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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Achtes Capitel. V. Kasten. Stände. Classen. B. Die Stände.
Prostates, bei den Römern Patronus genannt. Sie gehören
zum Volke und sind nicht den Eigenen gleich zu stellen; aber
ihre Freiheit, ihre Rechte, der Werth, der ihnen beigemessen
wird, sind geringer als die des echten Freien. Von ihnen
werden auch vornehmlich die Handwerke betrieben. Frei-
gelassene Knechte gelangen meist in ihren Stand.

Die Geschichte dieser Stände ist mit der Geschichte der
einzelnen Staten aufs engste verwoben; die Veränderungen und
Umwälzungen in den Verfassungen sind sehr häufig nur die
Wirkung und der Ausdruck der vorher oft wenig bemerkten
innern Umgestaltung der ständischen Verhältnisse und Begriffe.

Die ganze Rechtsbildung hatte während des Mittelalters
einen ständischen Ausdruck und eine ständische Färbung be-
kommen. Wie jeder Stand seine eigene Tracht, so hatte
jeder Stand auch sein besonderes Recht und eine ihm eigene
Rechtspflege. Der Klerus lebte nach kanonischem Recht,
die Fürsten nach Herrenrecht, die Ritter hatten ihr Lehens-
recht, die Dienstleute ihr Dienstrecht, für die Bürger galt
das Stadtrecht und für die Bauern das Recht der Weisthümer
und das Hofrecht.

Ebenso war der Statsverband durch den Gegensatz der
Stände zerklüftet und bedingt. Die Stände selber änderten
sich aber im Verlauf der mittelalterlichen Geschichte. Aus
Geblüts- und Erbständen wurden sie mehr und mehr Berufs-
stände
. In den späteren Jahrhunderten unterschied man
hauptsächlich vier Stände: 1) den Klerus, 2) den Adel,
3) den Bürgerstand oder dritten Stand, 4) die Bauern.
Eine herrschende politische Stellung kam vorzüglich den bei-
den ersten, aristokratischen Ständen zu. Der dritte rettete
die bürgerliche Freiheit. Der vierte war machtlos und wurde
beherrscht.

Die Institution dieser vier mittelalterlichen Stände ist zu
Ende des Mittelalters verfallen und grösztentheils aufgelöst
worden. Aber einzelne Reste derselben ragen noch wie altes

Achtes Capitel. V. Kasten. Stände. Classen. B. Die Stände.
Prostates, bei den Römern Patronus genannt. Sie gehören
zum Volke und sind nicht den Eigenen gleich zu stellen; aber
ihre Freiheit, ihre Rechte, der Werth, der ihnen beigemessen
wird, sind geringer als die des echten Freien. Von ihnen
werden auch vornehmlich die Handwerke betrieben. Frei-
gelassene Knechte gelangen meist in ihren Stand.

Die Geschichte dieser Stände ist mit der Geschichte der
einzelnen Staten aufs engste verwoben; die Veränderungen und
Umwälzungen in den Verfassungen sind sehr häufig nur die
Wirkung und der Ausdruck der vorher oft wenig bemerkten
innern Umgestaltung der ständischen Verhältnisse und Begriffe.

Die ganze Rechtsbildung hatte während des Mittelalters
einen ständischen Ausdruck und eine ständische Färbung be-
kommen. Wie jeder Stand seine eigene Tracht, so hatte
jeder Stand auch sein besonderes Recht und eine ihm eigene
Rechtspflege. Der Klerus lebte nach kanonischem Recht,
die Fürsten nach Herrenrecht, die Ritter hatten ihr Lehens-
recht, die Dienstleute ihr Dienstrecht, für die Bürger galt
das Stadtrecht und für die Bauern das Recht der Weisthümer
und das Hofrecht.

Ebenso war der Statsverband durch den Gegensatz der
Stände zerklüftet und bedingt. Die Stände selber änderten
sich aber im Verlauf der mittelalterlichen Geschichte. Aus
Geblüts- und Erbständen wurden sie mehr und mehr Berufs-
stände
. In den späteren Jahrhunderten unterschied man
hauptsächlich vier Stände: 1) den Klerus, 2) den Adel,
3) den Bürgerstand oder dritten Stand, 4) die Bauern.
Eine herrschende politische Stellung kam vorzüglich den bei-
den ersten, aristokratischen Ständen zu. Der dritte rettete
die bürgerliche Freiheit. Der vierte war machtlos und wurde
beherrscht.

Die Institution dieser vier mittelalterlichen Stände ist zu
Ende des Mittelalters verfallen und grösztentheils aufgelöst
worden. Aber einzelne Reste derselben ragen noch wie altes

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[133/0151] Achtes Capitel. V. Kasten. Stände. Classen. B. Die Stände. Prostates, bei den Römern Patronus genannt. Sie gehören zum Volke und sind nicht den Eigenen gleich zu stellen; aber ihre Freiheit, ihre Rechte, der Werth, der ihnen beigemessen wird, sind geringer als die des echten Freien. Von ihnen werden auch vornehmlich die Handwerke betrieben. Frei- gelassene Knechte gelangen meist in ihren Stand. Die Geschichte dieser Stände ist mit der Geschichte der einzelnen Staten aufs engste verwoben; die Veränderungen und Umwälzungen in den Verfassungen sind sehr häufig nur die Wirkung und der Ausdruck der vorher oft wenig bemerkten innern Umgestaltung der ständischen Verhältnisse und Begriffe. Die ganze Rechtsbildung hatte während des Mittelalters einen ständischen Ausdruck und eine ständische Färbung be- kommen. Wie jeder Stand seine eigene Tracht, so hatte jeder Stand auch sein besonderes Recht und eine ihm eigene Rechtspflege. Der Klerus lebte nach kanonischem Recht, die Fürsten nach Herrenrecht, die Ritter hatten ihr Lehens- recht, die Dienstleute ihr Dienstrecht, für die Bürger galt das Stadtrecht und für die Bauern das Recht der Weisthümer und das Hofrecht. Ebenso war der Statsverband durch den Gegensatz der Stände zerklüftet und bedingt. Die Stände selber änderten sich aber im Verlauf der mittelalterlichen Geschichte. Aus Geblüts- und Erbständen wurden sie mehr und mehr Berufs- stände. In den späteren Jahrhunderten unterschied man hauptsächlich vier Stände: 1) den Klerus, 2) den Adel, 3) den Bürgerstand oder dritten Stand, 4) die Bauern. Eine herrschende politische Stellung kam vorzüglich den bei- den ersten, aristokratischen Ständen zu. Der dritte rettete die bürgerliche Freiheit. Der vierte war machtlos und wurde beherrscht. Die Institution dieser vier mittelalterlichen Stände ist zu Ende des Mittelalters verfallen und grösztentheils aufgelöst worden. Aber einzelne Reste derselben ragen noch wie altes

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/151>, abgerufen am 21.11.2024.