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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 11. Aufl. Göttingen, 1825.

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§. 36.

Unter den mancherley Arten dieser thierischen
Triebe sind besonders die so genannten Kunst-
triebe
merkwürdig, da sich nähmlich so viele warm-
blütige Thiere und Insecten ohne alle Anweisung
und ohne alle vorgängige Uebung*), (als welche bey
so vielen gar nicht Statt finden kann; wie z. B.
bey den Seidenwürmern etc., die nur Ein für alle
Mahl in ihrem Leben davon Gebrauch machen kön-
nen, und wo folglich schlechterdings erster Versuch
und Meisterstück eins seyn muß), so ungemein künst-
liche Wohnungen, Nester, Gewebe etc. zu ihrem
Aufenthalte, zur Sicherheit für ihre Junge, zum
Fang ihres Raubes, und zu vielfachen andern Zwecken
zu verfertigen wissen.

§. 37.

Der Mensch zeigt außer den Sexualtrieben we-
nig andere Spuren von Instinct: angeborne Kunst-
triebe aber hat er vollends ganz und gar nicht.
Was ihn hingegen für diesen scheinbaren Mangel
entschädigt, ist der Gebrauch der Vernunft.

Diese mag nun entweder eine ausschließlich ei-
genthümliche Fähigkeit der menschlichen Seele, oder
aber ein unendlich stärkerer Grad einer Fähigkeit
seyn, wovon manche Thiere**) auch einige schwache
Spur hätten; oder eine eigne Richtung der ge-
sammten menschlichen Seelenkräfte u. s. w., so liegt
wenigstens der hohe Vorzug, den der Mensch durch
den Besitz derselben erhält, das Vermögen sich selbst
zu vervollkommnen, unwiderredlich am Tage.

*) "Nascitur ars ista, non discitur." Seneca.
**) Ch. G. le Roy Lettres philosophiques sur l'intelligence
et la perfectibilite des animaux
. Par
. 1802. 8.
§. 36.

Unter den mancherley Arten dieser thierischen
Triebe sind besonders die so genannten Kunst-
triebe
merkwürdig, da sich nähmlich so viele warm-
blütige Thiere und Insecten ohne alle Anweisung
und ohne alle vorgängige Uebung*), (als welche bey
so vielen gar nicht Statt finden kann; wie z. B.
bey den Seidenwürmern ꝛc., die nur Ein für alle
Mahl in ihrem Leben davon Gebrauch machen kön-
nen, und wo folglich schlechterdings erster Versuch
und Meisterstück eins seyn muß), so ungemein künst-
liche Wohnungen, Nester, Gewebe ꝛc. zu ihrem
Aufenthalte, zur Sicherheit für ihre Junge, zum
Fang ihres Raubes, und zu vielfachen andern Zwecken
zu verfertigen wissen.

§. 37.

Der Mensch zeigt außer den Sexualtrieben we-
nig andere Spuren von Instinct: angeborne Kunst-
triebe aber hat er vollends ganz und gar nicht.
Was ihn hingegen für diesen scheinbaren Mangel
entschädigt, ist der Gebrauch der Vernunft.

Diese mag nun entweder eine ausschließlich ei-
genthümliche Fähigkeit der menschlichen Seele, oder
aber ein unendlich stärkerer Grad einer Fähigkeit
seyn, wovon manche Thiere**) auch einige schwache
Spur hätten; oder eine eigne Richtung der ge-
sammten menschlichen Seelenkräfte u. s. w., so liegt
wenigstens der hohe Vorzug, den der Mensch durch
den Besitz derselben erhält, das Vermögen sich selbst
zu vervollkommnen, unwiderredlich am Tage.

*) Nascitur ars ista, non discitur. Seneca.
**) Ch. G. le Roy Lettres philosophiques sur l'intelligence
et la perfectibilité des animaux
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[37/0059] §. 36. Unter den mancherley Arten dieser thierischen Triebe sind besonders die so genannten Kunst- triebe merkwürdig, da sich nähmlich so viele warm- blütige Thiere und Insecten ohne alle Anweisung und ohne alle vorgängige Uebung *), (als welche bey so vielen gar nicht Statt finden kann; wie z. B. bey den Seidenwürmern ꝛc., die nur Ein für alle Mahl in ihrem Leben davon Gebrauch machen kön- nen, und wo folglich schlechterdings erster Versuch und Meisterstück eins seyn muß), so ungemein künst- liche Wohnungen, Nester, Gewebe ꝛc. zu ihrem Aufenthalte, zur Sicherheit für ihre Junge, zum Fang ihres Raubes, und zu vielfachen andern Zwecken zu verfertigen wissen. §. 37. Der Mensch zeigt außer den Sexualtrieben we- nig andere Spuren von Instinct: angeborne Kunst- triebe aber hat er vollends ganz und gar nicht. Was ihn hingegen für diesen scheinbaren Mangel entschädigt, ist der Gebrauch der Vernunft. Diese mag nun entweder eine ausschließlich ei- genthümliche Fähigkeit der menschlichen Seele, oder aber ein unendlich stärkerer Grad einer Fähigkeit seyn, wovon manche Thiere **) auch einige schwache Spur hätten; oder eine eigne Richtung der ge- sammten menschlichen Seelenkräfte u. s. w., so liegt wenigstens der hohe Vorzug, den der Mensch durch den Besitz derselben erhält, das Vermögen sich selbst zu vervollkommnen, unwiderredlich am Tage. *) “Nascitur ars ista, non discitur.” Seneca. **) Ch. G. le Roy Lettres philosophiques sur l'intelligence et la perfectibilité des animaux. Par. 1802. 8.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 11. Aufl. Göttingen, 1825, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1825/59>, abgerufen am 21.11.2024.