Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Anfangsgründe der Physiologie. (Übers. Joseph Eyerel). Wien, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 74.

Nach der gewöhnlichen Lehre der Physiolo-
gen sollen die Aeste der Blutgefäße zusammenge-
nommen, weiter seyn, als die Hauptstämme, wor-
aus sie entstanden sind. Ich zweifle aber sehr an
der allgemeinen Richtigkeit dieses Satzes; denn
zu geschweigen, daß man zuweilen die Größe des
Durchmessers mit dem Flächeninhalt verwechselt
hat, so habe ich selbst öfters Gelegenheit gehabt,
das Gegentheil zu beobachten; nicht nur bei ana-
tomischen, oft sehr übel angebrachten Wachsaus-
spritzungen der Gefäße, sondern auch bei Ver-
suchen, die ich an frischen Leichnamen anstellte,
z. B. an der arteria innominata, und der dar-
aus entspringenden arteria carotida, und subcla-
via dextra
, auch an der arteria radiali und cu-
bitali
; ich fand allezeit, daß der Durchmesser des
Hauptstammes mit dem Durchmesser der Aeste
ein rechtwinklichtes Dreieck bildete, wo das Qua-
drat der Hypothenuse, den beiden Quadraten der
beiden übrigen Seiten zusammengenommen gleich
war a).

Selbst Haller macht bei den Haargefäßen
eine Ausnahme, bei denen die Summe ihrer
Zweige nicht grösser, als der Durchschnitt ihres
Stammes sein soll; so daß wenigstens der allge-
mein angenommene Calcul nicht auf das ganze
System der Blutgefäße, sondern nur von einigen
wenigen Stammen gilt.

a) Kemp. l. c.

§. 75.

Gemeiniglich betrachtet man die Stämme
und Zweige der Arterien als Kegel, die mit einer

§. 74.

Nach der gewöhnlichen Lehre der Physiolo-
gen sollen die Aeste der Blutgefäße zusammenge-
nommen, weiter seyn, als die Hauptstämme, wor-
aus sie entstanden sind. Ich zweifle aber sehr an
der allgemeinen Richtigkeit dieses Satzes; denn
zu geschweigen, daß man zuweilen die Größe des
Durchmessers mit dem Flächeninhalt verwechselt
hat, so habe ich selbst öfters Gelegenheit gehabt,
das Gegentheil zu beobachten; nicht nur bei ana-
tomischen, oft sehr übel angebrachten Wachsaus-
spritzungen der Gefäße, sondern auch bei Ver-
suchen, die ich an frischen Leichnamen anstellte,
z. B. an der arteria innominata, und der dar-
aus entspringenden arteria carotida, und subcla-
via dextra
, auch an der arteria radiali und cu-
bitali
; ich fand allezeit, daß der Durchmesser des
Hauptstammes mit dem Durchmesser der Aeste
ein rechtwinklichtes Dreieck bildete, wo das Qua-
drat der Hypothenuse, den beiden Quadraten der
beiden übrigen Seiten zusammengenommen gleich
war a).

Selbst Haller macht bei den Haargefäßen
eine Ausnahme, bei denen die Summe ihrer
Zweige nicht grösser, als der Durchschnitt ihres
Stammes sein soll; so daß wenigstens der allge-
mein angenommene Calcul nicht auf das ganze
System der Blutgefäße, sondern nur von einigen
wenigen Stammen gilt.

a) Kemp. l. c.

§. 75.

Gemeiniglich betrachtet man die Stämme
und Zweige der Arterien als Kegel, die mit einer

<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000071">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0065" xml:id="pb045_0001" n="45"/>
          <head rendition="#c">§. 74.</head><lb/>
          <p>Nach der gewöhnlichen Lehre der Physiolo-<lb/>
gen sollen die Aeste der Blutgefäße zusammenge-<lb/>
nommen, weiter seyn, als die Hauptstämme, wor-<lb/>
aus sie entstanden sind. Ich zweifle aber sehr an<lb/>
der allgemeinen Richtigkeit dieses Satzes; denn<lb/>
zu geschweigen, daß man zuweilen die Größe des<lb/>
Durchmessers mit dem Flächeninhalt verwechselt<lb/>
hat, so habe ich selbst öfters Gelegenheit gehabt,<lb/>
das Gegentheil zu beobachten; nicht nur bei ana-<lb/>
tomischen, oft sehr übel angebrachten Wachsaus-<lb/>
spritzungen der Gefäße, sondern auch bei Ver-<lb/>
suchen, die ich an frischen Leichnamen anstellte,<lb/>
z. B. an der <hi rendition="#aq">arteria innominata</hi>, und der dar-<lb/>
aus entspringenden <hi rendition="#aq">arteria carotida</hi>, und <hi rendition="#aq">subcla-<lb/>
via dextra</hi>, auch an der <hi rendition="#aq">arteria radiali</hi> und <hi rendition="#aq">cu-<lb/>
bitali</hi>; ich fand allezeit, daß der Durchmesser des<lb/>
Hauptstammes mit dem Durchmesser der Aeste<lb/>
ein rechtwinklichtes Dreieck bildete, wo das Qua-<lb/>
drat der Hypothenuse, den beiden Quadraten der<lb/>
beiden übrigen Seiten zusammengenommen gleich<lb/>
war <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>).</p>
          <p>Selbst Haller macht bei den Haargefäßen<lb/>
eine Ausnahme, bei denen die Summe ihrer<lb/>
Zweige nicht grösser, als der Durchschnitt ihres<lb/>
Stammes sein soll; so daß wenigstens der allge-<lb/>
mein angenommene Calcul nicht auf das ganze<lb/>
System der Blutgefäße, sondern nur von einigen<lb/>
wenigen Stammen gilt.</p>
          <p rendition="#indent-2"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a) Kemp</hi></hi><hi rendition="#aq">. l. c</hi>.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 75.</head><lb/>
          <p>Gemeiniglich betrachtet man die Stämme<lb/>
und Zweige der Arterien als Kegel, die mit einer<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0065] §. 74. Nach der gewöhnlichen Lehre der Physiolo- gen sollen die Aeste der Blutgefäße zusammenge- nommen, weiter seyn, als die Hauptstämme, wor- aus sie entstanden sind. Ich zweifle aber sehr an der allgemeinen Richtigkeit dieses Satzes; denn zu geschweigen, daß man zuweilen die Größe des Durchmessers mit dem Flächeninhalt verwechselt hat, so habe ich selbst öfters Gelegenheit gehabt, das Gegentheil zu beobachten; nicht nur bei ana- tomischen, oft sehr übel angebrachten Wachsaus- spritzungen der Gefäße, sondern auch bei Ver- suchen, die ich an frischen Leichnamen anstellte, z. B. an der arteria innominata, und der dar- aus entspringenden arteria carotida, und subcla- via dextra, auch an der arteria radiali und cu- bitali; ich fand allezeit, daß der Durchmesser des Hauptstammes mit dem Durchmesser der Aeste ein rechtwinklichtes Dreieck bildete, wo das Qua- drat der Hypothenuse, den beiden Quadraten der beiden übrigen Seiten zusammengenommen gleich war a). Selbst Haller macht bei den Haargefäßen eine Ausnahme, bei denen die Summe ihrer Zweige nicht grösser, als der Durchschnitt ihres Stammes sein soll; so daß wenigstens der allge- mein angenommene Calcul nicht auf das ganze System der Blutgefäße, sondern nur von einigen wenigen Stammen gilt. a) Kemp. l. c. §. 75. Gemeiniglich betrachtet man die Stämme und Zweige der Arterien als Kegel, die mit einer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1789/65
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Anfangsgründe der Physiologie. (Übers. Joseph Eyerel). Wien, 1789, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1789/65>, abgerufen am 24.11.2024.