird z. B. die indische wilde Lawsonia
spinosa in Syrien durch die Cultur inermis -
Ueberhaupt sind auch die Gewächse manchen
Arten von Degeneration ausgesetzt, die bey den
Thieren gar nicht Statt haben können, wie
z. B. die Ausartung der männlichen Befruch-
tungstheile in den gefüllten Blumen u. dergl. m.

§. 203.

Vorzüglich merkwürdig ist die Abartung
der Gewächse durch Bastardzeugung (§. 14.),
worüber bekanntlich Herr Kölreuter die scharf-
sinnigsten Versuche angestellt, und sogar durch
wiederhohlte Erzeugung fruchtbarer Bastard-
pflanzen die Eine Gattung von Toback (nico-
tiana
rustica) endlich vollkommen in eine an-
dere (nicotiana paniculata) verwandelt und

ganzen Bildung, besonders aber in Rücksicht
der Blüthe und der Frucht in so zahlreiche
Spielarten ausgeartet sind. So zählt man
z. B. jetzt auf drey tausend Varietäten von Tu-
lipanen, wovon doch vor 200 Jahren bloß die
gelbe Stammart in Europa bekannt war. –
So ist der Stängel (§. 168) bey manchen
Pflanzen bloß Folge der Degeneration, den
sie erst im cultivirten Zustande treiben, da sie
hingegen im wilden Naturstande acaules sind
(z. B carlina acaulis u. a.m.). Anderseits
verlieren manche Gewächse durch die Cultur
gewisse Theile, die sie im Naturzustande hatten.
So wird z. B. die indische wilde Lawsonia
spinosa in Syrien durch die Cultur inermis
Ueberhaupt sind auch die Gewächse manchen
Arten von Degeneration ausgesetzt, die bey den
Thieren gar nicht Statt haben können, wie
z. B. die Ausartung der männlichen Befruch-
tungstheile in den gefüllten Blumen u. dergl. m.

§. 203.

Vorzüglich merkwürdig ist die Abartung
der Gewächse durch Bastardzeugung (§. 14.),
worüber bekanntlich Herr Kölreuter die scharf-
sinnigsten Versuche angestellt, und sogar durch
wiederhohlte Erzeugung fruchtbarer Bastard-
pflanzen die Eine Gattung von Toback (nico-
tiana
rustica) endlich vollkommen in eine an-
dere (nicotiana paniculata) verwandelt und

<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000029">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0531" xml:id="pb511_0001" n="511"/>
ganzen Bildung, besonders aber in Rücksicht<lb/>
der Blüthe und der Frucht in so zahlreiche<lb/>
Spielarten ausgeartet sind. So zählt man<lb/>
z. B. jetzt auf drey tausend Varietäten von Tu-<lb/>
lipanen, wovon doch vor 200 Jahren bloß die<lb/>
gelbe Stammart in Europa bekannt war. &#x2013;<lb/>
So ist der Stängel (§. 168) bey manchen<lb/>
Pflanzen bloß Folge der Degeneration, den<lb/>
sie erst im cultivirten Zustande treiben, da sie<lb/>
hingegen im wilden Naturstande <hi rendition="#aq">acaules</hi> sind<lb/>
(z. B <hi rendition="#aq">carlina</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">acaulis</hi></hi> u. a.m.). Anderseits<lb/>
verlieren manche Gewächse durch die Cultur<lb/>
gewisse Theile, die sie im Naturzustande hatten.<lb/>
So wird z. B. die indische wilde <hi rendition="#aq">Lawsonia</hi><lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">spinosa</hi></hi> in Syrien durch die Cultur <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">inermis</hi></hi> &#x2013;<lb/>
Ueberhaupt sind auch die Gewächse manchen<lb/>
Arten von Degeneration ausgesetzt, die bey den<lb/>
Thieren gar nicht Statt haben können, wie<lb/>
z. B. die Ausartung der männlichen Befruch-<lb/>
tungstheile in den gefüllten Blumen u. dergl. m.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 203.</head><lb/>
          <p>Vorzüglich merkwürdig ist die Abartung<lb/>
der Gewächse durch Bastardzeugung (§. 14.),<lb/>
worüber bekanntlich Herr Kölreuter die scharf-<lb/>
sinnigsten Versuche angestellt, und sogar durch<lb/>
wiederhohlte Erzeugung fruchtbarer Bastard-<lb/>
pflanzen die Eine Gattung von Toback (<hi rendition="#aq">nico-<lb/>
tiana</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">rustica</hi></hi>) endlich vollkommen in eine an-<lb/>
dere (<hi rendition="#aq">nicotiana</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">paniculata</hi></hi>) verwandelt und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[511/0531] ganzen Bildung, besonders aber in Rücksicht der Blüthe und der Frucht in so zahlreiche Spielarten ausgeartet sind. So zählt man z. B. jetzt auf drey tausend Varietäten von Tu- lipanen, wovon doch vor 200 Jahren bloß die gelbe Stammart in Europa bekannt war. – So ist der Stängel (§. 168) bey manchen Pflanzen bloß Folge der Degeneration, den sie erst im cultivirten Zustande treiben, da sie hingegen im wilden Naturstande acaules sind (z. B carlina acaulis u. a.m.). Anderseits verlieren manche Gewächse durch die Cultur gewisse Theile, die sie im Naturzustande hatten. So wird z. B. die indische wilde Lawsonia spinosa in Syrien durch die Cultur inermis – Ueberhaupt sind auch die Gewächse manchen Arten von Degeneration ausgesetzt, die bey den Thieren gar nicht Statt haben können, wie z. B. die Ausartung der männlichen Befruch- tungstheile in den gefüllten Blumen u. dergl. m. §. 203. Vorzüglich merkwürdig ist die Abartung der Gewächse durch Bastardzeugung (§. 14.), worüber bekanntlich Herr Kölreuter die scharf- sinnigsten Versuche angestellt, und sogar durch wiederhohlte Erzeugung fruchtbarer Bastard- pflanzen die Eine Gattung von Toback (nico- tiana rustica) endlich vollkommen in eine an- dere (nicotiana paniculata) verwandelt und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1803/531
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 7. Aufl. Göttingen, 1803, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1803/531>, abgerufen am 22.11.2024.