doch nicht dieselben Ansprüche erheben. Das Land bedurfte ihrer Steuern, und der Landesfürst als Lehensherr verlangte auch von ihnen die Stellung von reisigen Reitern.
Ein Vorzug der geistlichen Aristokratie vor der weltlichen war es, dasz sie nicht an das ererbte Geblüt gebunden war, sondern auf individueller Bildung und Wahl beruhte. Der Sohn eines Handwerkers konnte Papst, der Sohn eines Bauern Erzbischof werden. 1
Mit der Zeit aber wurde der klerikale Vorrang und die aristokratische Macht der geistlichen Fürsten und Prälaten er- schüttert und zu Fall gebracht. Einen furchtbaren Stosz erlitt die verweltlichte Kirche durch die deutsche Kirchenformation des sechszehnten Jahrhunderts. Soweit der Protestantismus sich ausbreitete, wurden die geistlichen Fürstenthümer säcu- larisirt, die bischöflichen Aemter beseitigt, die Klöster aufge- hoben, die geistlichen Orden aufgelöst. Vor der Reformation saszen auf den deutschen Reichstagen drei geistliche Kurfürsten, drei andere Erzbischöfe und einunddreiszig Bischöfe. Nach dem westphälischen Frieden ist die Zahl vermindert auf drei Kur- fürsten, einen Erzbischof (Salzburg) und zwanzig Bischöfe. Es gibt nur noch eine schwäbische und eine rheinische Prälaten- bank. Der ganze Norden und ein guter Theil des Südens hat sich der geistlichen Herrschaft entwunden.
Die Säcularisation war aber auch in den katholisch ge- bliebenen Ländern nur vertagt, nicht beseitigt. Den zweiten Stosz der Revolutionskämpfe zu Anfang unseres Jahrhunderts hielt die geistliche Herrschaft nirgends in Deutschland aus. Auch die linksrheinischen Kurfürsten wurden von dem Sturme weggeblasen und ihre Länder dem französischen State ein-
1 Papst Gregor VII., selber der Sohn eines Zimmermanns, hat das Princip klar ausgesprochen: "Rom ist grosz geworden unter den Heiden und unter den Christen, quod non tam generis aut patriae nobilitatem, quam animi et corporis virtutes perpendendas adjudicaverit." Vgl. Laurent Etud. sur l'hist. VII. S. 335.
Neuntes Capitel. 1. Der Klerus.
doch nicht dieselben Ansprüche erheben. Das Land bedurfte ihrer Steuern, und der Landesfürst als Lehensherr verlangte auch von ihnen die Stellung von reisigen Reitern.
Ein Vorzug der geistlichen Aristokratie vor der weltlichen war es, dasz sie nicht an das ererbte Geblüt gebunden war, sondern auf individueller Bildung und Wahl beruhte. Der Sohn eines Handwerkers konnte Papst, der Sohn eines Bauern Erzbischof werden. 1
Mit der Zeit aber wurde der klerikale Vorrang und die aristokratische Macht der geistlichen Fürsten und Prälaten er- schüttert und zu Fall gebracht. Einen furchtbaren Stosz erlitt die verweltlichte Kirche durch die deutsche Kirchenformation des sechszehnten Jahrhunderts. Soweit der Protestantismus sich ausbreitete, wurden die geistlichen Fürstenthümer säcu- larisirt, die bischöflichen Aemter beseitigt, die Klöster aufge- hoben, die geistlichen Orden aufgelöst. Vor der Reformation saszen auf den deutschen Reichstagen drei geistliche Kurfürsten, drei andere Erzbischöfe und einunddreiszig Bischöfe. Nach dem westphälischen Frieden ist die Zahl vermindert auf drei Kur- fürsten, einen Erzbischof (Salzburg) und zwanzig Bischöfe. Es gibt nur noch eine schwäbische und eine rheinische Prälaten- bank. Der ganze Norden und ein guter Theil des Südens hat sich der geistlichen Herrschaft entwunden.
Die Säcularisation war aber auch in den katholisch ge- bliebenen Ländern nur vertagt, nicht beseitigt. Den zweiten Stosz der Revolutionskämpfe zu Anfang unseres Jahrhunderts hielt die geistliche Herrschaft nirgends in Deutschland aus. Auch die linksrheinischen Kurfürsten wurden von dem Sturme weggeblasen und ihre Länder dem französischen State ein-
1 Papst Gregor VII., selber der Sohn eines Zimmermanns, hat das Princip klar ausgesprochen: „Rom ist grosz geworden unter den Heiden und unter den Christen, quod non tam generis aut patriae nobilitatem, quam animi et corporis virtutes perpendendas adjudicaverit.“ Vgl. Laurent Étud. sur l'hist. VII. S. 335.
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Neuntes Capitel. 1. Der Klerus.
doch nicht dieselben Ansprüche erheben. Das Land bedurfte
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auch von ihnen die Stellung von reisigen Reitern.
Ein Vorzug der geistlichen Aristokratie vor der weltlichen
war es, dasz sie nicht an das ererbte Geblüt gebunden war,
sondern auf individueller Bildung und Wahl beruhte. Der
Sohn eines Handwerkers konnte Papst, der Sohn eines Bauern
Erzbischof werden. 1
Mit der Zeit aber wurde der klerikale Vorrang und die
aristokratische Macht der geistlichen Fürsten und Prälaten er-
schüttert und zu Fall gebracht. Einen furchtbaren Stosz erlitt
die verweltlichte Kirche durch die deutsche Kirchenformation
des sechszehnten Jahrhunderts. Soweit der Protestantismus
sich ausbreitete, wurden die geistlichen Fürstenthümer säcu-
larisirt, die bischöflichen Aemter beseitigt, die Klöster aufge-
hoben, die geistlichen Orden aufgelöst. Vor der Reformation
saszen auf den deutschen Reichstagen drei geistliche Kurfürsten,
drei andere Erzbischöfe und einunddreiszig Bischöfe. Nach dem
westphälischen Frieden ist die Zahl vermindert auf drei Kur-
fürsten, einen Erzbischof (Salzburg) und zwanzig Bischöfe. Es
gibt nur noch eine schwäbische und eine rheinische Prälaten-
bank. Der ganze Norden und ein guter Theil des Südens hat
sich der geistlichen Herrschaft entwunden.
Die Säcularisation war aber auch in den katholisch ge-
bliebenen Ländern nur vertagt, nicht beseitigt. Den zweiten
Stosz der Revolutionskämpfe zu Anfang unseres Jahrhunderts
hielt die geistliche Herrschaft nirgends in Deutschland aus.
Auch die linksrheinischen Kurfürsten wurden von dem Sturme
weggeblasen und ihre Länder dem französischen State ein-
1 Papst Gregor VII., selber der Sohn eines Zimmermanns, hat das
Princip klar ausgesprochen: „Rom ist grosz geworden unter den Heiden
und unter den Christen, quod non tam generis aut patriae nobilitatem,
quam animi et corporis virtutes perpendendas adjudicaverit.“ Vgl.
Laurent Étud. sur l'hist. VII. S. 335.
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/157>, abgerufen am 21.11.2024.
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