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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u.
Volksnatur.
seiner Mitte finden kann. Je höher dann durch Ansehen
und Einflusz der Patron gestellt wäre, um so wirksamer wür-
den die Interessen des Proletariats gewahrt werden.



Neunzehntes Capitel.
Verhältnisz des States zur Familie.
1. Geschlechterstat. Patriarchie. Ehe.

Sehr oft schon wurde in alter und in neuer Zeit der
Satz ausgesprochen: "Die Familie ist das Urbild des States.
Der Stat ist die erweiterte grosze Familie." 1 Man verglich
dann das Staatshaupt mit dem Vater, das Volk mit den
Kindern.

Indessen jener Satz und diese Vergleichung sind nur in sehr
beschränktem Sinne wahr. Sie gelten nur mit Bezug auf
die patriarchalische Statsform, nicht aber für den höhern
nationalen und menschlichen Stat. Es ist daher nöthig, die
durchgreifenden Gegensätze zwischen Familie und Stat zu
bezeichnen:

1) Die Familie beruht auf der Ehe und ehelicher
Kinderzeugung
. Die Familienglieder sind entweder als
Ehegatten oder durch gemeinsames Blut verbunden. Diese
Grundbegriffe des Familienrechts sind aber keineswegs Grund-
begriffe des Statsrechtes. Die Statsgenossen sind als solche
weder durch die Ehe noch durch das Blut mit einander ver-
bunden. Sie haben nicht einmal nothwendig Ehegemeinschaft
unter sich, noch weniger gemeinsame Abstammung. Die Grund-

1 Cicero de Officiis I. 17.: "Prima societas in ipso conjugio est, pro-
xima in liberis, deinde una domus, communia omnia. Id autem est
principium urbis et quasi seminarium reipublicae." Aber sogar Rousseau
im Contrat Social, zu dessen Grundansichten über den Stat es freilich
gar nicht paszt: "Die Familie ist das erste Vorbild der politischen Ge-
sellschaft."

Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u.
Volksnatur.
seiner Mitte finden kann. Je höher dann durch Ansehen
und Einflusz der Patron gestellt wäre, um so wirksamer wür-
den die Interessen des Proletariats gewahrt werden.



Neunzehntes Capitel.
Verhältnisz des States zur Familie.
1. Geschlechterstat. Patriarchie. Ehe.

Sehr oft schon wurde in alter und in neuer Zeit der
Satz ausgesprochen: „Die Familie ist das Urbild des States.
Der Stat ist die erweiterte grosze Familie.“ 1 Man verglich
dann das Staatshaupt mit dem Vater, das Volk mit den
Kindern.

Indessen jener Satz und diese Vergleichung sind nur in sehr
beschränktem Sinne wahr. Sie gelten nur mit Bezug auf
die patriarchalische Statsform, nicht aber für den höhern
nationalen und menschlichen Stat. Es ist daher nöthig, die
durchgreifenden Gegensätze zwischen Familie und Stat zu
bezeichnen:

1) Die Familie beruht auf der Ehe und ehelicher
Kinderzeugung
. Die Familienglieder sind entweder als
Ehegatten oder durch gemeinsames Blut verbunden. Diese
Grundbegriffe des Familienrechts sind aber keineswegs Grund-
begriffe des Statsrechtes. Die Statsgenossen sind als solche
weder durch die Ehe noch durch das Blut mit einander ver-
bunden. Sie haben nicht einmal nothwendig Ehegemeinschaft
unter sich, noch weniger gemeinsame Abstammung. Die Grund-

1 Cicero de Officiis I. 17.: „Prima societas in ipso conjugio est, pro-
xima in liberis, deinde una domus, communia omnia. Id autem est
principium urbis et quasi seminarium reipublicae.“ Aber sogar Rousseau
im Contrat Social, zu dessen Grundansichten über den Stat es freilich
gar nicht paszt: „Die Familie ist das erste Vorbild der politischen Ge-
sellschaft.“
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[216/0234] Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur. seiner Mitte finden kann. Je höher dann durch Ansehen und Einflusz der Patron gestellt wäre, um so wirksamer wür- den die Interessen des Proletariats gewahrt werden. Neunzehntes Capitel. Verhältnisz des States zur Familie. 1. Geschlechterstat. Patriarchie. Ehe. Sehr oft schon wurde in alter und in neuer Zeit der Satz ausgesprochen: „Die Familie ist das Urbild des States. Der Stat ist die erweiterte grosze Familie.“ 1 Man verglich dann das Staatshaupt mit dem Vater, das Volk mit den Kindern. Indessen jener Satz und diese Vergleichung sind nur in sehr beschränktem Sinne wahr. Sie gelten nur mit Bezug auf die patriarchalische Statsform, nicht aber für den höhern nationalen und menschlichen Stat. Es ist daher nöthig, die durchgreifenden Gegensätze zwischen Familie und Stat zu bezeichnen: 1) Die Familie beruht auf der Ehe und ehelicher Kinderzeugung. Die Familienglieder sind entweder als Ehegatten oder durch gemeinsames Blut verbunden. Diese Grundbegriffe des Familienrechts sind aber keineswegs Grund- begriffe des Statsrechtes. Die Statsgenossen sind als solche weder durch die Ehe noch durch das Blut mit einander ver- bunden. Sie haben nicht einmal nothwendig Ehegemeinschaft unter sich, noch weniger gemeinsame Abstammung. Die Grund- 1 Cicero de Officiis I. 17.: „Prima societas in ipso conjugio est, pro- xima in liberis, deinde una domus, communia omnia. Id autem est principium urbis et quasi seminarium reipublicae.“ Aber sogar Rousseau im Contrat Social, zu dessen Grundansichten über den Stat es freilich gar nicht paszt: „Die Familie ist das erste Vorbild der politischen Ge- sellschaft.“

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/234>, abgerufen am 24.11.2024.