Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
gelangt, wie unter den europäischen Völkern unserer Zeit. Zum erstenmal in der Geschichte sind selbst die dienenden Classen im engeren Sinne zu dem Range von Freien erhoben worden; und auch die untersten Schichten fühlen sich be- theiligt bei der Wohlfahrt des States und machen Anspruch auf politische Rechte. Der heutige Statsmann wird von der Macht der Verhältnisse genöthigt, ganz besonders den Zu- ständen dieses vierten Standes seine Aufmerksamkeit und Sorge zuzuwenden. Es ist nicht mehr genügend, die öffent- liche Meinung der Gebildeten zu hören und zu erwägen. Mehr als zuvor wirken nun die Massen mit ihren Instincten und ihren Neigungen und Leidenschaften. Der moderne Stat -- freilich zunächst nur unter den Völkern von europäischer und daher wesentlich arischer Rasse -- ist auch in dieser Beziehung allgemeiner menschlich geworden.
Die vierte Classe ist aber so grosz, dasz sie selber wieder ganze grosze Berufsstände umfaszt, und beachtenswerthe Ab- stufungen begreift. Die gesundesten und krankhaftesten Ele- mente in dem ganzen heutigen Volkskörper sind dicht neben einander in ihr geeinigt. Die Rettung und Erhaltung des States ist ohne ihre Hülfe unmöglich, die Existenz desselben aus ihr fortwährend bedroht. Die gesundesten Bestandtheile sind auf dem Land in dem Bauernstande zu finden, ob- wohl auch sie, ohne eine neue geistig-sittliche Belebung, die in ihren Fundamenten schwankende Statsordnung auf die Dauer nicht zu erhalten vermögen. Ihnen zunächst stehen die Kleinbürger. Beide sind noch in den Gemeinden organisirt. Aber für die massenhaften in den Städten ange- häuften Bürger ist die Gemeindeorganisation nicht mehr ge- nügend, und die übrigen genossenschaftlichen Verbindungen sind der Auflösung verfallen. Die organische Beziehung der Meister unter sich und zu den Gesellen ist überall durch- brochen, und was naturgemäsz zusammen gehört, aus ein- ander gerissen. Die alte ständische Organisation ist zerstört,
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
gelangt, wie unter den europäischen Völkern unserer Zeit. Zum erstenmal in der Geschichte sind selbst die dienenden Classen im engeren Sinne zu dem Range von Freien erhoben worden; und auch die untersten Schichten fühlen sich be- theiligt bei der Wohlfahrt des States und machen Anspruch auf politische Rechte. Der heutige Statsmann wird von der Macht der Verhältnisse genöthigt, ganz besonders den Zu- ständen dieses vierten Standes seine Aufmerksamkeit und Sorge zuzuwenden. Es ist nicht mehr genügend, die öffent- liche Meinung der Gebildeten zu hören und zu erwägen. Mehr als zuvor wirken nun die Massen mit ihren Instincten und ihren Neigungen und Leidenschaften. Der moderne Stat — freilich zunächst nur unter den Völkern von europäischer und daher wesentlich arischer Rasse — ist auch in dieser Beziehung allgemeiner menschlich geworden.
Die vierte Classe ist aber so grosz, dasz sie selber wieder ganze grosze Berufsstände umfaszt, und beachtenswerthe Ab- stufungen begreift. Die gesundesten und krankhaftesten Ele- mente in dem ganzen heutigen Volkskörper sind dicht neben einander in ihr geeinigt. Die Rettung und Erhaltung des States ist ohne ihre Hülfe unmöglich, die Existenz desselben aus ihr fortwährend bedroht. Die gesundesten Bestandtheile sind auf dem Land in dem Bauernstande zu finden, ob- wohl auch sie, ohne eine neue geistig-sittliche Belebung, die in ihren Fundamenten schwankende Statsordnung auf die Dauer nicht zu erhalten vermögen. Ihnen zunächst stehen die Kleinbürger. Beide sind noch in den Gemeinden organisirt. Aber für die massenhaften in den Städten ange- häuften Bürger ist die Gemeindeorganisation nicht mehr ge- nügend, und die übrigen genossenschaftlichen Verbindungen sind der Auflösung verfallen. Die organische Beziehung der Meister unter sich und zu den Gesellen ist überall durch- brochen, und was naturgemäsz zusammen gehört, aus ein- ander gerissen. Die alte ständische Organisation ist zerstört,
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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
gelangt, wie unter den europäischen Völkern unserer Zeit.
Zum erstenmal in der Geschichte sind selbst die dienenden
Classen im engeren Sinne zu dem Range von Freien erhoben
worden; und auch die untersten Schichten fühlen sich be-
theiligt bei der Wohlfahrt des States und machen Anspruch
auf politische Rechte. Der heutige Statsmann wird von der
Macht der Verhältnisse genöthigt, ganz besonders den Zu-
ständen dieses vierten Standes seine Aufmerksamkeit und
Sorge zuzuwenden. Es ist nicht mehr genügend, die öffent-
liche Meinung der Gebildeten zu hören und zu erwägen.
Mehr als zuvor wirken nun die Massen mit ihren Instincten
und ihren Neigungen und Leidenschaften. Der moderne Stat
— freilich zunächst nur unter den Völkern von europäischer
und daher wesentlich arischer Rasse — ist auch in dieser
Beziehung allgemeiner menschlich geworden.
Die vierte Classe ist aber so grosz, dasz sie selber wieder
ganze grosze Berufsstände umfaszt, und beachtenswerthe Ab-
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mente in dem ganzen heutigen Volkskörper sind dicht neben
einander in ihr geeinigt. Die Rettung und Erhaltung des
States ist ohne ihre Hülfe unmöglich, die Existenz desselben
aus ihr fortwährend bedroht. Die gesundesten Bestandtheile
sind auf dem Land in dem Bauernstande zu finden, ob-
wohl auch sie, ohne eine neue geistig-sittliche Belebung, die
in ihren Fundamenten schwankende Statsordnung auf die
Dauer nicht zu erhalten vermögen. Ihnen zunächst stehen
die Kleinbürger. Beide sind noch in den Gemeinden
organisirt. Aber für die massenhaften in den Städten ange-
häuften Bürger ist die Gemeindeorganisation nicht mehr ge-
nügend, und die übrigen genossenschaftlichen Verbindungen
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/230>, abgerufen am 24.11.2024.
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