reicher und philosophischer Form verherrlicht. Der Italiener Machiavelli, der in seinen Werken die reiche und schwere Lebenserfahrung eines tiefen und klugen Menschenkenners nie- dergelegt hat, und der Franzose Montesquieu, welcher mit freiem und heiterm Blicke die Welt anschaut und reich ist an feinen Bemerkungen und treffenden Beobachtungen, wech- seln in ihren Schriften in der Methode; doch ist jener mehr der historischen, dieser mehr der philosophischen ergeben. Der welsche Schweizer Rousseau und der Engländer Ben- tham dagegen halten sich, gleich den meisten Deutschen, mehr an die philosophische Methode, verfallen aber häufiger als ihr gröszeres Vorbild Platon in die einseitigen Ver- irrungen der bloszen Idiologie.
Es ist somit klar: die beiden Methoden, die historische und die philosophische, bestreiten sich nicht. Sie ergänzen sich vielmehr und corrigiren sich. Der ist sicherlich ein bor- nirter Historiker, der meint, mit ihm sei die Geschichte ab- geschlossen, und es werde kein neues Recht mehr geboren, und der ein eitler und thörichter Philosoph, der meint, er sei der Anfang und das Ende aller Wahrheit. Der echte Histo- riker ist als solcher genöthigt den Werth auch der Philosophie anzuerkennen, und der wahre Philosoph ist ebenso darauf hin- gewiesen auch die zu Rathe zu ziehen.
Wohl aber hat jede der beiden Methoden ihre eigenthüm- lichen Vorzüge und hinwieder ihre besonderen Schwächen und Gefahren. Der Hauptvorzug der historischen ist der Reich- thum und die Positivität ihrer Resultate; denn die Ge- schichte ist voll lebendiger Mannichfaltigkeit und zugleich durch und durch positiv. Was der fruchtbarste Denker in seinem Kopfe auszudenken vermag, wird doch immer, ver- glichen mit den in der Geschichte der Menschheit geoffen- barten Gedanken, nur ein ärmliches Stückwerk sein, und ge- wöhnlich nur eine unsichere und nebelhafte Gestalt erlangen. Aber daneben besteht allerdings die Gefahr, dasz man, dem
Zweites Capitel. Wissenschaftliche Methoden.
reicher und philosophischer Form verherrlicht. Der Italiener Machiavelli, der in seinen Werken die reiche und schwere Lebenserfahrung eines tiefen und klugen Menschenkenners nie- dergelegt hat, und der Franzose Montesquieu, welcher mit freiem und heiterm Blicke die Welt anschaut und reich ist an feinen Bemerkungen und treffenden Beobachtungen, wech- seln in ihren Schriften in der Methode; doch ist jener mehr der historischen, dieser mehr der philosophischen ergeben. Der welsche Schweizer Rousseau und der Engländer Ben- tham dagegen halten sich, gleich den meisten Deutschen, mehr an die philosophische Methode, verfallen aber häufiger als ihr gröszeres Vorbild Platon in die einseitigen Ver- irrungen der bloszen Idiologie.
Es ist somit klar: die beiden Methoden, die historische und die philosophische, bestreiten sich nicht. Sie ergänzen sich vielmehr und corrigiren sich. Der ist sicherlich ein bor- nirter Historiker, der meint, mit ihm sei die Geschichte ab- geschlossen, und es werde kein neues Recht mehr geboren, und der ein eitler und thörichter Philosoph, der meint, er sei der Anfang und das Ende aller Wahrheit. Der echte Histo- riker ist als solcher genöthigt den Werth auch der Philosophie anzuerkennen, und der wahre Philosoph ist ebenso darauf hin- gewiesen auch die zu Rathe zu ziehen.
Wohl aber hat jede der beiden Methoden ihre eigenthüm- lichen Vorzüge und hinwieder ihre besonderen Schwächen und Gefahren. Der Hauptvorzug der historischen ist der Reich- thum und die Positivität ihrer Resultate; denn die Ge- schichte ist voll lebendiger Mannichfaltigkeit und zugleich durch und durch positiv. Was der fruchtbarste Denker in seinem Kopfe auszudenken vermag, wird doch immer, ver- glichen mit den in der Geschichte der Menschheit geoffen- barten Gedanken, nur ein ärmliches Stückwerk sein, und ge- wöhnlich nur eine unsichere und nebelhafte Gestalt erlangen. Aber daneben besteht allerdings die Gefahr, dasz man, dem
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Zweites Capitel. Wissenschaftliche Methoden.
reicher und philosophischer Form verherrlicht. Der Italiener
Machiavelli, der in seinen Werken die reiche und schwere
Lebenserfahrung eines tiefen und klugen Menschenkenners nie-
dergelegt hat, und der Franzose Montesquieu, welcher mit
freiem und heiterm Blicke die Welt anschaut und reich ist
an feinen Bemerkungen und treffenden Beobachtungen, wech-
seln in ihren Schriften in der Methode; doch ist jener mehr
der historischen, dieser mehr der philosophischen ergeben.
Der welsche Schweizer Rousseau und der Engländer Ben-
tham dagegen halten sich, gleich den meisten Deutschen,
mehr an die philosophische Methode, verfallen aber häufiger
als ihr gröszeres Vorbild Platon in die einseitigen Ver-
irrungen der bloszen Idiologie.
Es ist somit klar: die beiden Methoden, die historische
und die philosophische, bestreiten sich nicht. Sie ergänzen
sich vielmehr und corrigiren sich. Der ist sicherlich ein bor-
nirter Historiker, der meint, mit ihm sei die Geschichte ab-
geschlossen, und es werde kein neues Recht mehr geboren,
und der ein eitler und thörichter Philosoph, der meint, er sei
der Anfang und das Ende aller Wahrheit. Der echte Histo-
riker ist als solcher genöthigt den Werth auch der Philosophie
anzuerkennen, und der wahre Philosoph ist ebenso darauf hin-
gewiesen auch die zu Rathe zu ziehen.
Wohl aber hat jede der beiden Methoden ihre eigenthüm-
lichen Vorzüge und hinwieder ihre besonderen Schwächen und
Gefahren. Der Hauptvorzug der historischen ist der Reich-
thum und die Positivität ihrer Resultate; denn die Ge-
schichte ist voll lebendiger Mannichfaltigkeit und zugleich
durch und durch positiv. Was der fruchtbarste Denker in
seinem Kopfe auszudenken vermag, wird doch immer, ver-
glichen mit den in der Geschichte der Menschheit geoffen-
barten Gedanken, nur ein ärmliches Stückwerk sein, und ge-
wöhnlich nur eine unsichere und nebelhafte Gestalt erlangen.
Aber daneben besteht allerdings die Gefahr, dasz man, dem
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/27>, abgerufen am 03.12.2024.
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