Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen-u. Volksnatur.
der Städte auf den deutschen Reichstagen seit der Er- hebung Rudolfs von Habsburg zum Könige waren wenigstens theilweise eine Stellvertretung des deutschen Bürgerstandes, und auf den deutschen Landtagen erhielten die Städte neben dem Adel und der Geistlichkeit als eine ständische Ge- nossenschaft Sitz und Stimme.
5. Endlich wurden die neuen Rechtsgedanken, die sich in dem Städtebürgerthum ausgeprägt fanden, auf die weiten Kreise der Gesammtbevölkerung des States übertragen, und aus dem Stadtbürgerthum wurde die Institution des modernen Statsbürgerthums geboren.
Fünfzehntes Capitel. 4. Der Bauernstand.
Wenn das Mittelalter dem Fortbestande der alten Ge- meinfreiheit nicht günstig war, so beförderte es auf der andern Seite die Erhebung und Befreiung der hörigen Leute. Eben indem es jene niederdrückte, hob es diese empor, und so näherten und mischten sich beide Stände auf derselben Stufe.
Ein immerhin kleiner Theil der hörigen Leute wurde so- gar über die Freien in den Stand des niedern Adels hinauf- gerückt, die Ministerialen, welche durch Hofdienst den Dynasten persönlich nahe traten, und durch höfische Bildung und Sitten ausgezeichnet waren, mit reicherem Grundbesitz ausgestattet und mit der Zeit den ritterlichen Vasallen an die Seite gestellt wurden.
Ein anderer und zahlreicher Theil liesz sich in den Städten nieder und gelangte hier, indem er städtische Ge- werbe trieb und auf diese Weise auch zu Vermögen kam, zu- gleich zu persönlicher und bürgerlicher Freiheit. Den italieni- schen Städten gebührt der Ruhm, zuerst im Groszen die volle
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen-u. Volksnatur.
der Städte auf den deutschen Reichstagen seit der Er- hebung Rudolfs von Habsburg zum Könige waren wenigstens theilweise eine Stellvertretung des deutschen Bürgerstandes, und auf den deutschen Landtagen erhielten die Städte neben dem Adel und der Geistlichkeit als eine ständische Ge- nossenschaft Sitz und Stimme.
5. Endlich wurden die neuen Rechtsgedanken, die sich in dem Städtebürgerthum ausgeprägt fanden, auf die weiten Kreise der Gesammtbevölkerung des States übertragen, und aus dem Stadtbürgerthum wurde die Institution des modernen Statsbürgerthums geboren.
Fünfzehntes Capitel. 4. Der Bauernstand.
Wenn das Mittelalter dem Fortbestande der alten Ge- meinfreiheit nicht günstig war, so beförderte es auf der andern Seite die Erhebung und Befreiung der hörigen Leute. Eben indem es jene niederdrückte, hob es diese empor, und so näherten und mischten sich beide Stände auf derselben Stufe.
Ein immerhin kleiner Theil der hörigen Leute wurde so- gar über die Freien in den Stand des niedern Adels hinauf- gerückt, die Ministerialen, welche durch Hofdienst den Dynasten persönlich nahe traten, und durch höfische Bildung und Sitten ausgezeichnet waren, mit reicherem Grundbesitz ausgestattet und mit der Zeit den ritterlichen Vasallen an die Seite gestellt wurden.
Ein anderer und zahlreicher Theil liesz sich in den Städten nieder und gelangte hier, indem er städtische Ge- werbe trieb und auf diese Weise auch zu Vermögen kam, zu- gleich zu persönlicher und bürgerlicher Freiheit. Den italieni- schen Städten gebührt der Ruhm, zuerst im Groszen die volle
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0204"n="186"/><fwplace="top"type="header">Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen-u.<lb/>
Volksnatur.</fw><lb/>
der Städte auf den <hirendition="#g">deutschen Reichstagen</hi> seit der Er-<lb/>
hebung Rudolfs von Habsburg zum Könige waren wenigstens<lb/>
theilweise eine Stellvertretung des deutschen Bürgerstandes,<lb/>
und auf den <hirendition="#g">deutschen Landtagen</hi> erhielten die Städte<lb/>
neben dem Adel und der Geistlichkeit als eine ständische Ge-<lb/>
nossenschaft Sitz und Stimme.</p><lb/><p>5. Endlich wurden die neuen Rechtsgedanken, die sich<lb/>
in dem Städtebürgerthum ausgeprägt fanden, auf die weiten<lb/>
Kreise der Gesammtbevölkerung des States übertragen, und<lb/>
aus dem Stadtbürgerthum wurde die Institution des modernen<lb/><hirendition="#g">Statsbürgerthums</hi> geboren.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>Fünfzehntes Capitel.<lb/><hirendition="#g">4. Der Bauernstand</hi>.</head><lb/><p>Wenn das Mittelalter dem Fortbestande der alten Ge-<lb/>
meinfreiheit nicht günstig war, so beförderte es auf der andern<lb/>
Seite die Erhebung und Befreiung der hörigen Leute. Eben<lb/>
indem es jene niederdrückte, hob es diese empor, und so<lb/>
näherten und mischten sich beide Stände auf derselben Stufe.</p><lb/><p>Ein immerhin kleiner Theil der hörigen Leute wurde so-<lb/>
gar über die Freien in den Stand des niedern Adels hinauf-<lb/>
gerückt, die <hirendition="#g">Ministerialen</hi>, welche durch Hofdienst den<lb/>
Dynasten persönlich nahe traten, und durch höfische Bildung<lb/>
und Sitten ausgezeichnet waren, mit reicherem Grundbesitz<lb/>
ausgestattet und mit der Zeit den ritterlichen Vasallen an die<lb/>
Seite gestellt wurden.</p><lb/><p>Ein anderer und zahlreicher Theil liesz sich in den<lb/><hirendition="#g">Städten</hi> nieder und gelangte hier, indem er städtische Ge-<lb/>
werbe trieb und auf diese Weise auch zu Vermögen kam, zu-<lb/>
gleich zu persönlicher und bürgerlicher Freiheit. Den italieni-<lb/>
schen Städten gebührt der Ruhm, zuerst im Groszen die volle<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[186/0204]
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen-u.
Volksnatur.
der Städte auf den deutschen Reichstagen seit der Er-
hebung Rudolfs von Habsburg zum Könige waren wenigstens
theilweise eine Stellvertretung des deutschen Bürgerstandes,
und auf den deutschen Landtagen erhielten die Städte
neben dem Adel und der Geistlichkeit als eine ständische Ge-
nossenschaft Sitz und Stimme.
5. Endlich wurden die neuen Rechtsgedanken, die sich
in dem Städtebürgerthum ausgeprägt fanden, auf die weiten
Kreise der Gesammtbevölkerung des States übertragen, und
aus dem Stadtbürgerthum wurde die Institution des modernen
Statsbürgerthums geboren.
Fünfzehntes Capitel.
4. Der Bauernstand.
Wenn das Mittelalter dem Fortbestande der alten Ge-
meinfreiheit nicht günstig war, so beförderte es auf der andern
Seite die Erhebung und Befreiung der hörigen Leute. Eben
indem es jene niederdrückte, hob es diese empor, und so
näherten und mischten sich beide Stände auf derselben Stufe.
Ein immerhin kleiner Theil der hörigen Leute wurde so-
gar über die Freien in den Stand des niedern Adels hinauf-
gerückt, die Ministerialen, welche durch Hofdienst den
Dynasten persönlich nahe traten, und durch höfische Bildung
und Sitten ausgezeichnet waren, mit reicherem Grundbesitz
ausgestattet und mit der Zeit den ritterlichen Vasallen an die
Seite gestellt wurden.
Ein anderer und zahlreicher Theil liesz sich in den
Städten nieder und gelangte hier, indem er städtische Ge-
werbe trieb und auf diese Weise auch zu Vermögen kam, zu-
gleich zu persönlicher und bürgerlicher Freiheit. Den italieni-
schen Städten gebührt der Ruhm, zuerst im Groszen die volle
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/204>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.