Die Ernährung der organisirten Körper geht auf ver- schiedene Weise vor sich. Den Pflanzen wird ihre einfache Nah- rung durch Wurzeln, die sich außerhalb ihres Stammes am einen Ende desselben befinden, zugeführt. Die Thiere hin- gegen haben, wie sich Boerhaave ausdrückte, gleichsam ihre Wurzeln innerhalb ihres Körpers, nähmlich im Magen und Darmkanal, wo der nahrhafte Theil der Alimente durch unzählige Gefäßchen, fast wie bei den Pflanzen durch Wurzeln, eingesogen und dem übrigen Körper zugeführt wird.
Der brauchbare Theil der Nahrungsmittel wird durch einen bewundrungswürdigen Proceß dem Stoff der organisirten Körper assimilirt; der überflüssige hingegen ausgedunstet; und bei den Thieren, die keinen so einfachen Nahrungssaft wie die Pflanzen zu sich nehmen, auch durch andere Wege als Un- rath ausgeworfen.
§. 18.
Das Wachsthum der organisirten Körper ist die Fol- ge ihrer Ernährung. Die meisten erreichen früh die bestimmte Größe ihres Körpers. Von manchen Bäumen aber, wie z. B. von der Norfolkinsel-Fichte (Columniapinifolia oder Arau- cariaexcelsa), der Kohlpalme (Arecaoleracea), dem Baobab (Adansoniadigitata) etc., auch von einigen andern Gewächsen, z. B. vom Rotang (Calamusrotang) und so auch von manchen Thieren, wie z. B. von vielen Gattungen der Bandwürmer und selbst von den Crocodilen und großen Wasserschlangen läßt sich schwerlich sagen, ob und wann in ihrem Leben sie aufhören an Länge oder Dicke zuzunehmen.
§. 19.
Zum Wachsthum der organisirten Körper gehört auch ihre Reproductions-Kraft, oder die merkwürdige Eigen- schaft, daß sich verstümmelte oder völlig verlorne Theile ihres Körpers von selbst wieder ergänzen. Diese bewundernswerthe Einrichtung in der organisirten Schöpfung sichert die Thiere und die Pflanzen bei tausend Gefahren, wo ihr Körper ver- letzt wird: und ist folglich auch, nebst der Ernährung über- haupt, einer der größten Vorzüge, wodurch die Maschinen aus der Hand des Schöpfers bei weitem über die größten Kunstwerke der Menschen erhoben werden, als welchen ihre Verfertiger keine Kraft mittheilen können, ihre Triebfedern und Räder, wenn sie verbogen, verstümmelt und abgenutzt würden, von selbst wieder herzustellen: eine Kraft, die hin-
§. 17.
Die Ernährung der organisirten Körper geht auf ver- schiedene Weise vor sich. Den Pflanzen wird ihre einfache Nah- rung durch Wurzeln, die sich außerhalb ihres Stammes am einen Ende desselben befinden, zugeführt. Die Thiere hin- gegen haben, wie sich Boerhaave ausdrückte, gleichsam ihre Wurzeln innerhalb ihres Körpers, nähmlich im Magen und Darmkanal, wo der nahrhafte Theil der Alimente durch unzählige Gefäßchen, fast wie bei den Pflanzen durch Wurzeln, eingesogen und dem übrigen Körper zugeführt wird.
Der brauchbare Theil der Nahrungsmittel wird durch einen bewundrungswürdigen Proceß dem Stoff der organisirten Körper assimilirt; der überflüssige hingegen ausgedunstet; und bei den Thieren, die keinen so einfachen Nahrungssaft wie die Pflanzen zu sich nehmen, auch durch andere Wege als Un- rath ausgeworfen.
§. 18.
Das Wachsthum der organisirten Körper ist die Fol- ge ihrer Ernährung. Die meisten erreichen früh die bestimmte Größe ihres Körpers. Von manchen Bäumen aber, wie z. B. von der Norfolkinsel-Fichte (Columniapinifolia oder Arau- cariaexcelsa), der Kohlpalme (Arecaoleracea), dem Baobab (Adansoniadigitata) ꝛc., auch von einigen andern Gewächsen, z. B. vom Rotang (Calamusrotang) und so auch von manchen Thieren, wie z. B. von vielen Gattungen der Bandwürmer und selbst von den Crocodilen und großen Wasserschlangen läßt sich schwerlich sagen, ob und wann in ihrem Leben sie aufhören an Länge oder Dicke zuzunehmen.
§. 19.
Zum Wachsthum der organisirten Körper gehört auch ihre Reproductions-Kraft, oder die merkwürdige Eigen- schaft, daß sich verstümmelte oder völlig verlorne Theile ihres Körpers von selbst wieder ergänzen. Diese bewundernswerthe Einrichtung in der organisirten Schöpfung sichert die Thiere und die Pflanzen bei tausend Gefahren, wo ihr Körper ver- letzt wird: und ist folglich auch, nebst der Ernährung über- haupt, einer der größten Vorzüge, wodurch die Maschinen aus der Hand des Schöpfers bei weitem über die größten Kunstwerke der Menschen erhoben werden, als welchen ihre Verfertiger keine Kraft mittheilen können, ihre Triebfedern und Räder, wenn sie verbogen, verstümmelt und abgenutzt würden, von selbst wieder herzustellen: eine Kraft, die hin-
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§. 17.
Die Ernährung der organisirten Körper geht auf ver-
schiedene Weise vor sich. Den Pflanzen wird ihre einfache Nah-
rung durch Wurzeln, die sich außerhalb ihres Stammes
am einen Ende desselben befinden, zugeführt. Die Thiere hin-
gegen haben, wie sich Boerhaave ausdrückte, gleichsam ihre
Wurzeln innerhalb ihres Körpers, nähmlich im Magen
und Darmkanal, wo der nahrhafte Theil der Alimente durch
unzählige Gefäßchen, fast wie bei den Pflanzen durch Wurzeln,
eingesogen und dem übrigen Körper zugeführt wird.
Der brauchbare Theil der Nahrungsmittel wird durch
einen bewundrungswürdigen Proceß dem Stoff der organisirten
Körper assimilirt; der überflüssige hingegen ausgedunstet;
und bei den Thieren, die keinen so einfachen Nahrungssaft wie
die Pflanzen zu sich nehmen, auch durch andere Wege als Un-
rath ausgeworfen.
§. 18.
Das Wachsthum der organisirten Körper ist die Fol-
ge ihrer Ernährung. Die meisten erreichen früh die bestimmte
Größe ihres Körpers. Von manchen Bäumen aber, wie z. B.
von der Norfolkinsel-Fichte (Columnia pinifolia oder Arau-
caria excelsa), der Kohlpalme (Areca oleracea), dem
Baobab (Adansonia digitata) ꝛc., auch von einigen andern
Gewächsen, z. B. vom Rotang (Calamus rotang) und so
auch von manchen Thieren, wie z. B. von vielen Gattungen
der Bandwürmer und selbst von den Crocodilen und großen
Wasserschlangen läßt sich schwerlich sagen, ob und wann in
ihrem Leben sie aufhören an Länge oder Dicke zuzunehmen.
§. 19.
Zum Wachsthum der organisirten Körper gehört auch ihre
Reproductions-Kraft, oder die merkwürdige Eigen-
schaft, daß sich verstümmelte oder völlig verlorne Theile ihres
Körpers von selbst wieder ergänzen. Diese bewundernswerthe
Einrichtung in der organisirten Schöpfung sichert die Thiere
und die Pflanzen bei tausend Gefahren, wo ihr Körper ver-
letzt wird: und ist folglich auch, nebst der Ernährung über-
haupt, einer der größten Vorzüge, wodurch die Maschinen
aus der Hand des Schöpfers bei weitem über die größten
Kunstwerke der Menschen erhoben werden, als welchen ihre
Verfertiger keine Kraft mittheilen können, ihre Triebfedern
und Räder, wenn sie verbogen, verstümmelt und abgenutzt
würden, von selbst wieder herzustellen: eine Kraft, die hin-
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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/28>, abgerufen am 21.11.2024.
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