Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Göttingen, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite
A. Versteinerungen des Thierreichs.


I. Von Säugethieren.

Die so oft und viel pro und contra besprochen
so genannten Anthropolithen, wie z. B. die theils fast
completen Menschengerippe an der Küste von Gua-
deloupe in einem festen Kalksinter mit Muschelsand, der
auch Milleporen und Schnecken aus der jetzigen Schöpfung
enthält*), sind wohl von zu modernen Datum, als daß
sie in die eigentliche Petrefactenkunde gezogen werden
dürften; so wenig als die Knochen von Füchsen, Schwei-
nen etc. im hieländischen Mergeltuff**).

Hingegen gehören zu den fossilen Resten von solchen
Quadrupeden der Vorwelt, welchen verwandte Gattun-
gen in der jetzigen Schöpfung ähneln, um nur einige

*) Ch. König on a fossil human Skeleton from Guadaloupe
in den Philos. Transactions for 1814. tab. 3.Und in meinem Specimen archaeologiae telluris alterum (1816)
das Epimetrum p. 22. u. f.Zwar bedarf des alten Scheuchzer's vermeinter homo diluvii
testis
und die Pfoten von Palmatis in bituminösem Mergelschie-
fer, die der Bergr. Ries für Kinderhändchen angesehen, jetzt kei-
ner Berichtigung mehr; aber wohl hat Spallanzani's zuversicht-
liche Behauptung (im III. B. der Memoire della Societa italiana
S. 452 u. f.), daß die zusammengesinterten Knochenbreschen auf
Cerigo von Anthropolithen wimmeln sollen, noch neuerlich manche
Mineralogen irre gefühlt. - Ich habe aber durch die Freund-
schaft des besonders durch seine gelehrten Reisen nach den Mor-
genländern berühmten Hrn. Hawkins einen Vorrath von diesen
famosen Knochenbreschen erhalten, und nach aller streng osteologi-
schen Prüfung eben so wenig eine Spur von Menschengebeinen
darin gefunden, als in den ihnen oryktognostisch und geognostisch
völlig ähnlichen, die ich von Gibraltar und der Küste von Dalma-
tien besitze.
**) Und das gleiche gilt auch wohl von den Knochen und mäch-
tig großen Geweihen des sogenannten Riesen-Elenns (Cervus me-
gaceros
), die zumal in Irland in neuern Torf- und Mergeltuff-
Lagern gefunden werden. s. Th. Weaver in den philos. Trans-
actions for
1825. p. 429. und die Abbildung des Skelets in J.
Hart's Description. Dublin 1825. 8.
A. Versteinerungen des Thierreichs.


I. Von Säugethieren.

Die so oft und viel pro und contra besprochen
so genannten Anthropolithen, wie z. B. die theils fast
completen Menschengerippe an der Küste von Gua-
deloupe in einem festen Kalksinter mit Muschelsand, der
auch Milleporen und Schnecken aus der jetzigen Schöpfung
enthält*), sind wohl von zu modernen Datum, als daß
sie in die eigentliche Petrefactenkunde gezogen werden
dürften; so wenig als die Knochen von Füchsen, Schwei-
nen ꝛc. im hieländischen Mergeltuff**).

Hingegen gehören zu den fossilen Resten von solchen
Quadrupeden der Vorwelt, welchen verwandte Gattun-
gen in der jetzigen Schöpfung ähneln, um nur einige

*) Ch. König on a fossil human Skeleton from Guadaloupe
in den Philos. Transactions for 1814. tab. 3.Und in meinem Specimen archaeologiae telluris alterum (1816)
das Epimetrum p. 22. u. f.Zwar bedarf des alten Scheuchzer's vermeinter homo diluvii
testis
und die Pfoten von Palmatis in bituminösem Mergelschie-
fer, die der Bergr. Ries für Kinderhändchen angesehen, jetzt kei-
ner Berichtigung mehr; aber wohl hat Spallanzani's zuversicht-
liche Behauptung (im III. B. der Memoire della Societá italiana
S. 452 u. f.), daß die zusammengesinterten Knochenbreschen auf
Cerigo von Anthropolithen wimmeln sollen, noch neuerlich manche
Mineralogen irre gefühlt. – Ich habe aber durch die Freund-
schaft des besonders durch seine gelehrten Reisen nach den Mor-
genländern berühmten Hrn. Hawkins einen Vorrath von diesen
famosen Knochenbreschen erhalten, und nach aller streng osteologi-
schen Prüfung eben so wenig eine Spur von Menschengebeinen
darin gefunden, als in den ihnen oryktognostisch und geognostisch
völlig ähnlichen, die ich von Gibraltar und der Küste von Dalma-
tien besitze.
**) Und das gleiche gilt auch wohl von den Knochen und mäch-
tig großen Geweihen des sogenannten Riesen-Elenns (Cervus me-
gaceros
), die zumal in Irland in neuern Torf- und Mergeltuff-
Lagern gefunden werden. s. Th. Weaver in den philos. Trans-
actions for
1825. p. 429. und die Abbildung des Skelets in J.
Hart's Description. Dublin 1825. 8.
<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000034">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0636" xml:id="pb618_0001" n="618"/>
          <head rendition="#c"><hi rendition="#aq">A</hi>. Versteinerungen des Thierreichs.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head rendition="#c">I. <hi rendition="#g">Von Säugethieren</hi>.</head><lb/>
            <p>Die so oft und viel <hi rendition="#aq">pro</hi> und <hi rendition="#aq">contra</hi> besprochen<lb/>
so genannten Anthropolithen, wie z. B. die theils fast<lb/>
completen <hi rendition="#g">Menschengerippe</hi> an der Küste von Gua-<lb/>
deloupe in einem festen Kalksinter mit Muschelsand, der<lb/>
auch Milleporen und Schnecken aus der jetzigen Schöpfung<lb/>
enthält<note anchored="true" place="foot" n="*)"><p><hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">Ch. König</hi></hi><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">on a fossil human Skeleton from Guadaloupe</hi></hi><lb/>
in den <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Philos. Transactions for</hi></hi> 1814. <hi rendition="#aq">tab</hi>. 3.</p><p>Und in meinem <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Specimen archaeologiae telluris</hi></hi> <hi rendition="#aq">alterum</hi> (1816)<lb/>
das <hi rendition="#aq">Epimetrum p</hi>. 22. u. f.</p><p>Zwar bedarf des alten <hi rendition="#g">Scheuchzer's</hi> vermeinter <hi rendition="#aq">homo diluvii<lb/>
testis</hi> und die Pfoten von <hi rendition="#aq">Palmatis</hi> in bituminösem Mergelschie-<lb/>
fer, die der Bergr. <hi rendition="#g">Ries</hi> für Kinderhändchen angesehen, jetzt kei-<lb/>
ner Berichtigung mehr; aber wohl hat <hi rendition="#g">Spallanzani's</hi> zuversicht-<lb/>
liche Behauptung (im III. B. der <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Memoire della Societá italiana</hi></hi><lb/>
S. 452 u. f.), daß die zusammengesinterten Knochenbreschen auf<lb/>
Cerigo von Anthropolithen wimmeln sollen, noch neuerlich manche<lb/>
Mineralogen irre gefühlt. &#x2013; Ich habe aber durch die Freund-<lb/>
schaft des besonders durch seine gelehrten Reisen nach den Mor-<lb/>
genländern berühmten Hrn. <hi rendition="#g">Hawkins</hi> einen Vorrath von diesen<lb/>
famosen Knochenbreschen erhalten, und nach aller streng osteologi-<lb/>
schen Prüfung eben so wenig eine Spur von Menschengebeinen<lb/>
darin gefunden, als in den ihnen oryktognostisch und geognostisch<lb/>
völlig ähnlichen, die ich von Gibraltar und der Küste von Dalma-<lb/>
tien besitze.</p></note>, sind wohl von zu modernen Datum, als daß<lb/>
sie in die eigentliche Petrefactenkunde gezogen werden<lb/>
dürften; so wenig als die Knochen von Füchsen, Schwei-<lb/>
nen &#xA75B;c. im hieländischen Mergeltuff<note anchored="true" place="foot" n="**)"><p>Und das gleiche gilt auch wohl von den Knochen und mäch-<lb/>
tig großen Geweihen des sogenannten Riesen-Elenns (<hi rendition="#aq">Cervus</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">me-<lb/>
gaceros</hi></hi>), die zumal in Irland in neuern Torf- und Mergeltuff-<lb/>
Lagern gefunden werden. s. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">Th. Weaver</hi></hi> in den <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">philos. Trans-<lb/>
actions for</hi></hi> 1825. <hi rendition="#aq">p</hi>. 429. und die Abbildung des Skelets in <hi rendition="#aq">J</hi>.<lb/><hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">Hart's</hi></hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Description</hi></hi>. <hi rendition="#aq">Dublin</hi> 1825. 8.</p></note>.</p>
            <p>Hingegen gehören zu den fossilen Resten von solchen<lb/>
Quadrupeden der Vorwelt, welchen verwandte Gattun-<lb/>
gen in der jetzigen Schöpfung ähneln, um nur einige<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[618/0636] A. Versteinerungen des Thierreichs. I. Von Säugethieren. Die so oft und viel pro und contra besprochen so genannten Anthropolithen, wie z. B. die theils fast completen Menschengerippe an der Küste von Gua- deloupe in einem festen Kalksinter mit Muschelsand, der auch Milleporen und Schnecken aus der jetzigen Schöpfung enthält *), sind wohl von zu modernen Datum, als daß sie in die eigentliche Petrefactenkunde gezogen werden dürften; so wenig als die Knochen von Füchsen, Schwei- nen ꝛc. im hieländischen Mergeltuff **). Hingegen gehören zu den fossilen Resten von solchen Quadrupeden der Vorwelt, welchen verwandte Gattun- gen in der jetzigen Schöpfung ähneln, um nur einige *) Ch. König on a fossil human Skeleton from Guadaloupe in den Philos. Transactions for 1814. tab. 3. Und in meinem Specimen archaeologiae telluris alterum (1816) das Epimetrum p. 22. u. f. Zwar bedarf des alten Scheuchzer's vermeinter homo diluvii testis und die Pfoten von Palmatis in bituminösem Mergelschie- fer, die der Bergr. Ries für Kinderhändchen angesehen, jetzt kei- ner Berichtigung mehr; aber wohl hat Spallanzani's zuversicht- liche Behauptung (im III. B. der Memoire della Societá italiana S. 452 u. f.), daß die zusammengesinterten Knochenbreschen auf Cerigo von Anthropolithen wimmeln sollen, noch neuerlich manche Mineralogen irre gefühlt. – Ich habe aber durch die Freund- schaft des besonders durch seine gelehrten Reisen nach den Mor- genländern berühmten Hrn. Hawkins einen Vorrath von diesen famosen Knochenbreschen erhalten, und nach aller streng osteologi- schen Prüfung eben so wenig eine Spur von Menschengebeinen darin gefunden, als in den ihnen oryktognostisch und geognostisch völlig ähnlichen, die ich von Gibraltar und der Küste von Dalma- tien besitze. **) Und das gleiche gilt auch wohl von den Knochen und mäch- tig großen Geweihen des sogenannten Riesen-Elenns (Cervus me- gaceros), die zumal in Irland in neuern Torf- und Mergeltuff- Lagern gefunden werden. s. Th. Weaver in den philos. Trans- actions for 1825. p. 429. und die Abbildung des Skelets in J. Hart's Description. Dublin 1825. 8.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1830/636
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Göttingen, 1830, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1830/636>, abgerufen am 28.11.2024.